Buchkritik

24. Febr. 2025

Buchkritik: Die Ressource Hoffnung

Lässt sich der Planet angesichts der massiven Widerstände gegen Klimapolitik noch retten, oder ist es dafür schon zu spät? Drei Autorinnen und ein Autor suchen nach Antworten jenseits von Weiter-so und Wünsch-dir-was

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Bild: Illustration eines Buches auf einem Seziertisch
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Es ist noch nicht lange her, da gab es so etwas wie eine zarte Aufbruchstimmung im globalen Klimaschutz. Immer mehr Regierungen begannen zu begreifen, dass ein Weiter-so keine Option mehr ist. Dank der Proteste junger Menschen auf den Straßen dieser Welt schaffte es der Klimawandel als gesamtgesellschaftliches Problem ins Zentrum politischer Debatten. Von diesem Zeitgeist ist heute nicht mehr viel übrig. Doch das Problem ist nicht nur geblieben – es hat sich verschärft.

Im Jahr 2024 lag die globale Durchschnittstemperatur 1,6 Grad über dem vorindustriellen Niveau und überschritt damit erstmals die im Pariser Klimaabkommen verankerte 1,5-Grad-Marke. Eine historische Meldung, die aber Anfang 2025 weitgehend unter dem Radar lief. Schlagzeilen machte ein anderes Ereignis: die Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident. Wenige Stunden im Amt, kündigte Trump bereits den erneuten Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen an: „Drill, Baby, Drill“ statt New Green Deal. 


Visionärin im Pentagon

Als Sherri Goodman 1987 ihre Arbeit im Streitkräfteausschuss des US-Senats aufnahm, war Donald Trump noch ein New Yorker Immobilien-Magnat und der Klimawandel hauptsächlich ein Thema für eine vergleichsweise überschaubare Gruppe von Umweltschützern. Während Trump sich in den folgenden Jahrzehnten zum einfluss­reichsten Klimawandelleugner der Welt entwickelte, hatte Sherri Goodman entscheidenden Anteil daran, dass die Erd­erwärmung heute eine zentrale Rolle in der operativen Planung von Militär­einsätzen spielt. Als „Gefahrenmultiplikator“ – ein Begriff, den Goodman selbst geprägt hat – ist der Klimawandel mittlerweile fest in den Sicherheitsstrategien von Staaten und Militärbündnissen wie der NATO verankert. 

Wie es dazu kam, erzählt die oft als „Mutter der Klimasicherheit“ bezeichnete Amerikanerin in ihrem Buch „Threat Multi­plier“. 1993 wurde Goodman vom neuen US-Präsidenten Bill Clinton ins ­Verteidigungsministerium ­berufen, wo sie als oberste Umweltbeauftragte unter anderem die erste Klimawandelstrategie des Pentagons entwickelte. 

Besonders spannend wird das Buch immer dann, wenn die Autorin Einblicke in den Maschinenraum der amerikanischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gewährt. So berichtet Good­man von ihren ersten Budgetverhandlungen: Als „junge, zierliche Frau“ habe sie „in einem Raum voller großgewachsener, meist weißer Männer mit militärischen Auszeichnungen an der Brust“ gestanden und sich schwergetan, Verbündete für ihre Finanzierungspläne zur  Säuberung kontaminierter Militärstützpunkte zu finden. 

Aufschlussreich sind auch Good­mans Schilderungen der Verhandlungen Ende der 1990er Jahre, als auf Drängen der USA militärische Emissionen vom Kyoto-Protokoll ausgenommen wurden – eine umstrittene Regelung, die allerdings im Nachfolgeabkommen von Paris weitgehend beibehalten wurde. 

„Threat Multiplier“ ist aber vor allem die Geschichte einer Anpassung militärischen Denkens an neue Gefahren, die Goodman selbst entscheidend vorangetrieben hat – und die sich nicht durch präsidiale Dekrete revidieren lässt. Wenn Goodman hochrangige US-Militärs zitiert, die bei Einsätzen in Nahost, Afrika und anderswo selbst erlebt haben, wie Klimafolgen die Einsatzfähigkeit von Streitkräften beeinflussen und Konflikte noch gefährlicher machen, dann zeigt das die Diskrepanz zwischen militärischen Notwendigkeiten und Trumpscher Klimapolitik.

Und so liest sich Goodmans Buch auch als Appell an die amerikanische Überparteilichkeit, die gerade in klimapolitischen Fragen dramatisch erodiert ist. Der Klimawandel unterscheide nicht zwischen Demokraten und Republikanern, betont Goodman – und ergänzt: Viele der vom Klimawandel am stärksten bedrohten Militärstützpunkte lägen in traditionell „roten Staaten“ im Süden der USA. Auch republikanische Abgeordnete sollten daher ein Interesse daran haben, in klimaresiliente militärische und zivile Infrastruktur zu investieren, um die Sicherheit ihrer Wähler zu gewährleisten. Ist das realistisch oder doch allzu optimistisch?


