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01. Juni 2009

Ende der Energiewende?

Und noch ein Verlierer der Finanzkrise: die erneuerbaren Energien

Abgezogene Investitionen, fallende Energiepreise, stockender internationaler Klimaschutz: Im Sog der globalen Wirtschaftskrise verlieren die grünen Energietechnologien massiv an Boden. Doch ihr weiterer Ausbau ist ohne Alternative – die Konjunkturpakete müssen helfen, den viel beschworenen „Green New Deal“ umzusetzen.

Die im Zuge der Finanzkrise hektisch betriebene Identifikation „systemisch wichtiger“ Institutionen, die Verabschiedung voluminöser Hilfspakete und die Verstaatlichung ganzer Banken beweist, dass die industrialisierten Volkswirtschaften an einer empfindlichen Stelle getroffen wurden. Im engen Zusammenhang mit der Krise steht ein weiterer, lebenswichtiger Wirtschaftssektor: der Energiemarkt. Zum einen besteht eine hohe Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch, zum anderen macht der Energiesektor rund ein Drittel der globalen Kreditvergabe aus. Zudem bestimmen Themen wie Energiesicherheit und Klimapolitik seit einiger Zeit die Agenda der internationalen Politik – zumindest aus europäischer Sicht.

Trügerische Entwicklung

Durch das hohe Wirtschaftswachstum vor Ausbruch der Krise stieg der Energieverbrauch in den letzten Jahren trotz Effizienzsteigerungen stetig an, parallel dazu kletterten die Energiepreise auf ein Rekordniveau. Trotz der seinerzeit hohen Preiserwartungen rechnete die Internationale Energieagentur (IEA) im Referenzszenario des World Energy Outlook 2008 mit einem weiteren Anstieg der Energienachfrage bis 2030 um 45 Prozent – angetrieben vor allem durch das Wirtschaftswachstum in China und Indien.

Die Wirtschaftskrise verändert diese Entwicklung dramatisch, zumindest auf mittlere Sicht. Der scharfe Rückgang der Produktion senkt die Nachfrage nach Energie. So ist die Rohölnachfrage von fast 88 Millionen Barrel pro Tag im Juli 2008 auf heute weniger als 84 Millionen Barrel gefallen. Der Rohölpreis sank in sechs Monaten um etwa zwei Drittel, von 140 Dollar pro Barrel (Juli 2008) auf unter 40 Dollar. Entsprechend gravierend sind die Umsatz- und Erlöseinbrüche der Erdöl exportierenden Länder.

Auf der Nachfrageseite lässt die billige Energie die Kosten zwar kurzfristig sinken, mindert aber auch den Anreiz, in energieeffiziente Technologien zu investieren. Finanzierungsengpässe, gepaart mit geringer Nachfrage, dämpfen die Investitionsbereitschaft im gesamten Energiesektor. Auf den ersten Blick scheint es sich hierbei um ein kurzfristiges Krisenphänomen zu handeln. Doch der Eindruck täuscht: Die Krise könnte die Branche tiefgreifend prägen, denn sie ändert Investitionsanreize in einer Phase, in der auf der Angebots- und Nachfrageseite maßgebliche Entscheidungen anstehen.

Der Investitionsbedarf in den nächsten zwei Dekaden ist enorm: Die IEA rechnet im Referenzszenario des World Energy Outlook 2008 mit einem globalen Anstieg der Stromerzeugung von 19 Gigawattstunden (GWh) im Jahr 2006 auf 34,4 GWh im Jahr 2030. Fossile Energien stellen dabei mit 54 Prozent mehr als die Hälfte der Erzeugung. Neben der Wasserkraft entfallen 2,7 GWh auf die erneuerbaren Energien: Wind (50 Prozent), Biomasse (34 Prozent), Solar (8 Prozent) und Geo-thermie (7 Prozent). Daraus ergibt sich bis 2030 ein globaler Investitionsbedarf von 26 Billionen Dollar in die Energie-infrastruktur. Auch wenn langfristige Investitionen in diesen Bereich durch die Wirtschafts- und Finanzkrise wohl nicht gefährdet sind, wird es zumindest zu einer Verzögerung bei laufenden Projekten kommen – insbesondere im Kraftwerkspark und bei der Stromerzeugung.

Die Krise beeinträchtigt dabei insbesondere das Geschäftsfeld für die erneuerbaren Energien, die größtenteils noch nicht wettbewerbsfähig sind. Ihre massive staatliche Förderung im Rahmen nationaler Klimaschutzanstrengungen hat im Einklang mit stark steigenden Energiepreisen in den vergangenen Jahren zu einem Investitionsboom bei grünen Energietechnologien geführt. In Zeiten niedrigerer (fossiler) Energiepreise fällt es den erneuerbaren Energien allerdings unweit schwerer, sich gegen Kohle, Öl und Gas zu behaupten. Fallende Brennstoff- und CO2-Preise erhöhen die Wirtschaftlichkeit konventioneller Energien – so ist der „EU Allowance Price“ im europäischen Emissionshandelssystem unter anderem wegen der krisenbedingt niedrigeren Nachfrage nach CO2-Zertifikaten von fast 30 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2008 auf unter zehn Euro pro Tonne Anfang 2009 gefallen. Zudem weisen die erneuerbaren Energien einen vergleichsweise hohen Investitionskostenanteil auf und sind daher stärker von der einbrechenden Projektfinanzierung betroffen. Ihr Aufschwung scheint vorerst unterbrochen: Nach einem historischen Hoch Ende 2007 von 50 Milliarden Dollar sind die Investitionen in erneuerbare Energien bis Ende letzten Jahres um zwei Drittel eingebrochen.

