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01. März 2009

Den direkten Dialog wagen

Die USA und der Iran sollten die Gunst der Stunde nutzen

Auch wenn die Liste der Probleme und gegenseitigen Forderungen lang ist: Die USA und der Iran sollten endlich zu beträchtlichen Zugeständnissen bereit sein, um die bilateralen Spannungen abzubauen. Die Autorin präsentiert konkrete Handlungsempfehlungen für die neue US-Regierung, die den aktuellen Stand der Diskussion zeigen.

Engagement bezeichnet die neue Politik der Obama-Regierung gegenüber dem Iran. Das beinhaltet auch direkte Gespräche, wenngleich nicht unbedingt auf Präsidentenebene. Während seines Wahlkampfs betonte Obama wiederholt, dass die USA mit ihren Gegnern sprechen müssten. Als Beispiel nannte er ausdrücklich den Iran und erklärte, er sei bereit, sich im Falle seiner Wahl zum Präsidenten mit seinem iranischen Amtskollegen Machmud Achmadinedschad zu treffen. Obamas Ankündigung wurde wörtlich verstanden – dementsprechend groß war die Aufregung.

Seit seinem Amtsantritt ist Obama, unterstützt von Außenministerin Hillary Clinton, nicht von seiner Haltung abgerückt, dass direkte Gespräche der einzig gangbare Weg seien, um die Spannungen zwischen dem Iran und den USA abzubauen. Tatsächlich ist die Position der Obama-Regierung weitaus nuancierter. Denn Verhandlungen auf höchster Ebene würden selbstverständlich Sondierungsgespräche vorausgehen.

Was sind jetzt, kurz nach dem 30. Jahrestag der iranischen Revolution, die Streitpunkte zwischen beiden Staaten? Welche Erwartungen stellen sie an den jeweils anderen?

Washington fordert, dass der Iran

  • seine Programme zur Urananreicherung stoppt;
  • aufhört, die radikal antiisraelische schiitische Hisbollah im Libanon zu unterstützen;
  • seine Aktivitäten im Irak und in Afghanistan einstellt, die nach Ansicht der USA zu den chaotischen Zuständen in beiden Ländern beitragen;
  • weder Hamas noch andere palästinensische Organisationen in Gaza unterstützt, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennen;
  • alle Handlungen unterlässt, die darauf abzielen, den israelisch-palästinensischen Friedensprozess in seiner jetzigen Form zu behindern.

Teheran fordert, dass die USA

  • das Recht auf Urananreicherung auf iranischem Boden anerkennen und dem Iran Zugang zu moderner Nukleartechnologie gewähren;
  • eine Reihe von wirtschaftlichen Sanktionen, die sie dem Iran auferlegt haben, aufheben;
  • eingefrorene iranische Konten freigeben;
  • ihr Bemühen aufgeben, den Iran zu isolieren und zu dämonisieren;
  • ihre Alliierten nicht mehr länger von Investitionen im Iran abzuhalten versuchen, iranischen Geschäftsleuten und Unternehmen Kredite gewähren, Geschäfte mit ins Visier genommenen iranischen Banken machen und umfangreichen Handel mit dem Iran treiben;
  • den Iran als Regionalmacht anerkennen, Verständnis für die iranischen Sicherheitsinteressen zeigen und das Land in Diskussionen über die Sicherheit am Persischen Golf und in der Region einbeziehen.

Etliche der iranischen Forderungen an die USA, wie zum Beispiel das Recht auf Urananreicherung und die Anerkennung der iranischen Sicherheitsinteressen und des regionalen Führungsanspruchs, werden auch an die Europäische Union gestellt.

Wie können die Probleme gelöst werden?

