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01. Mai 2002

Ethnische Minderheiten in Serbien und Montenegro

Die Angst der Balkan-Länder vor Separatismus

Bosnische Muslime in Sandschak, Ungarn in der Wojwodina, Albaner in Serbien und Montenegro sowie Roma in Kosovo: das Problem der Minderheiten auf dem Balkan sorgt nach wie vor für Sprengstoff. Die Angst vor dem endgültigen Zerfall der Region in kleinste Entitäten ist allgegenwärtig. Besonders gefährdet sei die Stabilität durch die nationalistischen Bestrebungen der Albaner, so die bulgarische Historikerin.

Seit Ewigkeiten herrschen auf dem Balkan zwei große Angstvorstellungen vor, die zu Spannungen und vielen Kriegen geführt haben: Zum einen fürchten sich die Menschen auf dem Balkan vor dem Irredentismus, d.h. dem Verlust von Territorien und Bevölkerung auf Grund von Separatismus oder Ansprüchen benachbarter Länder (auch wenn natürlich jedes Land seine Ansprüche auf benachbarte Gebiete für legitim hält). Die andere Angstvorstellung – und diese hängt in einem gewissen Maße mit der ersten zusammen – bezieht sich auf die Demographie, d.h. die Befürchtung, dass die Minderheiten in einem Land so schnell wachsen, dass sie die Stellung der ursprünglichen Mehrheit gefährden bzw. die Angst vor separatistischen Forderungen dieses Bevölkerungsteils. Zudem kann das Nachbarvolk so stark wachsen, dass es die ursprüngliche Mehrheit zur Minderheit machen könnte.

Diese Ängste sind die Ursachen für die ständigen Spannungen, Konflikte und Kriege auf dem Balkan, und Fragen der Menschenrechte, des Minderheitenstatus, der innerethnischen und innerstaatlichen Beziehungen werden daher zu Fragen von entscheidender Bedeutung. Wenn diese Angst in einigen Ländern des Balkans vom Alptraum zur Realität wird, werden alle Staaten der Halbinsel die Situation sehr genau beobachten, da sie befürchten, dass die Großmächte vornehmlich ihre eigenen Interessen in der Region verfolgen. Schließlich haben diese mit der Serie von Friedenskonferenzen und Abkommen ein solches Durcheinander im Hinblick auf Grenzen, Nationen und Minderheiten auf dem Balkan hinterlassen, dass deren Folgen weiterhin den Frieden in der Region gefährden.

Sandschak

Im Süden Serbiens gibt es ein großes Grenzgebiet, Sandschak, das 8687 km2 umfasst und zwischen Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Kosovo liegt. Nach 1912 wurde es administrativ zwischen Serbien und Montenegro aufgeteilt. Auf dem Berliner Kongress von 1878 gelang es dem Osmanischen Reich, die Region Novi Pazar Sandschak – eine wirtschaftlich und strategische wichtige Region – innerhalb seiner Grenzen zu halten. Die Herrschaft über diese Region diente dem Osmanischen Reich über Jahre dazu, Serbien von Montenegro zu trennen, das gemeinsame Freiheits- und Vereinigungsstreben der Serben zu beenden und die Verbindungen des Reiches mit Bosnien zu zementieren. Der Volkszählung von 1991 zufolge hat Sandschak insgesamt 440 000 Einwohner; davon sind 253 000 bosnische Muslime sowie 187 000 Serben und Montenegriner. Die größte Stadt der Region ist Novi Pazar mit einer Einwohnerzahl von 85 000; 85 Prozent von ihnen sind Bosniaken.

„Bosniaken“ oder „Muslime“?

Die bosnische Bevölkerung Sandschaks sah sich stets der Gefahr ausgesetzt, ihre ethnische Identität zu verlieren. Die Propaganda hatte die muslimische Bevölkerung Sandschaks angewiesen, sich als Serben, Kroaten, Türken oder „undefiniert“ zu bezeichnen. Mit der Verabschiedung eines Gesetzeszusatzes für die jugoslawische Verfassung von 1974 erhielten die bosnischen Muslime den Status eines muslimischen Volkes. Die Bevölkerung Sandschaks wurde jedoch weder in der Verfassung des Bundes noch in der der Republik als Volk oder als nationale Minderheit anerkannt. Erst 1996 erkannten die montenegrinischen Behörden der Bevölkerung Sandschaks den Status einer ethnischen Gruppe als Muslime zu. (Die Muslime in Montenegro stellen 15 Prozent der Bevölkerung von insgesamt 620 000.)