Ungeduldige Optimistin 

Ein Plädoyer für mehr „dringlichen Optimismus“ im Kampf gegen die Umweltprobleme der Welt kommt von der schottischen Datenwissenschaftlerin Hannah Ritchie. Weltuntergangsszena­rien lehnt die Autorin entschieden ab – sie würden mehr schaden als nützen und seien oft auch inhaltlich nicht belegbar. Ritchies Kernthese: Die heutige Generation könnte die erste sein, die die Umwelt in einem besseren Zustand hinterlässt, als sie sie vorgefunden hat. Ob Luftverschmutzung, Ernährung, Biodiversitätsverlust oder Überfischung – Ritchie ist überzeugt, dass es eine „reale Chance“ gibt, all diese Probleme innerhalb der kommenden 50 Jahre zu lösen. Denn: In allen Fällen seien „deutliche Anzeichen“ zu erkennen, dass ein Kurswechsel in die richtige Richtung stattgefunden habe oder bevorstehe. 

Und tatsächlich zeigt „Hoffnung für Verzweifelte“ einige überraschende Zusammenhänge auf. Das gilt besonders für das Kapitel zur Ernährung, dem man anmerkt, dass die Autorin auf diesem Gebiet über die größte wissenschaftliche Expertise verfügt. Wer mit seiner Ernährung möglichst wenig CO2-Emissionen verursachen will, sollte Ritchie zufolge weniger auf regionale Produkte oder Biosiegel setzen, sondern eher darauf, dass Vegetarisches auf den Tisch kommt: Denn auch importiertes Obst und Gemüse verursache in den allermeisten Fällen deutlich weniger Emissionen als lokal erzeugte Fleisch- und Milchprodukte. 

Viel zu kurz kommen in diesem respektablen Hoffnungsbuch allerdings die systemisch bedingten ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Hindernisse, die einer schnellen Umsetzung der von Ritchie vorgeschlagenen Lösungen, wie etwa einer CO2-Steuer, im Wege stehen. Diese Leerstelle ist durchaus verständlich – würde doch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit fossilen Machtstrukturen, geopolitischen Konflikten oder einer wachsenden Klimamüdigkeit den von Ritchie postulierten Optimismus erheblich trüben. Auch Kipppunkte – Schwellenwerte im Erdsystem, deren Überschreiten weitreichende Folgen hätte – sind in Ritchies Buch allenfalls eine Randnotiz. Und so bleibt Ritchies Argumentation an einigen Stellen zu oberflächlich, um über bloßes Wunschdenken hinauszugehen.

„Hoffnung für Verzweifelte“ liefert dennoch einige wertvolle Denkanstöße: Schwarzmalerei und Endzeitstimmung sind offenkundig verfrüht, denn vieles bewegt sich in die richtige Richtung, wenn auch nicht schnell genug. Und statt sich in endlosen Debatten darüber zu verlieren, ob der Weg in eine nachhaltige Zukunft auf dem Lastenrad oder im Elektroauto zurückgelegt werden sollte, wäre es klüger, mehr Energie in das gemeinsame Ziel zu investieren: die Welt in einem besseren Zustand zu hinterlassen. 


Realismus statt Greenwishing

Ob dieses Ziel je erreicht werden kann, daran hat der Soziologe Jens Beckert größte Zweifel. „Verkaufte Zukunft“ ist ein ungeschönter Realitätscheck – und damit der komplette Gegenentwurf zu Ritchies Hoffnungsbuch: Wenig bis gar kein Optimismus, dafür eine umso fundiertere Analyse, warum die Gesellschaften in den demokratischen Ländern des Globalen Nordens die Klimakrise trotz aller vorliegenden Erkenntnisse nicht in den Griff bekommen – und sich daran in absehbarer Zeit wohl auch nicht viel ändern wird. 

Beckert begründet seinen Pessimismus mit den „Macht- und Anreizstrukturen der kapitalistischen Moderne“, die einer erfolgreichen Bekämpfung des Klimawandels im Wege stünden. Während sich Ritchie optimistisch gibt, dass die globalen Emissionen noch in diesem Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichen können, sieht Beckert keinerlei Anzeichen für den tiefgreifenden Wandel der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Strukturen, der notwendig wäre, um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen. 

Mithilfe der soziologischen Systemtheorie argumentiert Beckert anschaulich und mit großer analytischer Schärfe, warum das Modell der kapitalistischen Moderne – geprägt von marktbasierten und gewinnorientierten Wirtschaftsstrukturen sowie einem „entgrenzten Individualismus“ – nicht kompatibel mit effektivem Klimaschutz sei. So attestiert der Autor gewinn­orientierten Unternehmen einen „strukturellen Hörschaden“ gegenüber den Anforderungen eines umweltverträglichen Wirtschaftens.

Dass die Vorstellung von grünem Wachstum nicht mehr als „Greenwishing“ sei, zeige sich in den allein an Risiko und Rendite orientierten Anlageentscheidungen von Finanzinvestoren. Der Ausstieg zahlreicher US-Banken und Vermögensverwalter aus klimafreundlichen Bündnissen – unmittelbar vor dem Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump – gibt Beckert recht.

