Drohungen nach Jazz-Trio: Zu Gast bei Wladimir Putin
Einmal im Jahr lädt Wladimir Putin westliche Nachrichtenagenturen kurzfristig zum Gespräch nach St. Petersburg ein. Für die Deutsche Presse-Agentur dpa saß Martin Romanczyk am 18. Juni dem russischen Präsidenten gegenüber. Ein Gespräch über die Atmosphäre im Raum, den NATO-Gipfel – und PCR-Tests.
IP: Herr Romanczyk, was ist für Wladimir Putin der Sinn eines solchen Interviews, warum macht er das?
Martin Romanczyk: Die russische Nachrichtenagentur TASS hat dieses Treffen ganz offiziell als ein Treffen mit Korrespondenten auch aus „unfreundlichen Staaten“ angekündigt. Das Ganze wird live im Staatsfernsehen übertragen, mit leichter Verzögerung natürlich, damit sie auf Eventualitäten reagieren können. Dass wir alle so dort sitzen, ist für Putin gegenüber seinem Land quasi der Beweis dafür, dass seine Stimme gehört wird – auch in den „unfreundlichen“ Staaten. Insgesamt waren 14 Agenturen vertreten, neben dpa, AFP, Reuters, AP und EFE auch Agenturen aus China, Vietnam, der Türkei und Kasachstan.
Was für einen Eindruck hat Putin auf Sie gemacht?
Sehr konzentriert, präzise, vorbereitet. Putin weiß, wie man sowas macht.
Kann man ihn alles fragen – oder ist das vorher abgestimmt?
Man kann ihn alles fragen. Ich habe die Frage nach Deutschland, Friedrich Merz und einer Taurus-Lieferung an die Ukraine gestellt. Putin hat Deutschland in seiner Antwort einmal mehr vor einer Lieferung gewarnt; dass man eine solche Frage überhaupt stellt, hat die russischen Kollegen ziemlich elektrisiert. Für uns ist das selbstverständlich.
Wie müssen wir uns die Atmosphäre im Raum vorstellen?
Durchaus angespannt, es hat etwas Unberechenbares. Man stellt die Frage, dann kommt die Antwort, ohne dass man nachhaken könnte. Putin hat immer das letzte Wort.
Putin wird als extrem misstrauisch beschrieben, wenn es um seine eigene Sicherheit geht. Welche Vorkehrungen haben die Russen getroffen?
Eines der ersten größeren Probleme, die ich hatte, bestand darin, zwei PCR-Tests in Berlin zu machen. Die brauchte man nämlich – wie zu Corona-Zeiten. Den dritten habe ich dann hier in St. Petersburg gemacht. Und dann wird man sicherlich vor der Einreise vielfältig durchleuchtet. Vor Ort gibt es dann die üblichen Kontrollen. Das ist alles logistisch komplex, zurückhaltend formuliert. Es gab stundenlange Verzögerungen, weil der Präsident seine Agenda offensichtlich stetig variiert. Das Ganze fand im renovierten Konservatorium statt, mit großem Sinfonieorchester und kleiner Jazz-Einlage. Ich saß schräg hinter ihm, bevor wir dann in den Saal des Interviews gebeten wurden. Das ist für niemanden eine alltägliche Situation. Ich war von den Europäern der erste, der fragen konnte.
Was waren die großen Themen des Interviews?
Der Krieg zwischen Israel und dem Iran, dann der Krieg Russlands gegen die Ukraine und der NATO-Gipfel in der kommenden Woche. Putins Ausführungen waren ehrlicherweise erwartbar und in dem Rahmen, in dem er sich seit geraumer Zeit bewegt.
Sie waren schon im vergangenen Jahr zu diesem Anlass in St. Petersburg. Gab es wesentliche Unterschiede, haben Sie Putin anders wahrgenommen?
Eigentlich nicht. Alle Boulevardzeitungen dieser Welt fragen sich ja immer, ob er krank ist. Sieht man davon irgendetwas? Ehrlich gesagt: Nein. Putin wirkte – das Treffen ging bis weit nach Mitternacht – ausgesprochen ausgeruht. Sehr auf den Punkt.
Die Fragen stellte Martin Bialecki.
Internationale Politik, Online-Veröffentlichung, 19. Juni 2025