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01. März 2010

Der Widerspenstigen Zähmung

Wie wir mit den nuklearen Ambitionen des Iran und Nordkoreas umgehen sollten

Nordkorea wird an der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag vermutlich nicht teilnehmen. Der Iran wiederum wird anwesend sein, könnte aber empfindlich stören. Wie könnten die beiden Staaten dazu gebracht werden, ihre Vertragsverpflichtungen endlich einzuhalten? Mit Hilfe Chinas, einiger Nachbarn des Iran und sehr viel Geduld.

Mit Barack Obamas Prager Rede vom April 2009 rückte auch der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) wieder in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Offensichtlich regiert wieder ein Präsident im Weißen Haus, der die in Artikel VI des NVV festgelegten Verpflichtungen der Atommächte sehr ernst nimmt, „in redlicher Absicht Verhandlungen über wirksame Maßnahmen (…) zur nuklearen Abrüstung zu führen“. Dass nun auch Fortschritte in den amerikanisch-russischen Abrüstungsverhandlungen zu verzeichnen sind, verbessert die Aussichten auf eine erfolgreiche, grundsätzliche Revision des Artikels VI während der NVV-Überprüfungskonferenz im Mai dieses Jahres. Umso wünschenswerter wäre es, auch zu einer konstruktiven Revision der Bestimmungen einer nuklearen Nichtverbreitung zu kommen. Dabei ist natürlich misslich, dass sich der Iran der Nichtbeachtung einiger Bestimmungen schuldig gemacht hat. Wird dieses Problem ungeschickt angepackt, könnte Teheran die Verhandlungen – womöglich mit der Unterstützung Venezuelas, Kubas und Syriens – ebenso torpedieren wie die Überprüfungskonferenz von 2005. Wie also können wir die Frage der Nichteinhaltung von Vertragsbestimmungen durch den Iran so diskutieren, dass wir einen iranischen Boykott verhindern und zugleich die Kernprinzipien des Vertrags erhalten?

Um dieses Dilemma zu lösen, sollten wir Teherans Nichtbeachtung einiger Klauseln des NVV aus einer frischen Perspektive betrachten und damit einen politischen Prozess beginnen, der allmählich Vertrauen in die iranische Absicht zur Vertragserfüllung bilden kann. Zunächst einmal ist festzustellen: Die meisten Fälle einer Nichteinhaltung des Iran fanden vor dem Jahr 2003 statt. Mehrfach erfüllte der Iran seine Verpflichtungen aus dem 1974 geschlossenen und in Artikel II des NVV vorgesehenen Sicherungsabkommens nicht. Die Berichte des IAEO-Sekretariats an das Direktorium seit 2003 legen nahe, dass diese Nichteinhaltung (genauso wie die Nichteinhaltung, die 2005 festgestellt wurde) inzwischen korrigiert wurde. Es gibt deshalb keinen Grund für die NVV-Partner, diese Vorfälle erneut zu diskutieren. Das Vertragswerk sieht eine solche erneute Überprüfung jedenfalls nicht vor.

Dass der Iran die IAEO nicht frühzeitig über die Planungen der Urananreicherungsanlage in Ghom und eines Druckwasserreaktors in Darkhovin informiert hat, könnte hingegen als Missachtung der Verpflichtungen aus Bestimmung 3.1 der Zusatzvereinbarung zu ihrem NVV-Sicherungsabkommen ausgelegt werden, die nach 2005 stattgefunden hat – und zwar ungeachtet dessen, ob das Direktorium dies formell bestätigt hat oder nicht. Die Auffassung des IAEO-Sekretariats, nämlich dass ein unilaterales Außerkraftsetzen der Zusatzbestimmung 3.1 illegal sei, hat Teheran vorsorglich angezweifelt. Falls dem Iran dennoch eine Vertragsverletzung vorgeworfen würde, käme die Erklärung, die der Iran im September 2009 vor dem Sekretariat abgegeben hat, schon einer korrigierenden Maßnahme gleich.

