Gewappnet fürs „Chamäleon Krieg“
Gemeinsam planen, um Ressourcen und Kräfte zu bündeln
Sowohl auf die erwartbaren wie vor allem auf unerwartbare militärische Bedrohungen müssen unsere Streitkräfte vorbereitet sein und angemessen reagieren können. Das bedeutet für die Bundeswehr, dass sie über ein breites Fähigkeitsspektrum verfügen muss, um gemeinsam mit den europäischen Partnern Sicherheitspolitik aktiv zu gestalten.
Die sicherheitspolitische Landschaft hat sich in den vergangenen Monaten einschneidend verändert: Bedrohungen sind geografisch wieder an die Grenzen des Bündnisses herangerückt, Konflikte und kriegerische Gewalt auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt. Gleichzeitig ist die Erwartungshaltung unserer Freunde und Partner an Deutschland gestiegen und die Bundesregierung hat ihren Gestaltungswillen unterstrichen. Bereits im Dezember 2013 hat der Europäische Rat grundlegende Beschlüsse zur Weiterentwicklung unserer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) gefasst und die NATO beim Gipfel in Wales einen strategischen Anpassungsprozess eingeleitet.
Dies alles kann natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Bundeswehr bleiben: auf die Anforderungen an ihre Einsatzbereitschaft, die Entwicklung ihrer Fähigkeiten, das Zusammenwirken mit ihren Verbündeten und Partnern. Wir müssen uns daher fragen: Welche Entwicklungen lassen sich bei einer Analyse aktueller Konflikt- und Kriegsbilder feststellen? Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus für das künftige Anforderungsprofil von Streitkräften und was bedeutet dies für die Fähigkeitsentwicklung der Bundeswehr?
Clausewitz irrt nicht, wenn er vom „Chamäleon Krieg“ spricht: Denn scheinbar unentwegt und immer schneller verändert sich die Natur des bewaffneten Konflikts. Bemerkenswert sind dabei zwei – auf den ersten Blick fast gegensätzlich erscheinende – Tendenzen.1 Wir sehen auf der einen Seite – Stichwort Ukraine – staatliche Akteure, die sich nichtkonventioneller Methoden bedienen, das vorhandene Protestpotenzial von Bevölkerungsgruppen und Minderheiten instrumentalisieren, mehr oder minder verdeckte geheimdienstliche und sogar militärische Unterstützung leisten, systematisch ökonomischen Druck ausüben und Desinformationen verbreiten: Methoden, die miteinander verbunden und auch jeweils so skalierbar sind, dass durch sie zumindest ein Zustand anhaltender Instabilität erreicht werden kann. Das strategische Ziel dieser Form der Konfliktaustragung ist hingegen ein ganz herkömmliches: Machterweiterung durch territoriale Kontrolle.
Am anderen Ende der Skala sehen wir nichtstaatliche Akteure, wie beispielweise den so genannten „Islamischen Staat“, die dort, wo sie über die entsprechenden Mittel verfügen, klassische militärtaktische Verfahren nutzen und zusammenhängende Operationen führen. Diesen Akteuren ist territoriale Besitznahme jedoch nur Mittel zum Zweck. Selbst die Kontrolle von Gütern, Rohstoffen und sogar Informationen zielt letztlich auf die Kontrolle der Menschen. Es geht ihnen vor allem um die immer weiter ausgreifende Verbreitung einer religiös verbrämten, totalitären Steinzeitideologie als bewussten Gegenentwurf zu den freiheitlichen Ordnungen des Westens.
Diese Akteure wollen die Art der Vernetzung der Welt, wie sie Grundlage für unseren ökonomischen Wohlstand und Ergebnis eben unserer freiheitlichen Ordnung ist, zerstören oder zumindest in einen Zustand der permanenten Gefährdung versetzen. Der „Dschihad“ selbst ist das Ziel.
Und neben den territorialen und den ideologischen Konflikten erleben wir, wie eine Pandemie – Ebola – droht, ohnehin schwach ausgeprägte Regierungsstrukturen fast vollständig zum Zusammenbruch zu bringen. Man muss kein Pessimist sein, um zu erkennen, dass dies zu einer humanitären Katastrophe führen kann, deren sicherheitspolitische Auswirkungen über die Region hinausreichen.
