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01. Juli 2007

Auswärtige Kulturpolitik

Kurt-Jürgen Maaß über die Dritte Säule der Außenpolitik

Rezensionen zu "Nationalkultur oder europäische Werte?", "Vom Kulturkonflikt zum Kulturdialog?", "Menschen bewegen - Kultur und Bildung in der deutschen Außenpolitik".

Nationalkultur oder europäische Werte? Britische, deutsche und französische Auswärtige Kulturpolitik zwischen 1989 und 2003

Julia Sattler | Deutscher Universitäts-Verlag 2007, ISBN 9783835060586, 359 Seiten

„Auswärtige Kulturpolitik – ein Stiefkind der Forschung?“ lautete der Titel einer Tagung, die 2001 im Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart stattfand. Diese Formel wird seitdem in vielen wissenschaftlichen Arbeiten zitiert – oft auch ohne Fragezeichen. Es herrscht der Eindruck vor, dass zwar viel über Außenpolitik geforscht und veröffentlicht, die seit Bundeskanzler Willy Brandt „Dritte Säule“ genannte Außenkulturpolitik aber nach wie vor nur sehr am Rande behandelt werde. Ein zutreffender Eindruck? Immerhin umfasst die Liste der seit 2000 erschienenen Nachwuchsarbeiten, die das Institut für Auslandsbeziehungen in einer Bibliographie im Internet veröffentlicht hat, 250 Titel. Zwei jüngst erschienene Dissertationen lohnen vorgestellt zu werden.

Julia Sattler geht in ihrer Arbeit „Nationalkultur oder europäische Werte?“ der Frage nach, ob die Auswärtige Kulturpolitik Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens zwischen 1989 und 2003 national orientiert geblieben ist oder sich mehr und mehr in den Dienst der Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union gestellt hat. Die Antwort kann den Grad der Europäisierung in der Auswärtigen Kulturpolitik bestimmen und die Möglichkeiten einer gemeinsamen europäischen Außenkulturpolitik ausloten. Eine festgestellte Europäisierung wäre auch ein Indiz für das Vorhandensein einer Basis an gemeinsamen Werten und damit einer europäischen Identität. Frau Sattler legt ihrer Arbeit die Integrationstheorie des Neofunktionalismus zugrunde, nach der die Integration in einem Bereich schrittweise die Ausweitung auf immer neue Politikbereiche nach sich zieht. Dabei kombiniert sie die Untersuchung von drei Fallbeispielen mit einer Dokumentenanalyse (Parlamentsdokumente, Jahrbücher) und einer Auswertung von Datensammlungen. Die deutschen Charakteristika sieht die Autorin in den Zielen Vertrauensbildung, Verbundenheit mit den westlichen Bündnispartnern, Friedenssicherung, Vermittlung eines zeitgemäßen Deutschlandbildes und steigendes Engagement in der EU und in internationalen Organisationen. Die Charakteristika der französischen Außenkulturpolitik liegen für sie in der Propagierung der französischen Zivilisation und der Position Frankreichs in der Welt, aber auch in der Unterstützung der französischen Kulturindustrie. Großbritannien schließlich wolle vor allem die Werte und Errungenschaften Großbritanniens vermitteln, namentlich das britische Gesellschaftsmodell. Die recht aufwändige Auswertung der Parlamentsdokumente, die insgesamt ein Drittel der Dissertation einnimmt, wirkt durch die Einteilung in fünf Phasen etwas redundant, macht aber deutlich, welche Bedeutung die Parlamente der Außenkulturpolitik zumessen und mit wie vielen Erwartungen sie sie befrachten und teilweise überfrachten. Aus der faktenreichen Untersuchung ergibt sich für Sattler eine Annäherung der Außenkulturpolitik in zwei Punkten: eine stärkere Eingliederung in die nationale Außenpolitik und eine zunehmende Politisierung (vor allem über die Themen Demokratieförderung, Zivilgesellschaft, Rechtsstaat, Menschenrechte und freie Marktwirtschaft), letzteres in den Regionen Mittelost-, Südosteuropa, Zentralasien sowie Mittelmeer. Ihr Fazit: Die Außenkulturpolitik bleibt national orientiert und stellt sich nicht in den Dienst der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Insoweit wird die Integrationstheorie falsifiziert. Die Autorin ist aber optimistisch, dass in der Zukunft doch noch mehr Zusammenarbeit gelingen kann. Die größten Chancen dafür sieht sie in der Mittelmeer-Region und in Westasien.