Der seit langem schwelende Disput um die Begriffe „Muslime“ und „Bosniaken“ wurde auf einem Kongress bosnischer Intellektueller im Jahr 1993 in Sarajewo beigelegt, als der selbst gewählte Ausdruck „Bosniake“ proklamiert wurde. Der größte Teil der serbischen politisch-intellektuellen Elite weigerte sich jedoch, diese Bezeichnung für die Muslime in Sandschak zu akzeptieren und nannte sie weiterhin „Serben islamischen Glaubens“.

Sechs Monate nach dem Ende des Regimes unter Präsident Slobodan Milosevic im Oktober 2000 wollten die Bosniaken Sandschaks ihren Status und ihre ethnische Identität unter der neuen Regierung klären. Im März 2001 fand daher in Novi Pazar eine Konferenz mit dem Titel „Sandschak und Bosniaken zwischen Serbien und Montenegro“ statt, die vom „Intellektuellen Zirkel Sandschak“, der Menschenrechtsorganisation Sandschak und dem Bürgerforum organisiert wurde. Hauptthema dieser Konferenz war die Identität der muslimischen Bevölkerung in dieser Region. Der bis dahin benutzte Begriff „Muslime“ wurde kategorisch abgelehnt und stattdessen der Volksname „Bosniaken“ angenommen, wie die muslimische Bevölkerung in Sandschak, Bosnien und in einigen anderen Balkan-Regionen bereits im frühen 15. Jahrhundert genannt wurde.

Die Menschen vor Ort legen großen Wert auf die Tatsache, dass der Name „Bosniake“ mehr ethno-kulturelle Charakteristika beinhaltet als die bloße Religionszugehörigkeit. Das Zurschaustellen der ursprünglichen bosnischen Identität und der Wunsch, innerhalb der Grenzen der Republik Serbien und des früheren Jugoslawiens den offiziellen Status einer nationalen Minderheit zu erlangen, sind vor allem mit dem Wunsch verbunden, eine eigene Kultur zu entwickeln. Separatistische Absichten stehen nicht dahinter. Die Bosniaken lehnen Separatismus und Isolation als unproduktiv ab, da sie mit den demographischen und wirtschaftlichen Realitäten in der Region nicht vereinbar sind. Ebenfalls akzeptieren sie die Trennung von Montenegro durch ein mögliches Referendum nicht, weil es zur Trennung ihrer Familien durch Staatsgrenzen führen würde – 90 000 Bosniaken würden dann innerhalb der Grenzen Montenegros und rund 160 000 in Serbien verbleiben.

Wojwodina

Die Ungarn oder „Madzari“, wie sie in Serbien genannt werden, wohnen in der autonomen Provinz Wojwodina im nördlichen Teil der Republik Serbien. Die Madzari bilden die größte ethnische Minderheit in Serbien und repräsentieren die wichtigste nichtserbische Bevölkerung der Wojwodina. Der Volkszählung von 1991 zufolge liegt ihr Anteil mit 339 491 Einwohnern bei 17 Prozent der Gesamtbevölkerung der Provinz. Nach ungarischen Quellen sind es heute nur noch rund 300 000, da nach 1991 ungefähr 38 000 Wojwodina-Ungarn emigriert sind, um einer Einberufung in die Armee zu entgehen. Heute ist die Wojwodina ein ethnisch gemischtes Gebiet – bewohnt u.a. von Slowaken, Rumänen, Russen, Ukrainern und Roma.

