IP Special

28. Apr. 2025

Verschuldet und unterfinanziert

Afrika ist auf ausländische Geldgeber angewiesen. Doch das Leihgeschäft entwickelt sich immer mehr zum Leidgeschäft. Wie lässt sich die Schuldenkrise lösen? Ein Patentrezept gibt es nicht, dafür aber eine  Reihe an potenziell wirksamen Maßnahmen.

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Bild: Staatsverschuldung der Afrikanischen Staaten als Säulendiagramm
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Afrikas Verschuldung ist seit der globalen Finanzkrise 2008/2009 kontinuierlich gestiegen. Zuvor war sie fast zehn Jahre lang zurückgegangen, vor allem dank der Schulden­erlassprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF), wie der Initiative für hochverschuldete arme Länder und der Multilateralen Schuldenerlassinitiative.
In zahlreichen Entwicklungsländern, in denen die Staatseinnahmen oft nicht ausreichen, um große Infrastrukturprojekte zu finanzieren, spielen Geldgeber aus dem Ausland eine entscheidende Rolle. Diese Abhängigkeit hat in Afrika zu einer wachsenden Auslandsverschuldung geführt: Zwischen 2009 und 2023 ist die Auslandsschuldenquote – also der Anteil der Auslandsschulden am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – von knapp 13 auf 25 Prozent gestiegen. In einzelnen Ländern ist der Anteil noch höher. So stieg Angolas Auslandsschuldenquote von 11 Prozent im Jahr 2009 auf 44 Prozent im Jahr 2018. Infolge der Corona-Pandemie erreichte sie 2021 mit 61 Prozent ihren Höchststand, bevor sie bis 2023 auf 50 Prozent zurückging. 

Hinzu kommt, dass afrikanische Länder einen immer größeren Teil ihres Staatshaushalts für den externen Schuldendienst aufwenden: Während Zins- und Tilgungszahlungen an ausländische Geldgeber 2009 noch 3 Prozent der Ausgaben ausmachten, lag der Anteil im Jahr 2023 bereits bei über 10 Prozent. 


Afrikas Gläubiger

In der Vergangenheit waren multilaterale Institutionen wie die Weltbank, der IWF und die Afrikanische Entwicklungsbank die wichtigsten Kreditgeber. Sie vergaben zinsvergünstigte Kredite nach strengen Due-Diligence-Prüfungen, bei denen neben dem Wirtschaftswachstum auch zentrale Governance-Herausforderungen wie Korruption, schwache Institutionen und politische Instabilität berücksichtigt wurden.

Seit Anfang der 2010er Jahre hat sich die Gläubigerstruktur in Afrika jedoch gewandelt. Private und bilaterale Geldgeber spielen eine immer größere Rolle: 2023 entfielen 42 Prozent der afrikanischen Auslandsschulden auf private, 35 Prozent auf multilaterale und 23 Prozent auf bilaterale Gläubiger. 

China ist der größte bilaterale Geldgeber des Kontinents. Auf die Volksrepublik entfielen 40 Prozent (62 Milliarden US-Dollar) der bilateralen Schulden Afrikas – ein deutlicher Anstieg gegenüber 2009, als der Anteil noch 11 Prozent (9,3 Milliarden US-Dollar) betrug. Im Jahr 2023 war fast die Hälfte der afrikanischen Länder bei China verschuldet. Von den Schulden, die bei chinesischen Privatgläubigern aufgenommen wurden, entfielen knapp zwei Drittel auf Angola. Der Rest verteilte sich auf Ägypten, Sambia, die Republik Kongo, Äthiopien, Guinea, Côte d’Ivoire, Ghana, Kamerun, Gabun, Tansania und Benin.

