Südafrikas Schlingerkurs
Das einst stabile Verhältnis zwischen Washington und Pretoria ist belastet, Bidens Diplomatie droht zu scheitern. Unter Trump müsste Südafrika mit Ignoranz rechnen – zum eigenen Vorteil?
In den vergangenen 30 Jahren sind die guten Beziehungen zwischen den USA und Südafrika durch ihre unterschiedlichen Haltungen zu internationalen Angelegenheiten nicht ernsthaft beeinträchtigt worden. Zuletzt aber ist das bilaterale Verhältnis merklich abgekühlt. Grund dafür sind vor allem Pretorias Positionen zu den Kriegen in der Ukraine und in Gaza, die deutlich von den Standdpunkten Washingtons abweichen.
Südafrika betont zwar stets die Blockfreiheit und versichert, im Ukraine-Konflikt nicht an der Seite Russlands zu stehen. Solche Beteuerungen wurden in der jüngeren Vergangenheit jedoch wiederholt von gemeinsamen Militärübungen mit Russland und China, diversen hochrangigen Delegationsreisen nach Moskau und Berichten über Waffenlieferungen an den Kreml untergraben. Mit Blick auf den Gazakrieg hat sich Südafrika derweil entschieden auf die Seite der Palästinenser gestellt, unter anderem, indem es den amerikanischen Verbündeten Israel wegen Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof verklagte.
Die US-Präsidentschaftsentscheidung im November, aber auch die Parlamentswahlen in Südafrika Ende Mai könnten ein weiterer Stresstest für das derzeit angespannte Verhältnis beider Länder sein. Auch vor dem Hintergrund der G20-Präsidentschaft Südafrikas im kommenden Jahr lohnt daher ein Blick auf die Frage, was eine zweite Biden- oder Trump-Administration für Südafrika, einen der wichtigsten Vertreter des Globalen Südens, bedeuten würde.
Mehr vom Gleichen mit Joe Biden
Sollte Biden gewinnen, lassen sich eine dialogbasierte Politik und ein stabiler Ansatz der USA gegenüber dem Globalen Süden erwarten, der allerdings durch einen polarisierten US-Kongress erschwert wird; insbesondere, wenn die Republikaner ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus halten und auch eine Mehrheit im Senat erreichen können. Für die innen- und außenpolitischen Ziele Bidens wäre das Gift – und auch die Kritik aus den eigenen Reihen könnte weiter zunehmen: Schon heute wird der Präsident vom linken Flügel der Demokraten für seine ungebrochene Unterstützung Israels kritisiert.
Die aufkeimenden Beziehungen Südafrikas zu antiamerikanischen Regimen haben das Land auf den Radar des US-Kongresses gebracht. Dort kursiert derzeit ein Gesetzentwurf, der eine vollständige Überprüfung der Beziehungen zu Südafrika fordert. Viel hänge davon ab, wer die Wahlen am 29. Mai gewinnt, meint John Stremlau, Professor für internationale Beziehungen. Denn sollte die Regierungspartei ANC zu einer Koalition mit radikalen, populistischen Parteien gezwungen werden, wäre „ein US-Kongress unter Biden womöglich nicht abgeneigt, Südafrika aus dem African Growth and Opportunity Act (AGOA) auszuschließen“. Im Rahmen von AGOA gewähren die USA eine zollfreie Behandlung für Waren aus bestimmten afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Das Handelsprogramm läuft im September 2025 aus; bis dahin muss eine Entscheidung über einen möglichen Ausschluss Südafrikas getroffen werden. Dass es so weit kommt, hält Stremlau angesichts eines mehr und mehr dysfunktionalen Kongresses allerdings für unwahrscheinlich.
Südafrika könnte von den USA durch zuverlässigere Partner ersetzt werden
Diesen Standpunkt teilen jedoch bei Weitem nicht alle Beobachterinnen und Beobachter. So argumentiert Sara Gon vom South African Institute of Race Relations (SAIRR), dass Südafrika von den USA durch zuverlässigere Partner ersetzt werden könnte: „China ist zwar die einzige echte Obsession der Biden-Regierung und ihr ängstlicher Umgang mit dem Iran lässt darauf schließen, dass BRICS+ (eine erweiterte Vereinigung von Staaten überwiegend aus dem Globalen Süden) weitgehend in Ruhe gelassen wird. Bei Südafrika könne es aber anders sein, denn wir haben alles getan, um die USA zu verärgern.“ Vor diesem Hintergrund scheint es möglich, dass sich „die USA künftig direkt an andere afrikanische Länder wenden, die Washington stärker unterstützen oder in der Vergangenheit gezeigt haben, dass sie für westlichen Einfluss zugänglicher sind als Südafrika“.
