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01. Juli 2012

Erneuerer und Impulsgeber

Fünf Manager und Unternehmer im Kurzporträt

Muhtar Kent, in den USA geborener Sohn eines türkischen Diplomaten und seit 2008 CEO der Coca-Cola Company, hat ehrgeizige Ziele: Bis 2020 soll sich der Umsatz des 1892 in Atlanta gegründeten, in 200 Ländern aktiven Softdrink-Giganten verdoppeln – auf rund 100 Milliarden Dollar. Die globale Rezession hat Coca-Cola vergleichsweise gut überstanden; nun sollen die Absatzzahlen in den weltweit am stärksten wachsenden Wirtschaften schnell gesteigert werden. Im heimischen Markt hat Kent das schon geschafft: Der US-Marktanteil des Unternehmens ist gewachsen, der Erzkonkurrent Pepsi auf die Ränge verwiesen. Doch sind die USA für den Coca-Cola-Veteranen, der – mit einer Unterbrechung von sechs Jahren – seit 1978 im Unternehmen arbeitet, gar nicht mehr so wichtig. Das Geschäftsklima in den USA sei schlecht, kritisierte Kent zuletzt; das Land sei als Investitionsstandort wegen des „veralteten“ Steuersystems und des Stillstands in der polarisierten Politiklandschaft kaum noch attraktiv. Entsprechend investiert Coca-Cola: in Russland drei Milliarden, in China rund vier Milliarden Dollar in den nächsten drei bis fünf Jahren. Die Volksrepublik werde Coca-Colas größter Markt, sagte Kent zuletzt dem Magazin Fortune. „Ich kann den Zeitpunkt nicht nennen, aber es wird passieren.“ In den 33 Millionen Fans, die Coca-Cola auf Facebook versammelt hat, sieht er innovative Möglichkeiten, von Kunden zu lernen. Themen wie Gesundheit oder Nachhaltigkeit rücken auf Kents Prioritätenliste denn auch nach oben: Natürliche kalorienarme Süßungsmittel und Plastikflaschen aus nachhaltig gewonnenen Grundstoffen sollen die breite Palette an Getränkemarken auch für ernährungs- und umweltbewusste Menschen attraktiv machen.

Keine Frage: John Mackey, vom Magazin New Yorker „right-wing hippie“ getauft, polarisiert – ob als Person (ein Veganer, der den Klimawandel bezweifelt und sich gegen Obamas Gesundheitsreform aussprach) oder mit Whole Foods, der Biokost-Supermarktkette, die er Ende der siebziger Jahre in Texas gegründet hat. Dabei war Mackeys Start alles andere als vielversprechend: Der Universitätsabbrecher und seine damalige Freundin, die Mitgründerin des Unternehmens, hatten weder Kapital noch irgendwelche wirtschaftlichen Kenntnisse oder Erfahrungen. Doch Darlehen in Höhe von 45 000 Dollar, die Familie und Freunde zur Verfügung stellten, ermöglichten den Start einer Supermarktkette, die mit 310 Filialen in Nordamerika und Großbritannien heute ein Erfolgsmodell ist. Whole Foods setzt auf Bio-Lebensmittel und auf eine ästhetische, äußerst ansprechende Anrichtung der Waren – „food porn“ nannte das Forbes. Der Erfolg der Kette ist weniger an seiner Marktposition abzulesen, sondern vielmehr daran, dass auch konventionelle Supermärkte wie Walmart das Whole-Foods-Konzept inzwischen kopieren. Ein Grund des Erfolgs: Das Unternehmen zählt zu den besten Arbeitgebern in den USA. Die Mitarbeiter erhalten nicht nur einen Lohn, der höher ist als der, der üblicherweise in der Branche gezahlt wird, sondern werden von Whole Foods auch krankenversichert. Ungewöhnlich ist auch die Firmenphilosophie: Mackey hat das Konzept eines „conscious capitalism“ entwickelt, in dem Unternehmungsführung einen höheren Sinn als pures Gewinnstreben haben soll. Ganz im Sinne Ludwig Erhards sollen alle Beteiligten vom Wachstum seines Unternehmens profitieren. Streng ist Mackey dagegen zu sich selbst: Sein Gehalt kürzte er 2006 auf einen Dollar pro Jahr; und industriell verarbeitete Lebensmittel wie Zucker hat er schon lange von seinem Speiseplan gestrichen.