Es sind Wege denkbar, wie all diese Streitpunkte verhandelt werden können. Doch die Hindernisse sind beträchtlich. Jede ernsthafte Verständigung erfordert große Zugeständnisse von beiden Seiten. Wird beispielsweise der Iran seine Programme zur Urananreicherung aufgeben? Werden die USA zu Gesprächen bereit sein, bevor der Iran seine Urananreicherung aufgibt? Werden die USA ihre Sanktionen lockern, um die Iraner an den Verhandlungstisch zu holen? Und wird der Iran Verhandlungen zustimmen, auch wenn die Wirtschaftssanktionen in Kraft bleiben?

Keine der beiden Staaten kann auf Erfahrungen bilateraler Verhandlungen aus der jüngsten Zeit zurückgreifen. Zwar stimmt, dass der Iran und die USA bei der Bildung einer Übergangsregierung in Afghanistan nach dem Sturz der Taliban kooperiert haben. Doch bei diesen Verhandlungen ging es um einen Drittstaat. Zudem vollzog US-Präsident George W. Bush gleich nach den erfolgreichen gemeinsamen Bemühungen in Afghanistan eine Kehrtwende, indem er den Iran der „Achse des Bösen“ zuordnete und damit die Position derjenigen Kräfte in der iranischen Regierung schwächte, die von der Möglichkeit einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den USA überzeugt waren. Im vergangenen Jahr scheiterte der Versuch, Gespräche über den Irak in Gang zu bringen. Im August 2008 nahm Vizeaußenminister William Burns an den Gesprächen teil, die die EU-Staaten, Russland und China mit dem Iran über dessen Atomprogramm führten. Das war gewissermaßen eine Premiere, doch Burns’ Status entsprach nur dem eines Beobachters und seine Anwesenheit führte nicht zu direkten Gesprächen.

In der Frage, ob mit den USA direkt verhandelt werden solle, ist das iranische Regime gespalten. Präsident Achmadinedschad zum Beispiel erklärte, der Iran sei zu Gesprächen bereit; er stellte jedoch Bedingungen, die darauf angelegt zu sein schienen, direkte Verhandlungen eher zu verhindern als zu fördern. Laut Achmadinedschad müssten sich die USA vorab für alles entschuldigen, angefangen bei der Atombombe auf Hiroshima bis hin zum Sturz des populären iranischen Premierministers Mohammed Mossadegh im Jahre 1953. Außerdem sollten die USA ihre Unterstützung für Israel einstellen und amerikanische Truppen aus der Region abziehen. Der oberste politische und religiöse Führer des Iran, Ayatollah Khamenei, sieht wenig Vorteile und viele Risiken in der Aufnahme direkter Beziehungen zwischen den USA und dem Iran. Einflussreiche Wählerkreise in der Revolutionsgarde und im Geheimdienst lehnen direkte Beziehungen zu den USA ab.

Auf der anderen Seite haben der iranische Parlamentssprecher und der Außenminister den veränderten Tonfall aus Washington begrüßt. Selbst Achmadinedschad schlug in seiner Rede anlässlich des 30. Jahrestags der Revolution Anfang Februar gegenüber den USA mildere Töne an und sprach von „gegenseitigem Respekt“ und einer „fairen Atmosphäre“. All das sind Anzeichen, dass auch innerhalb der iranischen Regierung eine rege Diskussion stattfindet.

Die Iran-Politik der neuen US-Regierung befindet sich noch in einem Entwicklungsprozess. Die Bereitschaft der Regierung, Gespräche aufzunehmen und einen weniger aggressiven Ton anzuschlagen, bedeutet nicht, dass sie einen weniger kompromisslosen Kurs fahren wird. Vizepräsident Joe Biden, der Gespräche mit dem Iran befürwortet, betont gleichzeitig, dass die USA kein iranisches Atomprogramm und keine Unterstützung von Terrororganisationen dulden werden. Die bereits verhängten Sanktionen bleiben weiterhin in Kraft. Der politische Architekt der jüngsten effektiven Sanktionen gegen das iranische Banken- und Finanzsystem, Stuart Levey, behält seinen Posten im US-Finanzministerium.