Die nationale Struktur der Wojwodina hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, nachdem die serbischen Behörden viele Flüchtlinge in dieser Region angesiedelt haben. Nach Aussage des Roten Kreuzes fanden rund 250 000 serbische Kriegsflüchtlinge in der Wojwodina eine neue Heimat, was rund 42 Prozent aller Flüchtlinge ausmacht. Diese Politik hat zu wirtschaftlichen und sozialen Spannungen geführt, da die Provinz – die Gegend Serbiens mit der höchsten Geburtenrate – überbevölkert ist und von einen Fünftel der Gesamtbevölkerung des Landes bewohnt wird.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Wojwodina Teil Serbiens, bzw. Jugoslawiens; seither haben die Ungarn den offiziellen Status einer nationalen Minderheit. Während der kommunistischen Periode in Jugoslawien bis 1991 war der Status nationaler Minderheiten in der Wojwodina entsprechend der verschiedenen Autonomiemodelle geregelt. Ihre größte Autonomie erhielt die Provinz durch die serbische Verfassung von 1974, als die Wojwodina tatsächlich staatliche Privilegien besaß und eine von acht föderalen Einheiten war. Während dieser Periode waren alle nationalen Minderheiten der Wojwodina in den staatlichen Körperschaften und öffentlichen Institutionen vertreten. Die Autonomie der Wojwodina wurde jedoch 1988 durch die so genannte antibürokratische Revolution praktisch ausgesetzt.

Nun sind die Menschen in der Wojwodina gespannt, wie sich die Minderheitenpolitik der neuen demokratischen Institutionen nach dem Ende des Milosevic-Regimes entwickelt. In der Regierung soll ein Rat für nationale und ethnische Angelegenheiten eingerichtet werden, der die Gleichberechtigung der Minderheiten in allen Bereichen des Lebens, ihre kulturelle Autonomie usw. garantieren soll und dabei die Bedürfnisse und Wünsche jeder Minderheitengemeinschaft berücksichtigt.

Immer öfter stellen sich ausländische Beobachter die Frage, ob eine Abspaltung von Serbien nicht auch in diesem Fall wahrscheinlich wäre. Die Menschen in der Wojwodina sind jedoch dieses Themas ebenso überdrüssig wie die gesamte serbische Bevölkerung. Die Bewohner der Wojwodina werden den Separatismus nicht in Erwägung ziehen, wenn die serbischen Behörden in der Provinz eine vernünftige Politik betreiben, die mit den internationalen Menschenrechtsstandards und dem Minderheitenschutz in Einklang steht. Vielleicht wären die Einrichtung der Institution eines Ombudsmans sowie Maßnahmen zur Rückführung der Flüchtlinge in die Wojwodina – wo das möglich ist –, eine gute Lösung für diese Provinz.

Albaner in Serbien und Montenegro

Außerhalb der Provinz Kosovo leben Albaner im Süden Serbiens, z.B. in Presevo, Bujanovac und Medvedza, Belgrad, in der Provinz Wojwodina und in Nis. Es gibt keine zuverlässigen Zahlen über die in der Wojwodina lebenden Albaner, bis auf die Stadt Niö, wo nur noch 40 Albaner leben. Der Grund dafür ist, dass die Albaner die Volkszählung von 1991 boykottiert haben, so dass die offiziellen Zahlen über ihre Stärke auf serbischem Gebiet auf der Volkszählung von 1981 beruhen. Rund 120 000 Albaner lebten 1997 in Belgrad. Darin eingerechnet sind die 40 000 Goraner aus Kosovo (die muslimische Minderheit in Albanien und in Kosovo, die eine slawische Sprache spricht). Zurzeit sollen rund 50 000 Albaner in Belgrad leben. Sie leben dort ungestört von fremdenfeindlichen Einstellungen, trotz der Spannungen im südlichen Serbien und der repressiven Haltung der Albaner gegenüber den Serben in der Provinz Kosovo.

Die meisten Albaner leben im Süden Serbiens, wo die Gesamtzahl der Bevölkerung – gemäß der Volkszählung von 1981 – in Preöevo, Bujanovac und Medvedza bei rund 98 000 liegt. 62% davon sind Albaner, 30% Serben, 7,3% Roma und 0,7% Montenegriner. Obwohl die Zahlen der Volkszählung von 1991 fehlen, leben nach Schätzung von zahlreichen Experten rund 80000 Albaner in Preöevo, Bujanovac und Medvedza, und nach eigenen Schätzungen der Albaner liegt die Zahl bei über 100 000. Die albanische Bevölkerung verteilt sich wie folgt: im Bezirk Presevo 95%; in Bujanovac 65% und im Bezirk Medvedza 35%.