Vom Kulturkonflikt zum Kulturdialog? Die kulturelle Dimension der Euro-Mediterranen Partnerschaft (EMP)

Isabel Schäfer | Nomos 2007, ISBN 9783832925444, 297 Seiten

Exakt an der Stelle, an der Julia Sattler aufhört, dem Mittelmeer, setzt die Dissertation von Isabel Schäfer über „Die kulturelle Dimension der Euro--Mediterranen Partnerschaft (EMP)“ an. Frau Schäfer untersucht am Beispiel dieser Partnerschaft Formen von politischer Mobilisierung kultureller Assoziationen und Referenzen und die kulturellen Dimensionen des Barcelona-Prozesses. Ihre zentrale Frage lautet: Was sind die maßgeblichen Motive der EU, mit der EMP zu einer kulturellen Neuerfindung des Mittelmeer-Raums beizutragen? Geht es nur um den Export europäischer Werte in die arabisch-islamisch geprägten Mittelmeer-Nachbarstaaten oder sucht man ein Instrument, um die Zirkulation von Ideen, Werten und Kulturprodukten im Mittelmeer-Raum zu fördern?

Die Antworten auf diese Fragen sind der Autorin zufolge nicht so ganz einfach. Zunächst teilt sie die Ansicht, dass eine strikt nationale Ausrichtung von Außenkulturpolitik „den neuen Anforderungen des veränderten nationalen Beziehungsgeflechts nicht mehr gewachsen“ sei und diese daher neu definiert werden müsse. In ihrem wissenschaftlichen Ansatz orientiert sie sich am sozialkonstruktivistischen Modell von Alexander Wendt, wonach sich Identitäten und Interessen erst in Interaktionsprozessen zwischen unterschiedlichen Akteuren herausformen. Das gelte auch für die Euro-Mediterrane Partnerschaft, wobei allerdings die gemeinsamen Regeln und Normen meist von der EU vorgegeben und somit überwiegend europäische Normen und Standards seien. Ein entscheidendes Motiv für das Engagement in Sachen EMP ist aus Sicht der Autorin der Wunsch der EU, „den politischen Integrationsprozess (...) kulturell zu unterstützen und das Projekt Europa inhaltlich neu auszufüllen“. Dabei gelte es auch, das eigene Verhältnis zu Religion, Staat und Menschenrechten zu klären. Allerdings beobachtet Frau Schäfer eine gewisse Ernüchterung angesichts der eher divergierenden denn konvergierenden Interessen in den Institutionen und unter den Akteuren. Das liege auch an der Lähmung des gesamten Prozesses durch den Nahost-Konflikt. Dennoch hat sich einiges getan: Die Mobilität von Künstlern ist gestiegen, Netzwerke sind entstanden, der Informationsaustausch hat zugenommen, die Universitäten arbeiten vermehrt zusammen, ein „gemeinsames Geschichtsbuch des Mittelmeer-Raums“ ist angeregt worden, Bildungsreformen werden thematisiert – alles in ihren Auswirkungen relativ schwer messbare Punkte, aber dennoch der Beginn einer europäischen Außenkulturpolitik und damit ein Durchbruch in der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Umso beunruhigender ist die Skepsis von Frau Schäfer am Schluss ihrer Arbeit, wenn sie erklärt, die Entscheidungsträger in Brüssel und in den arabischen Hauptstädten hätten sich „eigentlich bereits innerlich von der EMP verabschiedet, auch wenn offiziell weiterhin daran festgehalten wird“. Das große Verdienst der auch sprachlich überzeugenden Dissertation ist die erstmalige Analyse dieses wichtigen Bereichs europäischer Politik unter politikwissenschaftlichen Gesichtspunkten.

Menschen bewegen – Kultur und Bildung in der deutschen Außenpolitik

Auswärtiges Amt (Hrsg.) | Edition Diplomatie 2007, keine ISBN, 212 Seiten

Eine dritte Neuerscheinung sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt: die Veröffentlichung des Auswärtigen Amtes über die außenkulturpolitische Grundsatzkonferenz vom Oktober 2006 „Menschen bewegen – Kultur und Bildung in der deutschen Außenpolitik“, an der 500 Vertreter aus Kultur, Wirtschaft, Politik, Hochschulen und Stiftungswesen teilgenommen haben. Der Band macht deutlich, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier die „Dritte Säule“ seiner Außenpolitik wesentlich ernster nimmt als sein Vorgänger und entsprechend stärker nutzen will. Zu den neuen Themen der Soft Power gehören die Rolle der Kreativindustrie, Migranten, Netzwerke, Public-Private Partnership, die neuen dynamischen Weltregionen und der Dialog mit der islamischen Welt. Der Band bietet einen exzellenten Einblick in den aktuellen Stand der Diskussion um die AKP und zeigt, wie vielfältig die Landschaft der beteiligten Institutionen geworden ist. Last not least dokumentiert der Band die Ergebnisse einer am Rande der Konferenz durchgeführten Befragung unter dem Motto „Womit soll Deutschland im Ausland kulturell leuchten?“: unter anderem mit Bildung und Wissenschaft, Offenheit und Zukunftsfähigkeit und durch die Fähigkeit zum konstruktiven Selbstzweifel.

Dr. Kurt-Jürgen Maaß, geb. 1943, ist Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Stuttgart und Honorarprofessor an der Universität Tübingen.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 7/8, Juli/August 2007, S. 213 - 216.

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