Sara Blakely hat nicht als Tellerwäscherin, sondern als Faxgeräte-Vertreterin angefangen, aber von diesem Detail abgesehen verkörpert ihre Erfolgs-geschichte den „amerikanischen Traum“ in Reinkultur: Sie war im Alter von nur 41 Jahren nicht nur Millionärin, sondern Milliardärin, die jüngste Frau der Geschichte, die es auf Forbes „World Billionaires“-Liste geschafft hat. Blakely ist alleinige Besitzerin des Unterwäsche-Unternehmens Spanx, das mit 200 Produkten in 11 500 Kaufhäusern in 40 Ländern vertreten ist. Die Idee für ihre Firma entstand aus ihrem Ärger: über unbequeme und altmodische Unterwäsche, die sich unschön unter der Oberbekleidung abzeichnete, und über Strumpfhosen, deren Fußteile in offenen Schuhen ästhetisch bedenklich aussahen. Zwei Jahre lang arbeitete Blakely an ihrem ersten Produkt, verhandelte mit Stofflieferanten, arbeitete sich in das Patentrecht ein und feilte an ihrer Geschäftsidee, bis sie mit der kläglichen Summe von 5000 Dollar Startkapital ihre Firma gründete – alles neben einem Vollzeitjob. Spanx warf sofort Profite ab, heute bewerten Wall-Street-Banken den Wert ihres Unternehmens auf über eine Milliarde Dollar. Geholfen hat Spanx dabei auch, dass die Talkshow-Queen Oprah Winfrey und einige Hollywoodstars sich als Fans ihrer Unterwäsche geoutet haben. Typisch amerikanisch ist Blakelys Einstellung zum Scheitern, die ihr bei ihrem rasanten Aufstieg geholfen hat. Mit einer Geschäftsidee keinen Erfolg zu haben, sei kein Scheitern, findet die Unternehmerin. Versagen sei, es gar nicht erst zu versuchen.

Das Konzept der „Fernuniversität“ ist nicht ganz neu. Das Konzept einer Fernuniversität im Internetzeitalter hingegen kann ganz neue Formen annehmen. Zulauf hatte Sebastian Thrun, 1967 in Solingen geborener Professor für Computer Science und Leiter des „Artificial Intelligence Laboratory“ der Stanford University, für seine erste offene Online-Vorlesung wohl erwartet. Dass sich weltweit 100 000 Menschen einklickten, war ein eher unverhoffter Erfolg. Im vergangenen Jahr beendete Thrun (der als Google-Fellow überdies an der Entwicklung eines gänzlich automatisch gesteuerten Autos mitarbeitet) seine Vollzeit-Lehrtätigkeit und investierte einen Teil seines Privatvermögens in die Gründung von „Udacity“: eine Online-Plattform, die kostenlose Vorlesungen und Seminare in 44 Sprachen und einen Studienabschluss in Computerwissenschaft und Künstliche Intelligenz anbietet. „Udacity“, deren erklärtes Ziel es ist, Studenten neue Chancen durch eine kostenfreie Ausbildung zu ermöglichen, wird inzwischen von Sponsoren gefördert und gilt als eine der interessantesten Geschäfts-ideen. Fortune Magazine und Fast Economy jedenfalls haben Thrun auf der Liste der kreativsten Unternehmer der Welt geführt.

Investmentbanker, stellvertretender Bürgermeister, Geschäftsmann: Dan Doctoroff weiß, wie man in Krisenzeiten Arbeitsplätze schafft. Als „deputy mayor“ (2001–2007) von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg prägte Doctoroff, der zuvor 14 Jahre Managing Partner bei Oak Hill Capital war, die Entwicklung der Stadt wie kaum ein anderer mit. Zuständig für die gesamte Infrastruktur der Metrople, von Stadtplanung bis hin zu Telekommunikation, schuf er über 100 000 neue Arbeitsplätze. Von seinen Wohnungsbauprogrammen – den bislang größten in den USA – profitierten eine halbe Million New Yorker. Zudem rief er „PlaNYC“ ins Leben, der aus New York eine Grüne Stadt machen soll. Nach seinem Ausscheiden führte er den Informationsdienstleister Bloomberg, das Unternehmen seines vorherigen Chefs, als Präsident (seit 2008) und CEO (zusätzlich seit 2011) nicht nur sicher durch die Finanzkrise, sondern baute Bloomberg mit „Plan B“ auch noch weiter aus. Mit dem Kauf und der völligen Umgestaltung von BusinessWeek (nun: Bloomberg BusinessWeek) verschaffte er dem Unternehmen ein wichtiges publizistisches Instrument. 2011 startete Doctoroff  die tägliche TV-Sendung „Bloomberg West“, die unter technikaffinen Zuschauern Kultstatus genießt. Schattenseite des Managers ist sein Hang zu allzu großer Kontrolle: Mit einem von ihm initiierten Matrixsystem wird heute bei Bloomberg die Leistung jedes Mitarbeiters minutiös erfasst.

Bibliografische Angaben

IP Länderporträt 2, Juli/ August 2012, S. 70-72

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