Verlorene Legitimität
Wie lassen sich diese Entwicklungen und Beobachtungen bewerten? Erstens: So unterschiedlich die beschriebenen Konfliktformen auch sein mögen, ihnen allen gemein ist das Grundübel ungenügender, nicht vorhandener oder nicht ausreichend handlungsfähiger Staatsstrukturen und schlechter Regierungsführung.
Immer wieder können wir ein Muster beobachten, nach dem Regierungen das Vertrauen ihrer Bevölkerungen und schließlich auch ihre Legitimität verlieren, da sie nicht in der Lage oder willens sind, Grundbedürfnisse zu erfüllen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit zu garantieren. Sehr häufig werden die staatlichen Sicherheitskräfte im Verlauf dieses Prozesses zu einem Teil des Unterdrückungsapparats, was sie dauerhaft diskreditiert, oder aber sie werden marginalisiert. Das dadurch entstehende Vakuum ermöglicht internen oder externen Akteuren, bestehendes Konfliktpotenzial für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Solche Entwicklungen lassen sich für den Ukraine-Konflikt erkennen, aber auch für so manch andere „gefrorene Situation“ auf unserem Kontinent, wie etwa in Abchasien oder Transnistrien. Sie sind erkennbar in Syrien, im Irak und in weiteren Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sowie in vielen Regionen Afrikas. Den Verkehrspolizisten, der gar nicht weit von der Metropole entfernt ein Nagelbrett quer über die Straße legt und die Passage erst nach Begleichung der Strafe für eine „Ordnungswidrigkeit“ erlaubt, mag mancher westliche Besucher als landestypisch abtun. Tatsächlich aber trägt solch eine Alltagssituation bereits den Keim einer Entwicklung in sich, die zu einem internationalen Sicherheitsrisiko führen kann – denn sie untergräbt die Legitimität des Gewaltmonopols. Die Meldungen über die jüngsten Gewaltakte von Al-Shabaab und Boko Haram in Kenia und Nigeria lassen hier aufhorchen.
Eine zweite Erkenntnis ist, dass unsere herkömmlichen Denk- und Analyseschablonen, auch unser vorhandener Rechtsrahmen handlungsleitende Autorität zu verlieren drohen: Welche Reichweite besitzt ein Begriff wie „territoriale Integrität“ angesichts eines ideologisch ausgerichteten Herrschaftsprojekts mit globalem Anspruch, wie ihn der „Islamische Staat“ vertritt? Welche Relevanz besitzt ein „Kombattantenstatus“ angesichts militärisch operierender transnationaler Terrorgruppierungen, angesichts von Spezialkräften, die ohne Hoheitsabzeichen agieren? Dies verdeutlicht auch, warum sich das, was sich für manchen Beobachter atmosphärisch anfühlt wie „Kalter Krieg,“ längst nicht mehr allein mit den Mitteln dieser Epoche kurieren lässt.
Was Streitkräfte leisten müssen
Quantität, die Gegenüberstellung unterschiedlicher Waffensysteme, hat als Bewertungsmaßstab an Bedeutung verloren. Vielmehr zeigt auch ein Blick auf unsere derzeitigen Einsätze, dass moderne Streitkräfte vor allem möglichst vielfältigen Anforderungen gerecht werden müssen. Das gilt für ihr Fähigkeitsspektrum: Es reicht von Aufbau, Ausbildung und Beratung über Beobachtung in Krisengebieten, Stabilisierung und Kampf, Präsenz, Überwachung von Seewegen sowie Embargokontrolle bis hin zu Abschreckung und Verteidigung. Und es gilt für ihre Reaktionsfähigkeit, ihren geografischen Aktionsradius, ihre Durchhaltefähigkeit und vor allem auch ihren Nutzen im Gesamtspektrum unseres außenpolitischen Operationsbestecks.