Die Albaner im südlichen Serbien sind vom gemeinsamen Geist der nationalen Emanzipation und der nationalen Einheit aller Albaner auf dem Balkan beseelt. Sie werden die serbischen Behörden und die Armee mit Terroranschlägen und einem Guerillakrieg so lange provozieren, bis sie ihre Forderungen durchgesetzt haben. Zweifellos zielen sie ab auf eine Annektierung von Presevo, Bujanovac und Medvedza durch Kosovo, um Teil eines unabhängigen albanischen Staates Kosovo zu werden.

Patriarchale Strukturen

Ähnliche Bestrebungen kann man bei der albanischen Minderheit Montenegros feststellen, wo nach offiziellen Zahlen rund 42 000 bis 50 000 Albaner leben. Tatsächlich sind die Behörden nicht in der Lage, die Migration der Albaner in alle Richtungen zu kontrollieren, d.h. vom Norden Albaniens nach Kosovo und Montenegro, von Kosovo nach Mazedonien und Montenegro usw. Sie haben sich auf bestimmte Siedlungsgebiete konzentriert, um dort die Bevölkerungsmehrheit zu stellen. Sie stellen also 20% der Bevölkerung in Plav und Gusinje und bekennen sich zur muslimischen Religion; in Tuzi, südlich von Podgorica, stellen sie rund 90% der Bevölkerung und das Verhältnis zwischen Muslimen und Katholiken ist 1:1. Viele Albaner leben auch in Podgorica – sowohl Muslime als auch Katholiken. Andere größere albanische Gruppen leben in Ulcinj an der Adria-Küste, wo sie rund 85% der Bevölkerung stellen, und in Bar mit über 40%. Es gibt keine statistischen Erhebungen über die religiöse Verteilung der Albaner, doch bis jetzt sind die albanischen Muslime nach Meinung einiger Experten in der Mehrzahl.

Albaner sind nicht auf eine Religion festgelegt, deshalb gibt es keine spezifischen Unterschiede, die von der konfessionellen Zugehörigkeit herrühren. Gemischte Ehen zwischen Muslimen und Katholiken sind normal, und die Kriterien, nach denen sich die Väter richten, wenn sie die Wahl der Ehepartner ihrer Kinder billigen, sind die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie und die Besitzverhältnisse. Die familiären Beziehungen sind strikten patriachalischen Prinzipien und der unanfechtbaren Autorität des Vaters oder des ältesten Mannes unterworfen. Junge Menschen kennen den Kanun von Leka Dukagjin – das albanische Gewohnheitsrecht – kaum, aber oft halten sie sich an die Regeln, ohne zu wissen, dass sie Teil des Kanuns sind.

Modernisierung und Wirtschaftsmigration, die die große „fis“ (Gemeinschaft) und die kleinen Kernfamilien auseinander gerissen haben, haben – so merkwürdig dies klingen mag – die familiären Beziehungen und patriachalischen Strukturen nicht zerstört. In Plav, Gusinje und auch in Tuzi trifft man junge Männer, die als Einzige ihrer Familien in Montenegro geblieben sind. Ihre Eltern, zahlreiche Brüder und Schwestern haben sich mit ihren Ehepartnern und Kindern in den USA und Westeuropa niedergelassen. Indem sie diese Regeln verinnerlicht haben, bleiben junge Männer in ihrer Heimat und kümmern sich – weil sie normalerweise arbeitslos sind – um den Familienbesitz.

Ihre zahlreichen Verwandten schicken ihnen regelmäßig Geld, und deshalb sind diese jungen Männer zwischen 20 und 28 Jahren oft gut gekleidet und verbringen Stunden im Café. Sie sind alle allein stehend, da gemäß der Tradition die Eltern ihre zukünftigen Ehefrauen aussuchen oder der Wahl zustimmen müssen. Doch diese sind weit weg. Für einen außenstehenden Beobachter wirkt diese Situation ziemlich deprimierend, da diese Männer jung, voller Energie und zudem gebildet sind.

Nachdem in Kosovo Mitte 1999 das internationale Protektorat errichtet wurde, wurden in der Erwartung einer zukünftigen Unabhängigkeit der Provinz einige Schritte unternommen, die die Gemeinden mit albanischen Minderheiten in Serbien, Mazedonien und Montenegro auf den Anschluss an Kosovo vorbereiten oder wenigstens mehr Rechte und Autonomie in allen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens erreichen sollten.