Doch nicht nur die Entscheidungslogik von Finanzmärkten, sondern auch die von Staat und Bevölkerung führe zu einem nahezu unüberbrückbaren Spannungsverhältnis zwischen Natur und kapitalistischer Moderne. Beckert nennt hier die Angst vor Freiheitsverlusten und Umverteilungseffekten oder die Abhängigkeit von politischer Legitimation und wirtschaftlichen Interessen.

Zweifellos: Keiner dieser Befunde ist für sich genommen wirklich neu – doch in der Summe ergibt sich eine umfassende und wuchtige Diagnose des menschlichen Scheiterns im Umgang mit der Klimakrise. Dass Beckert dabei stets analytisch-sachlich bleibt und weder moralisiert noch vereinfacht, ist eine wohltuende Abwechslung in einer immer emotionaler geführten öffentlichen Debatte. 


Raus aus der Komfortzone

Ganz ohne die Macht von Gefühlen und Geschichten, so schreibt Luisa Neubauer in ihrem neuen Buch „Was wäre, wenn wir mutig sind?“, lasse sich der „fossilen Gewohnheitswahrung“ allerdings auch nicht entkommen. Als größte Gefahr für die ökologische Frage identifiziert Neubauer „die Krise der Hoffnung“. In der Wiederentdeckung der Hoffnung, die zum Handeln anspornt, erkennt Deutschlands bekannteste Klimaaktivistin zugleich „die wertvollste Ressource unserer Zeit“. 

Besondere Aufmerksamkeit verdienen Neubauers Überlegungen zu den drei Konfliktli­nien, an denen die Menschheit im 21. Jahrhundert stehe: zwischen fossilen Konzernen und allen anderen, zwischen fossilen Gewohnheiten und ökologischen Notwendigkeiten sowie zwischen den Gewinnern und Verlierern der Transformation. 

Im Unterschied zu Beckert ist Neubauer davon überzeugt, dass diese Konfliktlinien keine unüberwindbaren Mauern sind und dass Reibungen entlang dieser Linien zu positiven Veränderungen führen können. Was es dafür brauche, seien mutige Menschen, die ihre Komfortzone verlassen und sich für eine lebenswertere, ökologische Zukunft einsetzen.

„Was wäre, wenn wir mutig sind?“ hat das Potenzial, die Tonlage in der Klimabewegung zu verändern und sie vor einem weiteren Abdriften in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren. Trotz gelegentlich überstrapazierten Pathos wird deutlich, was sich Neubauer für den Klimaaktivismus der Zukunft wünscht: weniger Panikmache und Disruption, mehr Hoffnung und Utopie. In ohnehin verunsicherten Gesellschaften bietet diese Strategie schlicht bessere Erfolgsaussichten, Menschen für den Klimaschutz zu begeistern. 

Lässt sich die Katastrophe noch abwenden – oder ist es schon zu spät? Darauf bieten die vier Bücher ganz unterschiedliche Antworten. Im Lager der Optimistinnen plädieren Neubauer und Ritchie für mehr Zuversicht und Mut im Umgang mit der ökologischen Krise. Während sich Ritchies Hoffnung vor allem auf Daten und Zahlen stützt, betont Neubauer die transformative Kraft positiver Emotionen und Visionen – eines „Sich-vorstellens, was möglich sein könnte“. Einig sind sich beide Autorinnen, dass das Ende des fossilen Zeitalters nur eine Frage der Zeit sei. 

Fundamental anders sieht das Beckert, der seiner Leserschaft allenfalls eine „schwache Hoffnung“, dafür aber ein besseres Verständnis der systemischen Hindernisse im Kampf gegen den Klimawandel vermittelt. Wie sich rigide Organisationsstrukturen aufbrechen und Herzen für den Umweltschutz gewinnen lassen, davon weiß Sherri Goodman in „Threat Multiplier“ zu berichten. Dass ihr Erbe als „Mutter der Klimasicherheit“ auch unter einem Präsidenten Trump bewahrt bleibt, kann man nur, genau: hoffen. Goodmans Blick auf den Klimawandel aus militärischer Perspektive unterstreicht aber auch: In einer rauen Welt braucht der globale Klimaschutz nicht nur mehr Hoffnung, sondern vor allem mehr Wehrhaftigkeit gegenüber seinen Gegnern.

Sherri Goodman: Threat Multiplier. Climate, Military Leadership, and the Fight for Global Security. Washington, D.C.: Island Press 2024. 272 Seiten, 35,00 US-Dollar

Hannah Ritchie: Hoffnung für Verzweifelte. Wie wir als erste Generation die Erde zu einem besseren Ort machen. München: Piper 2024. 384 Seiten, 22,00 Euro

Jens Beckert: Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht. Berlin: Suhrkamp 2024. 240 Seiten, 28,00 Euro

Luisa Neubauer: Was wäre, wenn wir mutig sind? Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2025. 144 Seiten, 13,00 Euro

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2025, S. 128-131

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Mehr von den Autoren

Tim Hofmann, seit Oktober 2023 Redakteur bei der IP, hat einen Masterabschluss in Umweltpolitik und Regulierung von der London School of Economics.