Denn: Gerade der Kernursache vieler Konflikte, schlechte Regierungsführung, können wir nur mit allen unseren außen- und sicherheitspolitischen Instrumenten im Verbund erfolgreich entgegentreten. Streitkräfte leisten hierzu nur einen Beitrag. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ist daher beizupflichten, wenn er feststellt: „Raketen töten Terroristen, aber nur gute Regierungsführung tötet den Terrorismus.“
Auch wenn es Situationen geben mag, in denen eine sehr robuste militärische Anfangsoperation erforderlich sein kann, wird häufig unser Hauptaugenmerk der Ertüchtigung der örtlichen Sicherheitsstrukturen gelten müssen – so wie dies in der letzten Phase unseres ISAF-Einsatzes und künftig bei „Resolute Support“ in Afghanistan der Fall ist. In eine ähnliche Richtung weisen auch unsere Engagements in Mali und Somalia und unsere Planung für die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte.
Gleichzeitig müssen unsere Streitkräfte in der Lage sein, jeder Bedrohung von außen bereits im Entstehen mit Entschlossenheit, Glaubwürdigkeit und schneller Reaktionsfähigkeit entgegenzutreten. Niemand sollte ein militärisches Vorgehen gegen das Territorium oder die Interessen der Allianz auch nur in Erwägung ziehen können. Im Lichte der Ukraine-Krise hat die NATO diese Entschlossenheit, Glaubwürdigkeit und schnelle Reaktionsfähigkeit unter Beweis gestellt: kurzfristig durch die Maßnahmen zur Visible Assurance, zu der unter anderem die Überwachung des baltischen Luftraums, die Verstärkung der AWACS-Aufklärungsflüge in Polen und Rumänien sowie erhöhte Trainingsaktivitäten in den östlichen Bündnisstaaten zählen.
In mittel- und langfristiger Perspektive wird der auf dem Gipfel in Wales beschlossene Readiness Action Plan zu einer weiteren Verbesserung der Reaktionsfähigkeit der Allianz beitragen. Im Mittelpunkt steht dabei die Aufstellung der sogenannten Very High Readiness Joint Task Force, im Kern ein Heeresverband mit entsprechender Unterstützung von Luft- und Seestreitkräften sowie Spezialkräften. Ihre Glaubwürdigkeit gegenüber potenziellen Aggressoren wird diese „Speerspitze“ der Allianz vor allem aus der Beteiligung aller NATO-Mitglieder ziehen: Ihr Gesicht muss multinational sein. Die NATO Response Force 2015 wird daher als Testlauf dafür dienen, was wir tatsächlich auch dauerhaft werden leisten können. Mit ihrer Führung durch das Deutsch-Niederländische Korps werden wir hier eine wichtige Rolle spielen.
Dies unterstreicht den wichtigen und für unser Land angemessenen Beitrag der Bundeswehr zu den gemeinsamen Anstrengungen unseres Bündnisses. Denn wenngleich in den vergangenen Wochen ein Zerrbild von der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr entstanden sein mag, das sich maßgeblich aus einer zweifelsohne unbefriedigenden Tagesverfügbarkeit ausgewählten Großgeräts speiste: Die Bundeswehr ist unverändert in der Lage, ihre aktuellen Einsatzverpflichtungen und Dauereinsatzaufgaben, wie die Überwachung des Luftraums und unserer Küstengewässer, zu erfüllen. Wir verfügen über ein zu jeder Zeit abrufbereites Kräftekontingent zur nationalen Krisenvorsorge. Und wir haben bewiesen, dass wir auch kurzfristig auf neue Herausforderungen reagieren können.
Spür- und sichtbar gealtert
Gleichwohl ist auch richtig, dass wir in einigen Bereichen an unsere Grenzen stoßen. In diese Situation sind wir freilich nicht über Nacht geraten. Denn seit etwa zwei Jahrzehnten erlebten wir spürbare Eingriffe in die mittelfristige Finanzplanung. Wechselnde Einsatzerfordernisse in Reaktion auf die jeweilige Lageentwicklung verursachten immer wieder Umplanungen und neue Priorisierungen, wie bei der Beschaffung von geschützten Fahrzeugen für unsere ISAF-Kontingente. Verzögerungen bei Beschaffungsentscheidungen und der Auslieferung von Großprojekten führten mehrfach zu Verlängerungen der Nutzungsdauer unserer „Altsysteme“.
