Myanmar raus aus der ASEAN!
Die Mitgliedschaft des Landes schadet der Glaubwürdigkeit des Bündnisses
Die Militärdiktatur ist dem südostasiatischen Bündnis ein Klotz am Bein
Die Mitglieder der ASEAN sollten Myanmar auf dem nächsten Gipfel in Singapur ausschließen. Solange das Land in den höchsten Gremien der ASEAN vertreten ist, wird die Region, wenn sie humanitäre Menschenrechtsfragen in anderen Weltgegenden ansprechen will, unglaubwürdig sein.
Die Oktoberkrise in Myanmar zwingt die ASEAN, nicht mehr nur Erklärungen abzugeben, sondern zu handeln. Die 1997 getroffene Entscheidung, Myanmar unter der Militärregierung ohne Vorbedingungen aufzunehmen, war falsch. Das Land profitierte von der Organisation, doch die Militärjunta verpflichtete sich weder, die Wirtschaft zu öffnen, noch die schwache Demokratie wieder herzustellen. Im letzten Jahrzehnt war Myanmar der ASEAN schlicht und einfach ein Klotz am Bein.
Ende September begab sich die Organisation auf neue Wege: Die Außenministerversammlung drückte ihr Entsetzen darüber aus, dass die Regierung in Myanmar automatische Waffen gegen Demonstranten einsetzte, und forderte, die Gewalt sofort einzustellen. Sie drängte Myanmar, eine politische Lösung zu suchen und an einem friedlichen Übergang zur Demokratie zu arbeiten. Schließlich riefen sie zur Freilassung aller politischen Gefangenen auf, einschließlich Aung San Suu Kyi. Die Minister erkannten damit an, dass das Verhalten der myanmarischen Regierung inakzeptabel war. Jetzt sollte die ASEAN weiter gehen und Myanmar das Privileg der Mitgliedschaft entziehen.
Wenn die ASEAN-Mitglieder bei dem Treffen in Singapur ihre Charta unterzeichnen, sollten sie zugleich einen klaren Verhaltenskodex für alle Mitgliedsstaaten festlegen. Entscheidende Verordnungen der Charta fordern den Ausbau demokratischer Institutionen, Menschenrechte und Pflichten, Transparenz und Good Governance. Doch sie müssen sich überlegen, was passiert, wenn ein Mitglied diese Übereinkünfte offenkundig missachtet. Bisher haben ASEAN-Mitglieder ihre Kritik an den Entwicklungen in Myanmar nur bei privaten Treffen oder informellen Klausurtagungen geäußert. Seit ihrer Gründung vertrat die ASEAN die Position, entsprechend dem Prinzip der Nichteinmischung, dass jedes Mitglied das Recht hat, seine Regierungsgeschäfte ohne Einflussnahme, Gefährdung oder Zwang von außen zu führen. Dieses Prinzip trug dazu bei, dass sich in den ersten Jahren jedes ASEAN-Mitglied selbständig entwickeln konnte.
Im Gründungsjahr der ASEAN 1967 war es für alle teilnehmenden Staaten das wichtigste Anliegen, ihre postkoloniale Identität entfalten zu können. Die frühen Jahre der Organisation waren geprägt von der Anstrengung, Vertrauen zueinander aufzubauen.
Es galt, ein Bewusstsein für das regionale Umfeld zu schaffen, weil sich 1967 die politische Klasse noch eher an den alten Kolonialmächten als an ihren Nachbarn orientierte. Im Dezember 1978 erhielt der Integrationsprozess neuen Schwung durch die vietnamesische Invasion in Kambodscha. Die harte Antwort der ASEAN auf den Einmarsch und ihre Fähigkeit, eine internationale Koalition gegen Saigon zu schmieden, war ein Höhepunkt der Nichteinmischungspolitik. Zwar brachte diese Strategie eine Unterstützung der Terrorherrschaft der Roten Khmer mit sich, aber sie verschaffte der ASEAN international Anerkennung. Sie war damals die einzige regionale Organisation der Dritten Welt, die UN-Debatten beeinflusste und den Verhandlungsprozess mitbestimmte.
Heute haben sich die geopolitischen Gegebenheiten geändert. Das Ende des Kalten Krieges hat die Logik der Nichteinmischungspolitik untergraben. Im UN-Sicherheitsrat berufen sich Entscheidungsträger zunehmend auf die Dok-trien der humanitären Intervention – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Folgen von Kämpfen, Revolutionen und Bomben Stunde für Stunde auf den Fernsehbildschirmen zu sehen sind und im Internet verbreitet werden. 1988 wurde das Ausmaß des damals weit brutaleren Vorgehens des birmesischen Militärs erst mehrere Wochen später bekannt. Heute gehen die Bilder ohne Verzögerung über Handys und YouTube um die Welt.
Die Junta hat nicht nur dabei versagt, Myanmars Wirtschaft zu entwickeln, sie hat es auch nicht geschafft, gesellschaftlichen Zusammenhalt herzustellen oder einen politischen Übergang zur Demokratie einzuleiten. Die Verarmung des Landes ist für jeden Reisenden offensichtlich. Gleichzeitig spielt Myanmar auch keine tragende Rolle in der Organisation. Als der malaysische Premierminister Mahathir Mohamed 1997 die Aufnahme Myanmars in die ASEAN durchsetzte, dachte man, dass die Teilnahme in diesem Forum einen Lerneffekt haben würde, nämlich auf die Einsicht Myanmars im Austausch mit den anderen Staaten, dass eine Öffnung der Politik und eine Intensivierung ausländischer Investitionen es ermöglichen würden, seine Gesellschaft zu öffnen und sich besser in die Region zu integrieren. Diese Hoffnungen wurden schnell begraben. Als Vizepräsident der Singapur/Myanmar Arbeitsgruppe zu Wirtschaft bemerkte ich bereits 1988, dass wir nichts erreichten. Unsere Gastgeber waren mehr daran interessiert, mit uns Ausflüge zu Touristenorten zu machen, als sich ernsthaft über politische Themen auszutauschen.
Kann die ASEAN als zusammenwachsende Gemeinschaft, die auf Sicherheit, soziokulturellen Werten und Wirtschaft beruht, sich einen Mitgliedsstaat leisten, dessen Regierung sowohl regional als auch international in der Kritik steht, weil sie das Wohlergehen ihrer Bevölkerung nicht sicherstellen kann? Die alten Mitglieder der ASEAN werden sagen, dass Myanmar Teil der ASEAN ist und bleiben sollte. Gut – aber nur, wenn es bereit ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Wenn nicht, sollte der Gipfel entscheiden, es auszuschließen.
Internationale Politik 11, Oktober 2007, S. 30 - 35.
Teilen
Themen und Regionen
Artikel können Sie noch kostenlos lesen.
Die Internationale Politik steht für sorgfältig recherchierte, fundierte Analysen und Artikel. Wir freuen uns, dass Sie sich für unser Angebot interessieren. Drei Texte können Sie kostenlos lesen. Danach empfehlen wir Ihnen ein Abo der IP, im Print, per App und/oder Online, denn unabhängigen Qualitätsjournalismus kann es nicht umsonst geben.