Wesentlich schwerer fällt ins Gewicht, dass der Iran bislang Fragen zur Herstellung waffenfähigen Nuklearmaterials nicht geklärt hat. Dies ist ein wiederholter Bruch einer Hauptverpflichtung des Sicherungsabkommens, nämlich der Kooperation bei dessen Implementierung. Allerdings kann der Iran darauf bestehen, dass die IAEO laut der Vereinbarung von 1974 kein Recht hat, Anschuldigungen im Zusammenhang mit einer militärischen Nutzung von waffenfähigem Material zu untersuchen: Denn laut Vereinbarung muss die IAEO nachweisen, dass „unter Sicherung stehendes“ Material zu verbotenen Zwecken verwendet wird. Andere Auslegungen gehen davon aus, dass die Behörde das Recht hat, allen Berichten nachzugehen, denen zufolge eine Absicht vorliegt, unter Sicherung stehendes Material für verbotene Zwecke zu nutzen.

Vertrauen herstellen mit Hilfe der Nachbarn

Die rein rechtlichen Aspekte der Causa Iran sind so schwammig, dass die Überprüfungskonferenz im Mai in diesem Punkt wohl nicht sehr viel bringen dürfte – vor allem, weil der Iran versuchen würde, auch die Diskussion weiterer Bereiche der Nonproliferation zu stören oder gar gänzlich zu verhindern.

Die Vertragsparteien des NVV sollten sich deshalb um einen politischen Ansatz bemühen: Vor allem muss die Staatengemeinschaft auf verlässlichen Versicherungen bestehen, dass der Iran in Zukunft seinen Verpflichtungen nachkommt – besonders jenen aus Artikel II, von der Herstellung oder anderweitigen Beschaffung von nuklearen Waffen abzusehen. Bislang ist Teheran dieser Verpflichtung nur äußerst unzureichend nachgekommen. Die iranische Führung scheint zu glauben, dass es ausreicht, immer wieder den friedlichen Charakter ihres Atomprogramms zu betonen. Das aber ist nicht genug. Durch die häufigen Missachtungen des Vertrags vor 2003 und auch danach – darunter das Versäumnis, in eigener Initiative mit der IAEO zu kooperieren – ist ein enormes Vertrauensdefizit entstanden. Es liegt auch im Interesse des Iran, dieses Vertrauensdefizit zu beseitigen und die Welt zu überzeugen, dass man dem Iran einen Status zugestehen könnte, wie ihn auch Brasilien, Japan, Deutschland und die Niederlande besitzen: nämlich als Staat, der nicht über Atomwaffen, aber über maßgebliche Fähigkeiten zur Urananreicherung verfügt.

Noch vor einem Jahr konnte man mit gutem Grund hoffen, dass der Iran umfassende Maßnahmen zur Vertrauensbildung ergreifen würde. Im Gegenzug hätte die Chance zur Beilegung des historischen Konflikts mit den USA und einer Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen bestanden. Diese Hoffnungen zerschlugen sich. Entweder fehlte es der iranischen Führung an politischer Durchsetzungskraft oder am Willen, auf einen solchen „Grand Bargain“ einzugehen. Einige Vertreter des iranischen Regimes finden es offensichtlich politisch lohnender, Amerika weiterhin zum Sündenbock für alles Unheil abzustempeln. Und weil viele Iraner neben den USA auch Großbritannien und Frankreich nur als Verursacher schwerster Demütigungen für ihr Land wahrnehmen, ist eine intelligente Reaktion auf ein westliches Entgegenkommen wohl schwer möglich.