Das am stärksten in die Schlagzeilen geratene Beispiel ist hier der Lufttransport, bei dem wir uns weitaus länger als geplant auf unsere Transall stützen müssen. Dass dies nicht ohne Auswirkungen auf Instandhaltungsrhythmen und -kosten sowie auf die Verfügbarkeit von Ersatzteilen bleibt, weiß jeder Liebhaber von Oldtimern.
Wir wissen um diese Defizite und haben eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um Verbesserungen auf den Weg zu bringen, etwa bei der Beschaffung von Ersatzteilen. Gleichwohl bedarf es hier auch der Geduld und vor allem realistischer Annahmen zur Herstellung der Einsatz- und Versorgungsreife neu eingeführter, technisch hoch komplexer Waffensysteme. Der grundsätzliche Spagat zwischen der gewünschten sofortigen Verfügbarkeit neuester Technologie für den Einsatz und einer tatsächlichen industriellen Serienreife wird nie ganz zu schließen sein.
Bei allen nun eingeleiteten Verbesserungen und auch angesichts des erheblichen Fähigkeitsgewinns, den die Bundeswehr in den kommenden Jahren bei unseren Land-, Luft- und Seestreitkräften durch den Zulauf neuer Systeme wie dem Schützenpanzer Puma, dem gepanzerten Transportfahrzeug Boxer, dem Eurofighter und dem Transportflugzeug A400M, der Korvette 130 und der Fregatte 125 erwarten kann, lassen sich die künftigen sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen dennoch nicht im nationalen Alleingang bewältigen.
Das ist keine neue Erkenntnis. Im Grunde existiert mit dem NATO Defence Planning Process seit langem ein gutes Instrument für eine kohärente multinationale Fähigkeitsentwicklung. Gleichwohl bestehen seit Jahren Fähigkeitslücken der Allianz fort. Das liegt zum einen an der europäischen Neigung, sich weiter auf den unvergleichlichen „Fähigkeitsschirm“ der USA zu verlassen und daher die eigenen Anstrengungen zu begrenzen. Zudem hält sich noch immer die hartnäckige Illusion, auch künftig militärisch unilateral handeln zu können. Dies werden wir uns – und damit meine ich alle europäischen Nationen – in Zukunft nicht mehr leisten können – politisch, wie auch finanziell. Kritische „enabler“, wie etwa verlegbare Hauptquartiere, streitkräftegemeinsame Aufklärung, strategischer Lufttransport sind einfach zu teuer, um sie national schultern zu können.
Neue Formen der Kooperation
Daher werden in den kommenden Jahren drei grundsätzliche Trends zu beobachten sein, die sich durchaus gegenseitig ergänzen: Einige Nationen werden bereit sein, ihre Fähigkeiten zu poolen, um dadurch ihre Durchhaltefähigkeit im Verbund zu erhöhen und gleichzeitig den nationalen Zugriff auf den eigenen Anteil im Bedarfsfall zu wahren. Ein gutes Beispiel hierfür sind das Europäische Lufttransportkommando und unsere gemeinsamen Aufklärungssatelliten mit Frankreich.
Darüber hinaus werden Staaten gemeinsame und geteilte (shared) Fähigkeiten entwickeln, weil dies der einzige Weg ist, Zugang zu Hochwertfähigkeiten wie etwa AWACS oder AGS (Alliance Ground Surveillance) Core zu erhalten. Und schließlich werden wir Nationen sehen, die sich in unterschiedlicher Zusammensetzung „von Fall zu Fall“ zusammenschließen, um Fähigkeiten zu teilen oder aber auch gemeinsame Streitkräftestrukturen bis hinunter auf die niedrige taktische Ebene zu entwickeln. Das gilt etwa für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit: So haben die Niederländer Mitte des Jahres ihre Luftmechanisierte Brigade unserer Division Schnelle Kräfte unterstellt. Und da das Königliche Niederländische Heer nicht länger über Panzerverbände verfügt, planen wir derzeit die mögliche Unterstellung eines deutschen Panzerbataillons mit vermutlich einer „Oranje“-Kompanie unter eine niederländische Mechanisierte Brigade. Eine ähnliche wechselseitige Unterstellung von Kampftruppenbataillonen streben wir auch mit unseren polnischen Nachbarn an.