Die Kreditbedingungen unterscheiden sich je nach Geldgeber teilweise erheblich. Zwar bieten auch einige bilaterale Kredite vergünstigte Konditionen. In der Regel sind die Bedingungen jedoch weniger vorteilhaft als bei Krediten, die von multilateralen Institutionen vergeben werden. Private Kredite haben meist höhere Zinssätze und kürzere Laufzeiten. Dies ist hauptsächlich auf die sogenannte „Afrika-­Prämie“ zurückzuführen – ein Aufschlag, der die höheren Risiken widerspiegelt, die private Investoren mit Kreditvergaben an afrikanische Staaten verbinden. 

Globale Schocks wie die Corona-Pandemie haben die Schuldenkrise in Afrika zwar verschärft, da viele Regierungen verstärkt private Kredite aufnehmen mussten, um die Gesundheitssysteme und sozialen Sicherungsnetze zu stärken. Doch die Wurzeln der Schuldenkrise reichen weiter zurück: Bereits seit Anfang der 2010er Jahre wenden afrikanische Staaten einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen für den Schuldendienst bei privaten Gläubigern auf.


Eine komplexe Krise

Wegen der veränderten Schuldenstruktur kann Afrikas Schuldenkrise nicht mehr nur anhand traditioneller Indikatoren wie den Schwellenwerten für die Schuldentragfähigkeit von IWF und Weltbank oder der allgemeinen Wirtschaftsleistung bewertet werden. Stattdessen spielen die Kreditkonditionen privater Gläubiger, die effektive Nutzung der geliehenen Mittel und die nationalen Rahmenbedingungen eine immer wichtigere Rolle.

Durch die wachsende Präsenz bilateraler und privater Gläubiger auf dem afrikanischen Schuldenmarkt wird der eigentliche Zweck externer Kreditaufnahme immer mehr untergraben und die Einhaltung von Sorgfaltspflichten bei Finanzierungsvereinbarungen abgeschwächt. 

Infolgedessen werden auch Gelder für unproduktive Zwecke aufgenommen. So hat sich Sambia zwischen 2000 und 2017 große Summen von China geliehen, um den eigenen Staatsapparat zu finanzieren, anstatt in langfristige Entwicklungsprojekte zu investieren. In anderen Fällen wurden Gelder zweckentfremdet, die ursprünglich für Infrastrukturvorhaben vorgesehen waren. Dies führte zu sogenannten „Geisterprojekten“ – Projekte, die nur auf dem Papier existierten und bei denen die Rückzahlungslast auf die Steuerzahler abgewälzt wurde.

Außerdem wächst die Besorgnis über versteckte Schulden bei bestimmten privaten und bilateralen Kreditgebern – die tatsächliche Verschuldung mancher afrikanischer Länder könnte also weit höher ausfallen als bislang angenommen. Studien zeigen, dass viele afrikanische Länder es vorziehen, Kredite bei privaten und bilateralen Kreditgebern aufzunehmen, da diese meist nicht die gleichen strengen Sorgfalts- und Transparenzanforderungen stellen wie multilaterale Institutionen. 

Außerdem setzen viele afrikanische Länder bei der Aufnahme von chinesischen Krediten immer noch auf das sogenannte „Angola-Modell“, bei dem heutige Schulden für Infrastrukturprojekte durch künftige Rohstofflieferungen beglichen werden. Sollten aber die Rohstoffpreise einbrechen, könnten Länder, die diesen Ansatz verfolgen, in ähnliche Zahlungsschwierigkeiten geraten wie in der ­Schuldenkrise der 1980er Jahre. Auch sie wurde durch sinkende Einnahmen aus dem Rohstoffsektor ausgelöst – jedoch lagen damals die meisten Schulden bei multilateralen Gläubigern, die Erleichterungen und Schuldenerlasse gewährten.


Raus aus der Schuldenkrise 

Es gibt kein Patentrezept für Afrikas Schuldenkrise. Stattdessen braucht es eine Reihe von Maßnahmen, sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene.