Dieser psychologisch bedingte Komplex ließe sich umgehen: Nicht die westlichen Staaten, sondern Staaten der Region wie die Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien könnten den Dialog mit dem Iran führen. Sie sind Unterzeichner des NVV und sie könnten gleichberechtigt und in gegenseitigem Respekt verhandeln. Teheran sollte größtes Interesse daran haben, seinen Nachbarn zu versichern, dass sie nichts von einem iranischen Nuklearprogramm zu befürchten haben. Wird dieses Vertrauen nicht hergestellt, würden auch andere Staaten der Region nuklear aufrüsten wollen, was ja auch die Sicherheit des Iran untergraben würde. Seine Nachbarn wiederum sind an einer Versicherung interessiert, dass der Iran keine Atomwaffen besitzt, mit denen er das Kräfteverhältnis im Nahen und Mittleren Osten empfindlich stören könnte – schließlich wäre dann auch die Sicherheit der anderen Staaten in der Region so sehr bedroht, dass sie kostspielige Gegenmaßnahmen ergreifen müssten.

Gelingt es dem Iran, Vertrauen bei seinen Nachbarn herzustellen, würde dies auch das Vertrauen der Staatengemeinschaft erhöhen. Welche Maßnahmen würden sich im Fall des Iran anbieten?

  • Eine kernwaffentestfreie Zone. Die Türkei hat den Kernwaffenteststopp-Vertrag unterzeichnet; der Iran, Saudi-Arabien und Ägypten bis jetzt noch nicht. Alle vier Staaten könnten sich einigen, einen Teststoppvertrag abzuschließen, dem auch andere Staaten der Region beitreten könnten. Aber das würde vermutlich erst geschehen, wenn auch Israel seine Bereitschaft zum Beitritt erklärt. Das ist kein so großes Hindernis, wie man zunächst annehmen möchte. Israel hat noch nie einen Kernwaffentest durchgeführt. Offensichtlich hält Jerusalem an seiner Politik fest, den Besitz von Kernwaffen weder zu bestätigen noch zu dementieren. Solch eine Vereinbarung wäre ein Schritt in Richtung Unterzeichnung durch den Iran, Ägypten und Israel und damit auch ein Inkrafttreten des Kernwaffenteststopp-Vertrags.
  • Eine regionale Aufsichtsbehörde. Der Bericht der Internationalen Kommission für Nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung erkennt richtig, dass regionale oder bilaterale Aufsichtsbehörden eine recht brauchbare vertrauensbildende Maßnahme sind. EURATOM ist ein Beispiel für ersteres; ABACC (Argentinien-Brasilien-Agentur) für letzteres. Beide funktionieren im Einklang mit den Kontrollmechanismen der IAEO.
  • Die Umwandlung von Irans Vorrat an gering angereichertem Uran für Forschungszwecke oder als Brennmaterial für Atomkraftwerke. Diese Umwandlung könnte in iranischen oder ausländischen Anlagen stattfinden.
  • Eine dauerhafte Präsenz von Inspektoren der IAEO, einer regionalen Aufsichtsbehörde oder beider Institutionen in allen entsprechenden Anlagen.
  • Eine Umrüstung des geplanten Forschungsreaktors in Arak, um die Möglichkeit zur Plutoniumherstellung zu mindern.

Vertrauen ist gut, Kontrolle noch besser

Es ist wenig wahrscheinlich, dass der Iran im Rahmen einer vertrauensbildenden Maßnahme auf alle Aktivitäten zur Anreicherung von Uran verzichtet. Nachdem zunächst die E-3 und dann die IAEO darauf gedrungen haben, ist ein Nachgeben aus iranischer Sicht nicht mehr möglich. Teheran würde dies als Gesichtsverlust empfinden und außerdem das Ziel gefährden, das sich das Land vermutlich gesetzt hat: eine Ausbruchsfähigkeit zu erlangen und sich aus dem NVV zurückzuziehen, wenn der Iran laut Artikel X „entscheidet, dass durch außergewöhnliche Ereignisse eine Gefährdung (seiner) höchsten Interessen eingetreten ist“. Ganz fraglos wäre ein Verzicht auf weitere Anreicherung ein Beitrag zu Frieden und Stabilität in der Region. Auch die internationale Staatengemeinschaft könnte eine grundsätzliche Fähigkeit des Iran zur Urananreicherung kaum gleichmütig hinnehmen, selbst wenn es ihm gelänge, Vertrauen wieder herzustellen.