Dieses Kooperationsmuster wollen wir künftig auch auf die gemeinsame Entwicklung von Fähigkeiten innerhalb der Allianz übertragen. Das ist das Ziel der deutschen Initiative „Framework Nations Concept“, das die Staats- und Regierungschefs in Wales indossiert haben und das nun an praktischer Relevanz gewinnt. Neun Partner haben in Newport ihre Absicht zur Zusammenarbeit bei der Fähigkeitsentwicklung in einem Gemeinsamen Brief (Joint Letter) an den Generalsekretär bestätigt, um die wichtigsten Defizitbereiche der NATO zu adressieren, z.B. verlegbare Hauptquartiere, streitkräftegemeinsame taktische Feuerunterstützung, ABC-Abwehr, Luftverteidigung und ballistische Raketenabwehr.
Wenn wir den Erhalt und die Entwicklung militärischer Fähigkeiten künftig mehr und mehr in die europäische Perspektive setzen, betrifft dies nicht nur technische oder administrative Aspekte. Und es ist im Kern auch keine militärische Frage, weil die Streitkräfte ihre Bereitschaft und ihr Vermögen zur multinationalen Zusammenarbeit täglich in den Einsätzen unter Beweis stellen. Vielmehr ist es eine politische Entscheidung, denn gemeinsame Strukturen, der Aufbau und der Betrieb gemeinsamer militärischer Fähigkeiten, erfordern ein hohes Maß an Vertrauen in die verlässliche Bereitstellung von Fähigkeit im Bedarfsfall. Gibt es hieran Zweifel, entfällt der Anreiz für Staaten, sich an ihr zu beteiligen. Die Koalitionsparteien und der Deutsche Bundestag haben diese Problematik erkannt. Seit April 2014 befasst sich eine Kommission mit der Frage, „wie auf dem Weg fortschreitender Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben (...) im Hinblick auf Auslandseinsätze der Bundeswehr die Parlamentsrechte gesichert werden können“.2
Die Entwicklungen der vergangenen Monate verdeutlichen, wie sehr wir auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik über den Tag und die Legislaturperiode hinausblicken müssen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wir immer wieder eine Friedensdividende ausgeschüttet und auf Reinvestitionen verzichtet. Allerdings blieb die Erwartung einer dauerhaften und stabilen Friedensordnung in Europa und seinen Nachbarregionen unerfüllt.
Gleichwohl hat sich die NATO neuen, auch überraschenden sicherheitspolitischen Herausforderungen stets gewachsen gezeigt: Ob Bündnisverteidigung, Krisenbewältigung oder humanitäre Einsätze, die Allianz ist handlungsfähig – häufig jedoch nur deshalb, weil die Vereinigten Staaten sich immer wieder über ihren Anteil hinaus in das Bündnis einbringen.
In einer Welt, in der sich die demografischen und ökonomischen Gewichte ständig verschieben und sich die Aufgaben für die Streitkräfte in immer größerer Varianz zeigen, müssen auch wir Europäer wieder zu einer nachhaltigen Sicherheitspolitik in der Lage sein. Dazu gehört, dass wir heute gemeinsam investieren, um auch künftige Generationen in die Lage zu versetzen, mit den erwartbaren, vor allem aber auch den unerwartbaren militärischen Herausforderungen fertig zu werden und Sicherheitspolitik auf unserem Kontinent und in seinen Nachbarregionen aktiv zu gestalten. Deshalb sollten wir unsere Streitkräfte kohärent im europäischen Verbund entwickeln, um unsere Ressourcen und Kräfte zu bündeln.
General Volker Wieker ist Generalinspekteur der Bundeswehr.
- 1Vgl. hierzu Herfried Münkler, Die Zeit, 18.9.2014.
- 2Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Anm. d. Red.: Siehe dazu auch die Beiträge von Johannes Varwick, S. 89–93 sowie von Elke Hoff in IP November/Dezember 2014, S. 78–83.
Internationale Politik 1, Januar/Februar 2015, S. 82-88