Oberste Priorität hat die Förderung einer verantwortungsvollen Kreditaufnahme und -vergabe, um eine übermäßige Anhäufung von Schulden zu vermeiden. Ebenso entscheidend sind bessere Regierungsführung und mehr Transparenz, damit Kredite sinnvoll eingesetzt und nicht zweckentfremdet werden. Ein weiterer Ansatz liegt in der Förderung eines vielfältigen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums auf dem Kontinent. Denn: Eine breite wirtschaftliche Basis reduziert die Abhängigkeit von ausländischer Finanzierung und stärkt die Resilienz afrikanischer Volkswirtschaften gegenüber künftigen externen Schocks. 

Länder in Afrika müssen zudem in der Lage sein, eine Verschuldung von mindestens 50 bis 60 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung stemmen zu können. Dafür sind Kredite zu sehr niedrigen und vorteilhaften Zinssätzen erforderlich, was allerdings bedeutet, dass jemand die zusätzliche Risikoprämie ausgleichen muss. 

In vielen Fällen können öffentliche oder philanthropische Ressourcen zur Unterstützung von Kreditgarantien, Mischfinanzierungen, Regulierungsreformen und öffentlich-privaten Partnerschaften eingesetzt werden. Diese Maßnahmen senken die Risiken für private Investoren, erleichtern den Kapitalzugang für afrikanische Länder und fördern so das Wirtschaftswachstum.
Andere Sofortmaßnahmen zur Linderung der Schuldenlast umfassen sogenannte „Debt Swaps“ – also der (teilweise) Erlass bestehender Schulden, sofern im Gegenzug beispielsweise soziale oder ökologische Projekte umgesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Entlastung bietet die freiwillige Anpassung bestehender Schuldenverträge, etwa durch Zinssenkungen oder verlängerte Rückzahlungsfristen. Diese Maßnahmen erfordern jedoch eine sorgfältige Planung, um Anreize für ökonomisches Fehlverhalten zu verhindern und langfristige Vorteile zu gewährleisten.


Ein neuer globaler Finanzrahmen

Um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern und zugleich der Schuldenkrise in Afrika zu begegnen, müssen globale Partnerschaften überprüft und umgedacht werden. Ein neuer globaler Finanzrahmen sollte sich vor allem auf drei Punkte konzentrieren.

Erstens braucht es Reformen der internationalen Finanzinstitutionen. Afrikas Rolle muss hier gestärkt werden – sei es im Rahmen des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank. Außerdem gilt es, zinsgünstige Darlehen auszuweiten und die Kreditwürdigkeit von Staaten objektiver zu bewerten. Die von der Afrikanischen Union für Juni 2025 angekündigte Einrichtung einer Afrikanischen ­Ratingagentur (AfCRA) kann ein wichtiger Schritt hin zu fairen und transparenten Ratings sein, die die wirtschaftliche ­Realität präziser widerspiegeln. 

Zweitens sollte ein globaler Pakt für die Entwicklung Afrikas geschlossen werden, der darauf abzielt, Mittel für den Ausbau der Infrastruktur zu mobilisieren. Dies könnte durch eine Kombination aus Zuschüssen, zinsgünstigen Darlehen und privaten Investitionen erfolgen. Eine weitere Finanzierungsquelle sind sogenannte Diaspora-Anleihen – also Anlagemöglichkeiten für im Ausland lebende Afrikanerinnen und Afrikaner, die in Entwicklungsprojekte in ihrer Heimat investieren möchten. Bereits heute übersteigt die Summe der jährlichen Rücküberweisungen in afrikanische Länder mit über 50 Milliarden US-Dollar sowohl die öffentliche Entwicklungshilfe als auch die ausländischen Direktinvestitionen.

Drittens müssen internationale Partnerschaften die wirtschaftliche Diversifizierung Afrikas unterstützen, etwa durch Investitionen in wertschöpfende Industrien und Technologietransfer. Auch die vollständige Umsetzung regionaler Handelsabkommen wie der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (AfCFTA) ist entscheidend, um die Abhängigkeit des Kontinents von Rohstoffexporten zu ­verringern und die wirtschaftliche Stabilität zu stärken. 