Wir müssen allerdings Folgendes anerkennen:

  • Der Iran hat laut NVV ein Recht auf eine Urananreicherung und er hat es nicht verloren, weil er seinen Verpflichtungen aus Artikel III nicht immer nachgekommen ist. Es gibt keine Vertragsklausel, die nach Nichteinhaltung ein grundsätzliches Recht streitig machen würde. Das ist unglücklich, aber leider noch die Realität.
  • Die NVV-Partner haben bereits anderen atomwaffenlosen Staaten wie Deutschland, den Niederlanden, Japan und Brasilien erlaubt, Anreicherungsmöglichkeiten zu erlangen. Im Fall des Iran mit anderem Maß zu messen, wäre keine Grundlage für tragbare Sicherheitsarrangements im Nahen und Mittleren Osten. 
  • Der Umstand, dass der Iran sich über die UN-Resolution zur Aussetzung von Urananreicherung hinweggesetzt hat, stellt noch keine Verletzung des NVV dar. UN-Resolutionen zu missachten, ist eine ernsthafte Angelegenheit und rechtfertigt jegliche Sanktionen, die gegen den Iran verhängt wurden. Der politische Ursprung der Resolution darf aber nicht außer Acht gelassen werden: Man wollte mit Zwang erreichen, was mit Überzeugungskraft nicht gelungen war – Vertrauen in die iranischen Absichten herzustellen. Falls der Iran andere Wege der Vertrauensbildung findet, als die in der Resolution vorgesehenen, wäre eine politische Grundlage geschaffen, die einen Verzicht auf die Erfüllung der Resolution erlauben würde.
  • Der Besitz von Anreicherungsmöglichkeiten ist nicht vergleichbar mit dem Besitz von Atomwaffen. Mit der Anreicherung lässt sich auf eine Absicht schließen – diese ergibt sich aber nicht zwangsläufig. Bis es Beweise für die Absicht des Iran gibt, Atomwaffen herzustellen oder sie sich anderweitig zu beschaffen, sind die rechtlichen und politischen Implikationen der iranischen Anreicherungsmöglichkeiten andere als die eines widerrechtlichen Atomwaffenprogramms.
  • Die Internationale Kommission für Nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung rät, die Anreicherungsfähigkeiten des Iran zu akzeptieren, wenn dieser im Gegenzug ein rigides Inspektions- und Verifikationsregime akzeptiert.

Auch die Implementierung des Zusatzprotokolls zum Sicherungsabkommen, das der IAEO eine intensivere Überwachung der iranischen Nuklearaktivitäten erlaubt, scheint derzeit nicht möglich. Das Protokoll wurde im Dezember 2003 provisorisch angewandt. Nach dem negativen Bericht des UN-Sicherheitsrats vom Februar 2006 verweigerte der Iran die erneute Anwendung. Erst wenn die UN die Sanktionen aufheben, ließen Vertreter des Regimes wissen, käme auch das Protokoll wieder zur Anwendung. Diese Haltung ist töricht. Denn wenn das Zusatzprotokoll nicht in Kraft ist, kann die IAEO nicht bestätigen, dass keine geheimen nuklearen Aktivitäten stattfinden – was ja nötig wäre, um die Besorgnis der internationalen Staatengemeinschaft zu lindern. Im Fall des Iran hätte allerdings nicht zum ersten Mal die Torheit über die Vernunft gesiegt.

