Kommentar

25. Febr. 2022

Deutschland sollte dem Iran gegenüber ­deutlich härter auftreten

Ein Kommentar.

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Bild: Grafische Illustration eines Schwertes dessen Spitze in einen Stift übergeht
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Wenige Tage nach ihrer Amtseinführung richtete Außenministerin Annalena Baerbock deutliche Worte an die Regierung in Teheran. Angesichts der Hinhaltetaktik des iranischen Regimes in den wieder aufgenommenen Atomverhandlungen und wegen fortgesetzter Verstöße gegen das bestehende Atomabkommen habe die Islamische Republik „massiv Vertrauen verspielt“.

Kündigte sich mit dieser Erklärung eine Verändrung in der deutschen Iran-Politik an?



Für Deutschland, das neben den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats Teil der Verhandlungen über ein Atom­abkommen mit dem Iran ist, die 2015 im Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) mündeten, ist der Iran zweifellos eine der zentralen sicherheits- und ­außenpolitischen Herausforderungen. Auch nach dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen im Jahr 2018 und trotz massiver Verstöße gegen den JCPOA durch den Iran hielt Deutschland mit den europäischen Partnern Frankreich und Großbritannien an dem umstrittenen Abkommen fest. Im ­April 2021 wurden schließlich neue Verhandlungsrunden angesetzt.



Ende 2021 formulierte die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag Eckpunkte bezüglich des Iran: Forcierung eines zügigen Verhandlungsabschlusses und der Einhaltung der Verpflichtungen; Drängen auf Verbesserung der Menschenrechtslage; Kritik an den Drohungen gegenüber Israel, dem Raketenprogramm, der aggressiven Regionalpolitik und der Unterstützung terroristischer Aktivitäten. Mit dieser klaren Benennung und Missbilligung der Politik des Mullah-Regimes auch jenseits des Atomabkommens bezieht der Koalitions­vertrag eine wichtige Position. Was ist nun vonnöten, um dies auch in konkrete Politik umzusetzen?



Das Atomabkommen von 2015 ist überholt

Die auf zivile Nutzung ausgelegten Grenzwerte im JCPOA hat der Iran inzwischen unter anderem mit der Urananreicherung auf 60 Prozent um ein Vielfaches überschritten und damit Fakten geschaffen. Diese Werte offenbaren, wie unverhohlen die Anstrengungen des iranischen Regimes sind und wie nahe es bereits einer nuklearen Bewaffnung gekommen ist. Angesichts der eklatanten Verstöße sollte Deutschland ­gemeinsam mit den Gesprächspartnern der Regierung in ­Teheran entschieden Einhalt gebieten, denn zu lange konnte sie eine rote Linie nach der anderen ungestört überschreiten. Aufgrund der enormen Fortschritte des iranischen Atomwaffenprogramms ist eine Rückkehr zum ursprünglichen Abkommen keine Lösung.



Ziel der wieder aufgenommenen Gespräche hätte von Beginn an ein neues Abkommen sein müssen, das dem Iran unwiderruflich den Weg zu einer atomaren Bewaffnung versperrt, das dabei unter keinen Umständen mit Zugeständnissen an Teheran erkauft werden und damit womöglich noch hinter die Vereinbarung von 2015 zurückfallen darf. Es bedarf eines deutlich entschiedeneren Auftretens der Bundesrepublik und seiner westlichen Partner. Eine 2015 vertraglich geregelte Handhabe hierzu ist das Auslösen des „Snapback-Mechanismus“, der das Wiedereinführen internationaler Sanktionen nach Verstößen gegen das Abkommen ermöglicht. Denn das damalige Abkommen hat gezeigt: Das iranische Regime ist nur dann zu Verhandlungen bereit, wenn wirtschaftlicher und politischer Druck es dazu zwingen. Deutschland und seine Partner sollten sich bewusst sein, dass sie dabei am längeren Hebel sitzen.