Die neue US-Regierung vereint etwas Neues – echte Bereitschaft, Gespräche mit dem Iran aufzunehmen und dessen Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen – mit etwas Altem – nämlich der Forderung, der Iran müsse sein Atomprogramm aufgeben und seine Politik in einigen Regionen des Nahen Ostens, insbesondere im Libanon und in den palästinensischen Autonomiegebieten, und seine Haltung gegenüber Israel revidieren.

In den vergangenen Monaten veröffentlichten eine Vielzahl von ehemaligen US-Politikern und Beratern in politischen Thinktanks Artikel und Vorschläge, wie mit dem Iran umzugehen sei. Manche dieser Experten stehen der Regierung Obama nahe und waren bereits beratend für sie tätig. Einige, wie der Atomwaffen-Experte Gary Samore, gehören ihr inzwischen an. Andere, wie der frühere Mitarbeiter des Außenministeriums Dennis Ross, sind für die neue Regierung vorgesehen. Ihre Ideen stellen nicht die offizielle außenpolitische Linie dar, und sie stimmen nicht in allen Punkten miteinander überein; doch ihre Empfehlungen vermitteln einen Eindruck von den Strategien, die in der neuen Regierung diskutiert werden.

Handlungsempfehlungen für die USA

Zu ihren – teilweise widersprüchlichen – Empfehlungen gehören:

  • Gespräche mit dem Iran führen, sobald er sich einverstanden erklärt, sein Atomprogramm auszusetzen;
  • Gespräche mit dem Iran ohne Vorbedingungen führen und sämtliche Streitpunkte auf den Verhandlungstisch bringen;
  • Gespräche mit dem Iran auf höchster Ebene führen, einschließlich direkter Kontakte zum obersten Führer Khamenei;
  • Gespräche auf niedrigerer Ebene ansetzen und kleine, vertrauensbildende Maßnahmen durchführen, bevor die Verhandlungen auf höherer Ebene fortgesetzt werden;
  • es sollte Bemühungen geben, das syrische Bündnis mit dem Iran und damit die iranisch-syrische Unterstützung für die Hisbollah im Libanon sowie die antiisraelische Politik der beiden Staaten zu beenden; das bedeutet auch, dass einem syrisch-israelischen Friedensabkommen der Vorrang vor einer palästinensisch-israelischen Einigung gegeben wird;
  • darauf dringen, dass der Iran seine Störerrolle im Nahost-Friedensprozess und seine Unterstützung für gewaltbereite Gruppierungen wie die Hamas aufgibt;
  • den finanziellen Druck auf das iranische Banken- und Finanzsystem aufrechterhalten, aber gleichzeitig Anreize setzen, wie z.B. in begrenztem Umfang und unter internationaler Aufsicht auf iranischem Boden Urananreicherung für zivile Zwecke erlauben;
  • den Iran in Gespräche zur regionalen Sicherheit und zur Lage im Irak und in Afghanistan einbeziehen;
  • mit der Errichtung einer so genannten „interests section“ – also einer US-Vertretung mit de facto konsularischen Befugnissen – in Teheran einen Normalisierungsprozess in den US-Iran-Beziehungen einleiten; in den letzten Amtsmonaten erwog die Bush-Regierung diese Maßnahme, überließ ihre Umsetzung jedoch der Obama-Regierung.

Die Fülle an unterschiedlichen Vorschlägen zeugt davon, dass die Iran-Politik der USA weiterhin im Fluss ist; doch die Stimmung in Washington hat sich verändert. Es gibt eine echte Bereitschaft, Gespräche mit dem Iran zu führen. Und selbst, wenn die Details noch ausgearbeitet und die iranische Reaktion abgewartet werden müssen, könnte diese Bereitschaft den entscheidenden Durchbruch bringen.

HALEH ESFANDIARI ist Direktorin des Middle East Program im Woodrow Wilson International Center in Washington. Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, März 2009, S. 72 - 76.

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