Es gäbe durchaus einen Vorteil, Irans Recht auf Urananreicherung stillschweigend oder sogar explizit anzuerkennen und nicht weiter auf einer Aussetzung der Anreicherung zu bestehen, selbst wenn die UN-Resolution in Kraft bleiben sollte, bis wieder Vertrauen hergestellt ist: Damit ließe sich die Kluft schließen, die sich in der internationalen Gemeinschaft aufgetan hat. Einige nichtwestliche Staaten haben bereits Anreicherungsanlagen gebaut oder haben die Absicht, dies zu tun. Sie wollen sich das im NVV garantierte Recht zur Anreicherung erhalten, aber gleichzeitig vermeiden, dass hier zweierlei Maß geschaffen wird, an dem sie in Zukunft selbst gemessen werden könnten.

Gelänge es, diese Kluft zu schließen, könnte sich die Staatengemeinschaft – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf eine gemeinsame Politik zum iranischen Atomprogramm einigen. Sollte sich eindeutig herausstellen, dass der Iran tatsächlich Artikel II des NVV missachtet und versucht, nukleare Waffen herzustellen oder sich anderweitig zu beschaffen, wäre eine gemeinsame Linie hilfreich. Angesichts eines solch schweren Vertragsbruchs müsste sich die Staatengemeinschaft im Rahmen des UN-Sicherheitsrats auf eine angemessene Reaktion einigen und diese entsprechend legitimieren können. Eine weitere Intervention im Mittleren Osten ohne ausreichende Legitimation kann sich der Westen jedenfalls nicht leisten.

Nicht mehr auf einem Stopp der Urananreicherung zu bestehen, erbrächte auch positive Effekte für die innenpolitischen Verhältnisse im Iran. Derzeit gelingt es dem Regime, fast die gesamte Bevölkerung für diese Angelegenheit zu mobilisieren, die als Frage des nationalen Stolzes betrachtet wird. Das gilt auch für Regimegegner, die prowestlicher sein mögen, aber ebenfalls nicht auf dieses Recht verzichten wollen. Insistiert man weiter auf einem Ende der Anreicherung, riskiert man auch, dass Regime und Opposition sich wieder annähern. Das schmälert die Chance auf eine günstige Entwicklung der derzeitigen Unruhen. Im Idealfall könnten sie ja eine neue Führung hervorbringen, die bereit und fähig wäre, die regionalen und globalen Beziehungen des Iran zu normalisieren.

Ein weniger konfrontativer Kurs birgt auch ökonomische Vorteile. Das Verhalten des Iran trägt unter anderem zu den relativ hohen Erdölpreisen der letzten Jahre bei. Verringerte Spannungen in der Region würden sich auch günstig auf den Ölpreis auswirken – und billigeres Öl wäre für eine immer noch instabile Weltwirtschaft nur von Vorteil. Überdies braucht der Iran langfristig ausländische Investitionen und Technologien, um die Entwicklung seiner enormen Öl- und Gasreserven zu optimieren. Die übrige Welt wiederum ist auf diese iranischen Reserven angewiesen, um den abnehmenden Ertrag der Reserven anderer Regionen zu kompensieren. Das fehlende Vertrauen in Irans friedliche Nuklearabsichten ist ein Hindernis für solche Investitionen, das sich die Welt kaum leisten kann.

Iran gründlich beobachten, Israel zurückhalten

Wenn man den regionalen Mächten den Vortritt bei den Verhandlungen mit dem Iran geben sollte, heißt das noch lange nicht, dass die internationale Gemeinschaft die Aktivitäten des Iran nicht weiterhin überwachen soll. Ganz im Gegenteil: Sollte der Iran nicht wieder Vertrauen herstellen können, dann ist ihm auch nicht die Gunst des Zweifels zu gewähren. Eher müssen wir weiter davon ausgehen, dass das gegenwärtige Regime auf eine Ausbruchsfähigkeit abzielt, versucht, eine nukleare Waffenfähigkeit zu erlangen und durchaus die Absicht hat, Artikel II des Vertrags zu brechen oder sogar gänzlich vom NVV zurückzutreten, ohne dabei auf „außergewöhnliche Umstände“ zu verweisen. Um eine weitere Überwachung der internationalen Gemeinschaft aufrechtzuerhalten, sind folgende Maßnahmen notwendig:

  • Staaten, die über entsprechende geheimdienstliche Kapazitäten verfügen, sollten sich noch intensiver darum bemühen, rechtzeitig und verlässlich vor nichtfriedlichen nuklearen Aktivitäten des Iran zu warnen.
  • Maßnahmen, die dem Iran den Besitz von Massenvernichtungswaffen und Raketentechnologie verbieten, müssen beibehalten werden. Selbst, wenn man akzeptieren sollte, dass der Iran unter Umständen genau wie einige andere atomwaffenfreie Staaten eine Ausbruchsfähigkeit erlangt, muss das nicht bedeuten, dass es einfacher wird, dieses Ziel auch zu erreichen. 
  • Dem Iran sollten jegliche Versuche verboten werden, sein Wissen über Massenvernichtungswaffen, Ausrüstung oder Material weiterzugeben.

Noch ein Wort zu jenem Akteur, der wie Polonius hinter der Tapete lauert: Israel, von dem man wahrlich nicht behaupten kann, dass es eine besonders konstruktive Rolle in diesem Drama gespielt hätte. Öffentliche Äußerungen in Israel zu diesem Thema zeigen eine klare Tendenz zur Überinterpretation. Tatsachen, die man als Versuch bewerten kann, eine Ausbruchsfähigkeit zu erreichen, werden oft schon als Beweis ins Feld geführt, dass der Iran tatsächlich Atomwaffen herstellt. (Mit einer Ausbruchsfähigkeit besäße der Iran im Übrigen immer noch eine geringere Verteidigungsfähigkeit als Israel.) Jerusalem besteht also darauf, dass für den Iran andere Maßstäbe gelten sollen – als ob es nicht ohnehin schon problematisch für eine ernsthafte Eindämmung der Proliferation wäre, dass in der Region mit zweierlei Maß gemessen wird. Es verweist auf seine Furcht vor den iranischen Absichten und offenbart damit eine wenig glaubwürdige Unfähigkeit, zwischen Rhetorik und ernsthafter Absicht zu unterscheiden. Auch verweist man nachdrücklich darauf, dass der Iran nukleares Material oder gar entsprechende Waffen an terroristische Gruppen weitergeben könnte. Dabei wissen israelische Regierungen ganz genau, dass eine solche Dummheit leicht nachzuweisen wäre und eine massive Vergeltung zur Folge hätte; abgesehen von der Tatsache, dass Teheran schon längst nukleares Material hätte weitergeben können, dies aber unterließ.

Allerdings sollte der Iran auch dazu beitragen, Israels Sorgen zu zerstreuen, das Existenzrecht Israels anerkennen und auf eine Unterstützung von Terrorgruppen verzichten. Kurzfristig aber muss die Staatengemeinschaft Israel klar machen, dass eine Einmischung in die causa Iran inakzeptabel ist – immerhin hat Israel den Atomwaffensperrvertrag bislang ja selbst nicht unterzeichnet.

Chinas Hilfe dringend gesucht: der Fall Nordkorea

Neben dem Iran wird auch Nordkorea die Delegierten der Konferenz in New York beschäftigen. Der Fall ist kompliziert, da Nordkorea sich nicht länger als Vertragspartner betrachtet und bereits am 10. Januar 2003 seinen Rücktritt vom NVV bekannt gegeben hat. Die Mehrheit der NVV-Partner hält diesen Rücktritt allerdings für rechtlich ungültig. Dessen ungeachtet aber wird Nordkorea nicht an der Review-Konferenz teilnehmen und deshalb eher nicht als Störer auftreten.