Derzeit sieht es so aus, als würde Biden vor November keine Afrika-Reise mehr antreten. Damit würde Barack Obama der letzte US-Präsident bleiben, der in seiner Amtszeit den Kontinent bereist hat.
Trump 2.0, Südafrika und Afrika
Ob sich daran innerhalb einer zweiten Präsidentschaft Trumps etwas ändern würde, ist mehr als zweifelhaft. Für den Fall eines Trump-Sieges prognostizieren Expertinnen und Experten eine Rückkehr zu einer transaktionalen, neoisolationistischen „America First“-Ideologie, die Afrika weitgehend ignoriert oder gar zum Ziel von Häme und Beleidigungen macht.
Südafrika, Afrika und der gesamte Globale Süden sollten diesmal jedoch besser vorbereitet sein und wissen, was sie erwartet. „Die Ideen, die Trump während seiner ersten Amtszeit vertreten hat, werden immer präsent sein, nur noch stärker“, meint J. Brooks Spector, ein pensionierter US-Diplomat und Mitherausgeber der südafrikanischen Internetzeitung Daily Maverick.
Sollte es tatsächlich zu einer zweiten Amtszeit von Trump kommen, wird Afrika auf dessen Prioritätenliste sehr weit unten stehen. Die abschätzigen, ignoranten und beleidigenden Ansichten, die er während seiner ersten Amtszeit vertrat, dürften sich in den vergangenen vier Jahren nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Er hält Afrika offensichtlich für einen rückständigen Kontinent, der nur wenig zur Weltwirtschaft beiträgt. Vor diesem Hintergrund sind die afrikanischen Staaten für Trump nicht mehr als Spielfiguren im geopolitischen Schachspiel mit China, die er entweder als potenzielle Rohstofflieferanten oder als Brutstätten des Extremismus betrachtet.
Bob Wekesa, Vize-Direktor des African Centre for the Study of the United States an der Witwatersrand-Universität: „Während der Amtszeit von 2017 bis 2021 blieb Afrika nicht nur auf der Strecke. Trump sagte mit seiner ‚America First‘-Ideologie im Wesentlichen, dass Afrika für die USA überhaupt keine Rolle spiele, oder nur, wenn US-Interessen betroffen seien. Ich denke, dass ein Trump 2.0-Regime eines sein wird, das den Afrikanerinnen und Afrikanern zu verstehen gibt, dass sie mit den USA nicht viel zu tun haben.“
Eine erneute Trump-Präsidentschaft würde den amerikanischen Neoisolationismus wieder stärker betonen und die Wirtschaftspolitik protektionistischer ausrichten. Dies könnte sich tiefgreifend auf die Beziehungen zwischen den USA und Südafrika auswirken. Auch unter Trump ist ein Ausschluss Südafrikas aus dem AGOA möglich – „vorausgesetzt, der AGOA bleibt überhaupt über sein vorläufiges Enddatum 2025 hinaus bestehen und kann sich trotz protektionistischer Widerstände durchsetzen“, so Spector.
Befürworter eines AGOA-Ausschlusses betonen, dass Südafrika aufgrund seines gestiegenen ökonomischen Status die Zulassungsvoraussetzung nicht mehr erfüllt und dass die südafrikanische Regierung für ihre abweichende Haltung in internationalen Angelegenheiten und ihre immer engeren Beziehungen zu Russland, China und dem Iran abgestraft werden sollte. Zudem könnte auch die jahrzehntelange US-Finanzierung für die Bekämpfung von HIV/Aids gekürzt oder umverteilt werden.
Ist es wichtig, wer im Oval Office sitzt?