Kein gutes Klima

Der Energiesektor ist für 60 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Unter den Bedingungen der Krise und vor dem Hintergrund ausbleibender Investitionen besteht die Gefahr, dass die Strukturen der konventionellen Energiewirtschaft festgeschrieben oder der notwendige Wandel hin zu einer emissionsarmen Wirtschaft zumindest gebremst wird. Es liegt an der Politik, dies aufzufangen und ehrgeizige Klimaschutzziele nicht zu verschieben oder gar abzuschwächen. So bleibt zu hoffen, dass die schwierigen Verhandlungen im Vorfeld von Kopenhagen oder der Aufschub eines Emissionshandelssystems in Austra-lien keine Vorboten einer drohenden klimapolitischen Lähmung sind. Bleiben die Investitionen dauerhaft zu Lasten klimafreundlicher Technologien verzerrt, könnte sich der Energiesektor in eine Pfadabhängigkeit 1 begeben, bei der er etwa auf Klimarestriktionen weniger flexibel reagieren kann. Mehr noch: Springt das Wirtschaftswachstum wieder an, werden die Energiepreise vor dem Hintergrund unterlassener Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien umso heftiger reagieren. So geht das jüngste ZEW-Energiemarktbarometer für die nächsten fünf Jahre bereits von deutlichen Preissteigerungen aus: Rund 89 Prozent der Befragten erwarten anspringende Rohöl- wie auch Erdgaspreise, knapp 88 Prozent prognostizieren steigende Strompreise, mehr als drei Viertel der Teilnehmer rechnen mit teurer werdender Kohle.

Auch die globalen CO2-Preise könnten bei einer Erholung der Wirtschaft vergleichsweise stark steigen. Dies wäre dann der Fall, wenn wachsende Emissionen auf sinkende Emissionsbudgets treffen, die von der Staatengemeinschaft  beschlossen werden. Auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass von den Verhandlungen über einen Kyoto-Nachfolgevertrag in Kopenhagen ein deutliches Zeichen ausgeht. Wünschenswert wären langfristige Minderungsziele und die Bildung eines verlässlichen Preissignals für CO2-Emissionen. Allerdings befürchten über die Hälfte der für das Energiemarktbarometer befragten Experten, dass die Klimaziele in Europa unter dem Eindruck der Finanzkrise neu bewertet werden.

Green New Deal?

Einen gänzlich anderen Weg schlagen die Vereinten Nationen mit ihrer Forderung nach einem „Global Green New Deal“ ein, der neben einer Wiederbelebung der Weltwirtschaft auch die Verminderung der CO2-Abhängigkeit, einen besseren Schutz der Ökosysteme und eine Minderung der Wasserknappheit  propagiert und die Erreichung der Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung anstrebt. Dieser Anspruch wird bei der Begründung der aktuellen Konjunkturpakete zwar häufig formuliert. Allerdings erscheinen die Klimaschutzkomponenten in den Konjunkturpaketen – soweit man diese wegen der fehlenden Details gegenwärtig überhaupt bewerten kann – vergleichsweise gering und werden allzu oft durch Maßnahmen überlagert, die einer Entwicklung hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft sogar entgegenstehen. So beläuft sich der Umfang des Konjunkturpakets in den USA bis 2019 zwar auf fast 790 Milliarden Dollar und damit auf etwa 5,5 Prozent des BIP. Davon sind jedoch nur etwa 72 Milliarden Dollar klimapolitisch bedeutsam, etwa Steueranreize und Kredite für Investitionen in erneuerbare Energien oder Energieeffizienz. Insgesamt beträgt die Klimaschutzkomponente gerade einmal ein gutes halbes Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts – ein Green New Deal sieht anders aus.

In Deutschland ist die Situation besser: Zwar ist das Konjunkturprogramm viel kleiner (120 Milliarden Dollar, ca. 3,3 Prozent des BIP), doch mit klimarelevanten Ausgaben von umgerechnet etwa 15 Milliarden Dollar (12,5 Prozent des Konjunkturpakets) deutlich umweltorientierter als in den USA. Hervorzuheben sind besonders die Förderung der Energieeffizienz bei Gebäuden und Investitionen in eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur. Zudem werden 100 Milliarden Euro als Garantien für Projekte im Bereich erneuerbare Energien zur Verfügung gestellt, insbesondere bei Offshore-Windenergie und Geothermie. Unter dem Strich sind aber auch hierzulande bisher nur knapp 0,5 Prozent des BIP auf ökologisch nachhaltige Ausgaben festgelegt. Vor diesem Hintergrund sollte die Konkretisierung der weltweiten Konjunkturprogramme in den nächsten Monaten sehr viel stärker auf Maßnahmen im Bereich Energieeffizienz, erneuerbare Energien und nachhaltige Verkehrsinfrastruktur setzen, um den viel beschworenen Green New Deal auch Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Text gibt die persönliche Auffassung der Autoren wieder.

Dr. ANDREAS LÖSCHEL leitet den Forschungsbereich „Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement“ am ZEW in Mannheim.

Dr. ULF MOSLENER arbeitet bei der KfW im Kompetenzcenter „Energie, Asien“ in Frankfurt. Der Text gibt die persönliche Auffassung der Autoren wieder.

  • 1Besonders im Energiebereich folgen Technologien historisch bedingten Pfaden. So beeinflussen heutige Technologieentscheidungen etwa zugunsten traditioneller Energietechnologien wie Kohle oder Atomkraft die künftige technologische Entwicklung und können dazu führen, dass sich die erneuerbaren Energien als potenzielle Alternativen vorerst nicht oder nur ungleich schwerer durchsetzen können.
Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, Juni 2009, S. 24 - 27.

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