Nordkoreas Vertragsverletzungen, sowohl vor dem Januar 2003 als auch danach, waren eklatant. Es hat der IAEO jegliche Möglichkeit verweigert zu überprüfen, ob unter Überwachung befindliches Material zu nicht genehmigten Zwecken verwandt wird, und es stellte waffenfähiges Plutonium her. Bis heute wurde keines dieser Vergehen korrigiert. Man ist sich einig, dass die fortdauernde Vertragsverletzung durch Nordkorea beendet werden muss. Allerdings weiß man nicht, wie. Eine militärische Intervention – selbst mit ausreichender Legitimation – ist keine Option, denn sie könnte ungeheure Zerstörungen und zahlreiche Opfer auch in Südkorea zur Folge haben. UN-Sanktionen scheinen bis jetzt keinen Einfluss auf das Verhalten der koreanischen Führung gehabt zu haben. Verhandlungen innerhalb des Sechs-Parteien-Gespräche versprachen im Februar 2007 zunächst Fortschritte, dann fand Pjöngjang wieder Ausreden, um sich nicht an die Abmachungen halten zu müssen.

Nur die Volksrepublik China kann Druck auf Pjöngjang ausüben. Auch wenn Nordkorea inzwischen einen außergewöhnlichen Grad an Autarkie erreicht hat, war es 2008 von Importen – darunter Öl, Getreide und Maschinen – aus China abhängig, die mit einer Höhe von zwei Milliarden Dollar fast die Hälfte aller nordkoreanischen Importe ausmachen. Ob und wie weit China bereit ist, dieses Druckmittel gegenüber Nordkorea einzusetzen, ist allerdings weniger klar.

Einerseits könnte die chinesische Regierung davor zurückschrecken, so starken Druck auszuüben, dass Nordkorea ganz zusammenbrechen würde. Denn vermutlich würde Peking weder eine solche unmittelbare Not für viele Nordkoreaner verursachen wollen, noch wäre ein Flüchtlingsstrom in seinem Interesse, der sich dann fast unweigerlich nach China ergießen würde. Es könnte auch sein, dass China insgeheim Vergnügen daran findet, wie Nordkorea die USA und deren ostasiatische Verbündete immer wieder foppt. Selbstverständlich gibt es für China auch keinen Grund, sich vom kleinen und vermutlich eher primitiven Nukleararsenal Nordkoreas bedroht zu fühlen.

Andererseits goutieren die Chinesen nicht, wie offen Nordkorea seine Nichteinhaltung des NVV zeigt. Es ist bemerkenswert, dass die Sechs-Parteien-Gespräche innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten Atomtest im Oktober 2006 ihren Höhepunkt erreichten, denn der Test bedeutete auch einen Gesichtsverlust für China. Peking hatte es nicht geschafft, seinen Klientelstaat zu kontrollieren. Nicht zuletzt möchte China vermeiden, dass Japan und Südkorea sich durch das Verhalten Nordkoreas dazu provoziert fühlen, ebenfalls nukleare Kapazitäten zu entwickeln.

Man kann also davon ausgehen, dass China ein aufrichtiges Interesse an einer nuklearen Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel hegt, das ja auch die Beendigung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms umfassen würde. Daher wird China bereit sein, Druck auf Pjöngjang auszuüben. Im Westen weiß man wenig über das Wertesystem dieser beiden Staaten und noch weniger über die inneren Dynamiken des nordkoreanischen Regimes. Um die Durchsetzung welcher sinnvollen und realistischen Maßnahmen man China bitten könnte, gehört also ins Reich der Spekulation. Dessen ungeachtet würde sich Folgendes anbieten:

  • Dauerhafte Aussetzung der Aktivitäten im Reaktor Nyongbyon, in dem Plutonium hergestellt wird.
  • Die Aussetzung der Aktivitäten auf der benachbarten Aufarbeitungsanlage sowie allen Anreicherungsanlagen in Nordkorea.
  • Die Versiegelung all dieser Anlagen, inklusive des Plutoniums und jeglicher Lagerungsstätten für nukleare Bauteile.
  • Eine Erlaubnis für die chinesischen Inspektoren, all diese Anlagen regelmäßig zu besuchen, um zu garantieren, dass diese Versiegelung auch dauerhaft erhalten bleibt. Besser noch wäre eine dauerhaft installierte Präsenz chinesischer Inspektoren vor Ort.
  • Ratifizierung des Kernwaffenteststopp-Vertrags, nachdem sowohl die USA als auch China ihn ratifiziert haben.