Die mit dem JCPOA verbundenen Hoffnungen, mit dem Iran auch über weitere Missstände ins Gespräch zu kommen, haben sich als Illusion erwiesen. Die desaströse Menschenrechtslage im Iran – unter anderem die Verfolgung ethnischer und religiöser Minderheiten sowie LGBTQIA+, die brutale Unterdrückung von Frauen, die Niederschlagung jeglicher Proteste – darf von Deutschland bei Gesprächen mit dem Mullah-Regime nicht ausgeklammert werden. Deutschland sollte sich vielmehr dafür einsetzen, die demokratische Opposition zu stärken. Denn der viel zitierte kritische Dialog ist zweifelsohne gescheitert.



Gefahr für Israel und arabische Länder

Unbehelligt verfolgt Teheran zudem sein Streben nach regionaler Hegemonie – mit Erfolg. Statt die nach Abschluss des Atom­abkommens geflossenen Gelder (bis die Trump-Regierung ihre „Maximum-Pressure“-Strategie einsetzte) in den wirtschaftlichen Aufbau des Landes zu investieren, fördert das Regime die Destabilisierung des Nahen Ostens, deren Auswirkungen auch in Europa spürbar sind. So investiert es in sein ballistisches Raketenprogramm und damit in eine Technologie, die nicht zuletzt für den Transport von Atomsprengköpfen eingesetzt wird. Ferner nutzt es Machtvakuen in der Region aus, indem es unter anderem schiitische Milizen in Syrien, im Jemen, im Irak und die Hisbollah im Libanon unterstützt. Diesen Umständen muss Deutschland zwingend Rechnung tragen.



Insbesondere Israel befindet sich angesichts einer drohenden nuklearen Bewaffnung des Iran in existenzieller Gefahr, denn fester Bestandteil der Ideologie des iranischen Regimes ist der eliminatorische Antisemitismus. Den jüdischen Staat zu vernichten, ist erklärtes Ziel der Teheraner Regierung, die im Libanon, in Syrien und im Gaza-Streifen – und damit unmittelbar an den Grenzen Israels – Terrorgruppen militärisch unterstützt, auch um im Falle eines ­israelischen Präventivschlags auf seine Atomanlagen asymmetrisch zurückzuschlagen.



Dies in die deutsche Iran-Politik einfließen zu lassen, sollte selbstverständlich sein, denn auch die neue Bundesregierung hat die Sicherheit Israels zur Staatsräson erklärt. Aber auch die Sicherheitsinteressen anderer Staaten im Nahen Osten, die unmittelbar von den iranischen Aktivitäten und Angriffen bedroht sind, müssen berücksichtigt werden. Die jüngsten Annäherungen zwischen Israel und arabischen Staaten im Rahmen der Abraham-­Abkommen zeigen, wie ernst die Bedrohung durch Teheran vor Ort bewertet wird, sind sie doch auch ein Ergebnis der übereinstimmenden Gefahrenperzeption dieser Länder. Eine Unterstützung dieser Annäherungsprozesse, die auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, ist vor diesem Hintergrund besonders wichtig.



Angesichts der sich zuspitzenden Lage sollte Deutschland seine Iran-Politik in konkretes Handeln umsetzen. Ein neues Abkommen mit dem iranischen Regime um jeden Preis widerspricht dem. Ziel der deutschen Außenpolitik muss es sein, gemeinsam mit den USA und den europäischen Partnern eine stärkere, umfassendere und zeitunabhängige Vereinbarung zu erwirken, die eine atomare Bewaffnung des Iran dauerhaft ausschließt, dessen aggressive regionale Aktivitäten eindämmt und zu einer Verbesserung für die Menschen im Iran führt. Dazu sollten dem iranischen Regime unmissverständlich Grenzen aufgezeigt werden. Bei Verstößen sollten in Abstimmung mit den Partnern Sanktionen verhängt werden, wenn nötig auch weitreichende. Diese Option sollte, falls erforderlich, auch bei weiteren Eckpunkten bestehen, die im Koalitionsvertrag genannt werden. Der Position Israels und anderer Staaten im Nahen Osten muss dabei Rechnung getragen werden.



Deutschland und seine Partner sollten aufgrund ihrer Verhandlungsposition gegenüber dem iranischen Regime deutlich selbstbewusster auftreten und sich nicht länger von ihm hinhalten oder vor sich hertreiben lassen.



Annina Fichtner arbeitet als Senior Associate, Policy beim American Jewish Committee (AJC) in Berlin.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2022, S. 110-111

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