Roma in Kosovo

Bei der Frage nach dem Schicksal der Roma in Serbien sollte das Augenmerk auf die Tragödie der Roma-Flüchtlinge in Kosovo gerichtet werden. Der Zahl der Roma in Kosovo betrug vor den Luftangriffen der NATO rund 137 000. Heute übersteigt ihre Zahl in der Provinz kaum mehr als 15 000 bis 20 000. Die Roma-Flüchtlinge in Serbien haben jedoch keinen Flüchtlingsstatus. Sie werden als „Binnenflüchtlinge“ („internally displaced people“) betrachtet, und deshalb kümmern sich die internationalen Flüchtlingsorganisationen nicht um sie. Die serbische Regierung ist mit einem umfassenden Flüchtlingsdilemma konfrontiert: Wenn sie den Roma den Flüchtlingsstatus zuerkennt, bedeutet dies auch eine Anerkennung Kosovos als eine unabhängige staatliche Einheit. Die Roma wurden auf Grund der unerträglichen Fremdenfeindlichkeit der Kosovo-Albaner aus ihrer Heimat in Kosovo vertrieben, schon während des Krieges und als diese aus den Flüchtlingslagern zurückkehrten. Die Roma wurden der Kollaboration mit den Serben, der Heimtücke und der Plünderung der Häuser bezichtigt, die von den Kosovaren verlassen worden waren.

Rund 120 000 Roma verließen Kosovo, 10 000 leben nun in Italien, 25 000 in Montenegro und der Rest lebt auf serbischem Territorium, d.h. in Belgrad, Bujanovac, Niö, Kralevo, der Wojwodina usw. Sie sind in einer Notlage: rund 98 Prozent sind arbeitslos, sie erhalten keine Unterstützung von Flüchtlingsorganisationen und sie suchen Schutz in den Ghettos, wo ihre Verwandten leben. Während rund die Hälfte der Roma-Kinder in Serbien zur Schule gehen, haben die Flüchtlingskinder aus Kosovo keine Chance, eine Schule zu besuchen.

Bei diesen Roma, der alteingesessenen Bevölkerung in Serbien und Montenegro, handelt es sich um rund 450 000 Menschen. In den vergangenen zehn Jahren, in denen das Land in die Kriege von Slobodan Miloöevib verwickelt war, wurde nichts für die Roma getan. Die hohe Arbeitslosigkeit der Roma führt zu einer deutlichen Zunahme der negativen Stereotypen ihnen gegenüber, darüber hinaus zu Gewalt und Diskriminierung vor allem in Teilen der Polizei und bei „Skinhead“-Gruppen.

Eine soziologische Erhebung, die zu Beginn des Jahres 2000 durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Einwohner von Niö davon überzeugt sind, dass die Roma in isolierten Ghettos leben sollten. Über 80% der Befragten sprechen sich kategorisch gegen gemischte Ehen mit Roma aus. Dennoch lehnen rund 67% die Gewalt der Skinheads ab und meinen, dass der Staat die Roma schützen sollte. Laut offiziellen Statistiken sind rund 48% der Roma in Serbien Analphabeten bzw. nur für ein bis drei Jahre zur Schule gegangen; nur 17% haben einen Hauptschulabschluss (nach acht Jahren); lediglich 0,2% haben Abitur oder einen Universitätsabschluss. Diejenigen Roma, die sich nach ihrer Vertreibung aus Kosovo in Serbien und Montenegro angesiedelt haben, werden die jetzt schon vorhandenen Bildungsprobleme in Zukunft noch erschweren, da der überwiegende Teil von ihnen kein Serbisch spricht und außerdem keinen Anspruch auf soziale Unterstützung hat, was auch ihre Kinder zum Analphabetismus verdammen wird.

Im Großen und Ganzen können die politischen Aussichten für den Balkan nur als düster bezeichnet werden. Serbien, Montenegro, Mazedonien und vielleicht auch Griechenland sowie alle anderen Balkan-Staaten werden im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts immer wieder durch die Nationenbildungs- und Vereinigungsprozesse der Albaner destabilisiert werden.

Bibliografische Angaben

nternationale Politik 5, Mai 2002, S. 7 - 14.

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