Damit würden die Spannungen in der Region und auch das Risiko verringert, dass Japan und Südkorea ebenfalls nukleare Abwehrsysteme entwickeln. Gleichzeitig würde Nordkorea ein potenzieller diplomatischer Partner Chinas in der Region bleiben. Es könnte den Chinesen durchaus gelingen, die nordkoreanische Führung von diesen Maßnahmen zu überzeugen – vielleicht im Austausch gegen eine Sicherheitsgarantie durch die Teilnehmerländer der Sechs-Parteien-Gespräche. Nordkorea müsste nicht auf Vorteile verzichten, die das Überleben des Regimes sichern oder Pjönjang eine bessere Position in Verhandlungen mit den USA verschaffen können. Es ist bezeichnend für den opaken Charakter des Regimes, dass die Ansichten über die wahren Ziele des nordkoreanischen Atomprogramms geteilt sind. Mit der These, dass Nordkorea sich gegenüber den USA einen Verhandlungsvorteil verschaffen will, ist das Verhalten des Regimes indes nur schwer in Einklang zu bringen.

Geduldige Diplomatie

Keine der hier vorgeschlagenen Maßnahmen würde den iranischen oder nordkoreanischen Fall „lösen“. Sie könnten aber zu größerem Vertrauen in die Absichten dieser Staaten führen. Dies hätte wirtschaftliche wie politische Vorteile, denn es würde die Möglichkeit schaffen, Fortschritte zu erzielen, wenn sich die inneren Verfassungen dieser beiden Staaten zum Positiven ändern. Im Fall des Iran würde zudem eine Einigung des Sicherheitsrats erleichtert, sollten zukünftige Entwicklungen eine härtere Gangart erfordern. In beiden Fällen ließen sich die Bestimmungen des NVV in Konformität mit den Rechten und Pflichten der Vertragspartner leichter durchsetzen.

Beiden Fällen liegt eine gemeinsame Annahme zugrunde: Die westlichen Staaten sind nicht immer die geeignetesten Akteure, um eine friedliche Umsetzung des NVV voranzutreiben. Das mag schwer zu akzeptieren sein, denn während des Kalten Krieges haben sich vor allem die USA – meist mit ihren britischen Alliierten im Schlepptau – daran gewöhnt, fast überall in der Welt in Konflikte einzugreifen. Solche Gewohnheiten sind schwer abzulegen, zumal eine enorme Erwartungshaltung erzeugt wurde.

US-Präsidenten sollen Stärke und Führungswillen zeigen, „versagen“ sie, verlieren sie an Zustimmung. Internationaler Frieden und Stabilität sind aber eher zu erreichen, wenn man einsieht, dass man regionalen Kräften eine Führungsrolle überantworten sollte. Sie sind aufgrund historischer und geografischer Vorteile oft besser in der Lage, Probleme zu lösen.

Auch die „schnellen Lösungen“, die der Westen so sehr schätzt, sind oft nicht dienlich. Wenn der Iran und Nordkorea wieder normale Beziehungen zur internationalen Staatenwelt unterhalten sollen, müssen zunächst die Differenzen dieser Staaten mit den USA beigelegt werden. Das kann aber erst geschehen, wenn diese Staaten dazu bereit sind. Zwang ist hier nicht förderlich. Es kann noch Jahre dauern, bis der Iran oder Nordkorea bereit sind, diese alten Rechnungen zu begleichen. Geduldige Diplomatie – offen ebenso wie hinter den Kulissen – würde die richtigen Voraussetzungen schaffen.

PETER JENKINS war von 2001 bis 2006 Großbritanniens Botschafter bei der IAEO. Er ist jetzt Associate Fellow des Geneva Centre for Security Policy.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2011, S. 20 - 31

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