Südafrikas Wunsch, auf der internationalen Bühne eine wichtige Rolle zu spielen, etwa als Partner Russlands oder als lautstarker Kritiker des militärischen Vorgehens Israels in Gaza, steht im starken Kontrast zu der Ignoranz, mit der die südafrikanische Regierung ihre direkte Nachbarschaft behandelt. Konflikte wie die im Sudan, im Osten der Demokratischen Republik Kongo und im sogenannten Putschgürtel der Sahelzone werden weitestgehend ausgeblendet.
Ein solches Ungleichgewicht nährt Zweifel an den südafrikanischen Motiven, insbesondere, weil das Land gerne behauptet, sich international für die Menschenrechte einzusetzen. Laut dem ehemaligen US-Diplomaten Spector laufe Südafrika so Gefahr, „international zunehmend irrelevant zu werden – als Land mit echtem politischen Gewicht und als wertvoller Investitions- und Handelspartner für andere Staaten außer China“.
Trump hält Afrika für einen rückständigen Kontinent, der nur wenig zur Weltwirtschaft beiträgt
Die besondere Aura der „Regenbogennation“, die ein rassistisches Blutbad vermieden und einen friedlichen demokratischen Übergang ausgehandelt hat, ist verblasst. Vor diesem Hintergrund wird es immer schwieriger, der US-Regierung gegenüber zu rechtfertigen, warum sie die Beziehungen zu einem Land aufrechterhalten sollte, das eindeutig eine Politik verfolgt, die den Vorstellungen der USA zuwiderläuft.
Wer im Weißen Haus sitzt, ist dabei für Südafrika vielleicht gar nicht so wichtig. Terence Corrigan, Analyst beim SAIRR, sagt dazu: „Südafrika hat sich unter dem ANC und insbesondere unter der nominell ‚reformistischen‘ Regierung von Ramaphosa als Gegengewicht zu den USA positioniert. Seine Haltung zu China, Iran, Israel und der Ukraine macht Südafrika in gewisser Weise zu einem unangenehmen Partner. Leider spiegelt all das die schwindende Fähigkeit des südafrikanischen Staates wider, eine nuancierte Diplomatie zu betreiben, und steht symbolisch für seine Neigung, sich auf grobe, binäre Ideologie zu versteifen.“ Zwar werde eine zweite Biden-Regierung wohl eher dazu neigen, Südafrika zu umwerben, „aber am Ende wird das kaum einen Unterschied machen“, so Corrigan. „Die Beziehungen werden im Wesentlichen transaktionaler Natur sein.“
Aus dem Schatten heraustreten
Philani Mthembu, Direktor des Institute for Global Dialogue in Pretoria, sieht in einer möglichen Vernachlässigung Afrikas durch die USA ab 2025 jedoch auch eine Chance: „Europa und die USA werden mit ihren eigenen internen Herausforderungen und den anhaltenden Auswirkungen des Krieges in der Ukraine beschäftigt sein. Das eröffnet Südafrika und anderen Staaten die Möglichkeit, außerhalb des direkten Blickfelds der Großmächte an Einfluss zu gewinnen.“ Den afrikanischen Kontinent sollte das dazu veranlassen, sich auf den Aufbau seiner eigenen Kapazitäten zu konzentrieren, etwa durch den Ausbau regionaler Wertschöpfungsketten. Zudem gilt es, die Ziele des Rahmenabkommens über die Afrikanische Kontinentale Freihandelszone umzusetzen und so den Handel anzukurbeln.
Wekesa teilt diese Einschätzung: „Das könnte tatsächlich ein Silberstreif am Horizont sein: Wenn die USA sich nicht mehr so sehr auf Afrika konzentrieren, dann haben die Afrikanerinnen und Afrikaner die Möglichkeit, Beziehungen zu anderen Partnern aufzubauen, ohne eine direkte Reaktion der USA befürchten zu müssen. Dadurch wird es wiederum möglich, alternative Quellen des Handels, des politischen Engagements und der internationalen Beziehungen zu erschließen.“
Der Unterschied zwischen einer Biden- und einer Trump-Regierung könnte in Bezug auf Südafrika und den Globalen Süden schlussendlich weniger in der Sache liegen als im Tonfall.
Aus dem Englischen von Kai Schnier
Internationale Politik 3, Mai/Juni 2024, S. 52-55
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