Staatseinnahmen und Rechtsrahmen

Zudem ist eine verbesserte Mobilisierung inländischer Einnahmen notwendig, was vor allem durch nationale Steuerreformen und eine effektivere Korruptionsbekämpfung erreicht werden kann. Aber auch die Umsetzung einer gerechteren globalen Steuerstruktur, die den afrikanischen Ländern einen fairen Anteil an den Gewinnen sichert und die Steuervermeidung multinationaler Unternehmen eindämmt, wird zur Steigerung der Staatseinnahmen beitragen.

Vielleicht am wichtigsten ist, dass afrikanische Regierungen transparenter mit ihren Schulden umgehen und Informationen über ihre Kreditverträge offenlegen. Nur so kann verhindert werden, dass sich Schulden unbemerkt anhäufen.

Vielleicht am wichtigsten ist, dass afrikanische Regierungen transparenter mit ihren Schulden umgehen

Die Weltbank setzt sich bereits für Schuldentransparenz ein und empfiehlt die Offenlegung der Kreditvertragsbedingungen, der Zahlungspläne und des gesamten Staatsschuldenbestands, einschließlich der Verbindlichkeiten staatlicher Unternehmen. Sie schlägt auch vor, dass sich Kreditnehmer von übermäßigen Geheimhaltungsvereinbarungen befreien können und dass bei Staatskrediten Rohstoffe und andere Sicherheiten nur mit Bedacht eingesetzt werden.

Afrikanische Regierungen sollten zudem ihre nationalen Rechtsrahmen verbessern, um versteckte Schulden zu verhindern und die Aufnahme von undurchsichtigen Krediten, die durch Rohstoffe gesichert sind, zu stoppen. Dies würde auch das Vertrauen zwischen Kreditnehmern und -gebern stärken, da Gläubiger nicht länger befürchten müssten, dass andere ihr Geld zurückbekommen, während sie selbst Kredite verlängern oder umstrukturieren.


Gemeinsames Interesse

Die Schuldenkrise in Afrika hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Viele Länder kämpfen damit, ihre Schulden zurückzuzahlen. Um die wachsende Schuldenlast zu mindern, braucht es einen umfassenden Ansatz: Die Qualität der Regierungsführung muss verbessert werden; afrikanische Länder müssen angemessen in den internationalen Finanzinstitutionen vertreten sein; und Einnahmequellen sollten diversifiziert werden. Darüber hinaus sind Investitionen in Technologie, Kompetenzentwicklung und Infrastruktur sowie die Förderung der regionalen Integration Afrikas entscheidend. 

Innovative und nachhaltige Finanzierungsansätze wie Green Bonds – Anleihen, mit denen umweltfreundliche Projekte finanziert werden – können traditionelle Kapitalquellen ergänzen. Weitere alternative Formen der Finanzierung reichen von Crowdfunding, bei dem viele Einzelpersonen gemeinsam Kapital bereitstellen, bis zum Islamischen Finanzwesen, das auf den Prinzipien des islamischen Rechts basiert und unter anderem Zinsen verbietet. 

Letztlich liegt es im Interesse aller Geldgeber – multilateraler, öffentlicher und privater –, Afrika dabei zu unterstützen, langfristige finanzielle Stabilität und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ­erreichen.    


Aus dem Englischen von Bettina Vestring

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik Special 2, Mai 2025, S. 14-18

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Dr. Jakkie Cilliers ist Gründer und ehemaliger Geschäftsführer des Institute for Security Studies (ISS). Er leitet das ISS-Programm „African Futures and Innovation“ mit Sitz in Pretoria.

Dr. Marvellous Ngundu ist Research Consultant im Programm „African Futures and Innovation“ des Institute for Security Studies (ISS).

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