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01. Juli 2016

Koscher-Connection

Nicht nur deutsche Großunternehmen, sondern auch Mittelständler können von Israels Innovationspotenzial im Hightech-Bereich profitieren. Die Anknüpfungspunkte liegen näher, als viele oft denken. So unterhalten auf lokaler Ebene Städte wie Köln und Berlin den direkten Draht zur Start-up-Hochburg Tel Aviv.

Mittelständische Unternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – als Stabilitätsfaktor und als Motor für Deutschlands ökonomische Entwicklung. Das Vertrauen der Deutschen gilt ihnen in weit höherem Maße als allen anderen Unternehmen in Deutschland. Es handelt sich oft um innovationsfreudige Betriebe, die Produkte und Dienstleistungen in höchster Qualität anbieten und genau dafür auf der ganzen Welt bekannt sind. Wenn aber diese Unternehmen so erfolgreich und innovativ sind, warum sollten sie sich anderswo auf die Suche nach Innovationen begeben? Dafür gibt es mehrere gute Gründe.

Zum einen steigt das Bedürfnis nach Innovation proportional mit dem Wettbewerbsdruck. Der Konkurrenzkampf auf der ganzen Welt wird immer schärfer und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in China, Indien, Südkorea und den Ländern Europas steigt von Jahr zu Jahr. Der Produktlebenszyklus wird zusehends kürzer; und Managementforscher sind sich einig, dass wir in einer Zeit der „Hyperkonkurrenz“ leben. Durch das Internet, das Betrieben und Kunden einen leichteren und schnelleren Zugang zu Informationen ermöglicht, werden diese Prozesse zusätzlich beschleunigt.

Zum anderen sind Wissen und eigene Erfahrungen bei der Bewältigung von Aufgaben nicht immer von Vorteil, sondern beschränken uns gleichzeitig auf unseren eigenen Erfahrungshorizont. Aus diesem Grund ist der Trend zu beobachten, dass Großkonzerne in aller Welt sich von einem Modell rein interner Forschung und Entwicklung (F&E) zugunsten eines Modells interner und externer F&E verabschieden. Dies geschieht hauptsächlich durch das Aussenden von Technologiescouts und das Errichten spezieller Unternehmenseinheiten, die Technologien von anderen Unternehmen ankaufen oder F&E-Zentren im Ausland gründen. Diese Strategie, von der Großkonzerne in aller Welt profitieren, bietet auch dem deutschen Mittelstand Chancen.

Der Prozess der Auslagerung von F&E und die Suche nach Partnerunternehmen sind mit großen Herausforderungen verbunden. Das heißt jedoch nicht, dass sich mittelständische Unternehmen nicht darauf einlassen sollten, sondern lediglich, dass sie sich entsprechend vorbereiten müssen, um die Herausforderungen zu meistern. Die mittelständischen Unternehmen sind von den Auswirkungen der Globalisierung – unter denen die Digitalisierung nur ein Aspekt unter zahlreichen anderen ist – ebenso betroffen wie nichtfamiliengeführte Großunternehmen. Kein Unternehmen kann seinen Wettbewerbsvorsprung ewig verteidigen. Daher ist Innovation notwendig.

Die Start-up-Nation schlechthin

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Israel als Start-up-Nation schlechthin für Unternehmen aus aller Welt große Chancen bietet. Nur vier Flugstunden von Deutschland entfernt, ballen sich 7000 Unternehmen im Hightech-Bereich, die mehr als 356 000 hervorragend ausgebildete Mitarbeiter beschäftigen. Der  Talentpool Israels ist sehr international und hauptsächlich technologiegetrieben. Außerdem ist die Auslagerung von F&E-Aktivitäten nach Israel sehr kosteneffizient, da der „Open Innovation“-Ansatz – also die Öffnung des Innovationsprozesses von Organisationen und damit die aktive strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des Innovationspotenzials – konsequent verfolgt wird und großzügige Steuervorteile für die Ansiedlung von F&E-Aktivitäten gewährt werden. Dies führt dazu, dass israelische Hightech-Unternehmen ihre eigenen F&E-Aktivitäten in Israel belassen, während andere Unternehmensfunktionen wie Sales und Marketing ins Ausland verlagert werden.

Im Jahr 2015 wurden im israelischen Hightech-Sektor Investorenerlöse (Exits) im Wert von 9,02 Milliarden Dollar durch Fusionen, Aufkäufe oder Börsengänge realisiert – 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Tatsächlich ist heute fast jeder internationale Großkonzern in Israel vertreten. Unter den amerikanischen, britischen, chinesischen, japanischen, aber auch deutschen Unternehmen, die in Israel ein F&E-Zentrum betreiben, befinden sich unter anderen auch die Deutsche Telekom, Bosch und SAP.

Können auch die mittelständischen Unternehmen diesem Trend folgen und von der Innovationskraft Israels profitieren? Kurz gesagt: ja. Für den Mittelstand eröffnen sich große Chancen durch die Kooperation mit israelischen Partnerunternehmen. Die Synergiepotenziale sind jedoch nicht für jedes Unternehmen gleich. Bei manchen branchenübergreifenden Megatrends wie Cybersicherheit und Data-Mining liegt das spezifische Alleinstellungsmerkmal Israels auf der Hand. Bei anderen ist eine passgenaue Zuordnung der Bedürfnisse zu den israelischen Innovationsangeboten notwendig. So ist Israel im Bereich Sensorik mit einer Vielzahl an Hightech-Unternehmen weltweit führend, die im Bereich Industrie 4.0 dem deutschen Mittelstand im Maschinenbau, aber auch in der Landwirtschaft oder der Logistik F&E-Potenziale eröffnen können.

Schöpfen aus israelischer Innovationskraft

Mögliche Strategien, den israelischen Markt zu erschließen, sind dabei die Auslagerung der F&E, Kooperationen mit Partnerunternehmen oder auch der Erwerb eines israelischen Start-ups. Die Einrichtung von Acceleratoren, Inkubatoren und Tech-Scouts wird hierfür eine immer wichtigere Rolle spielen.

Eine Reihe staatlicher und privater Institutionen sowie Kooperationsprogramme steht bereit, um für interessierte Unternehmen beratend tätig zu werden. Neben den deutschen Industrie- und Handelskammern ist die binationale Deutsch-Israelische Industrie- und Handelskammer (AHK Israel) eine Ansprechpartnerin, die für deutsche Mittelständler Kontakte zu israelischen Hightech-Firmen herstellen kann. Zudem lohnt sich der Blick auf europäische Rahmenprogramme für Forschung und Entwicklung wie Eureka oder Galileo. Einen guten ersten Überblick zu Kooperationsmöglichkeiten im Hightech-Bereich, aufgeschlüsselt nach Sektoren, bietet auch die Datenbank des israelischen Entwicklungszentrums Matimop.

Als direkter Einstieg bieten sich eine Vielzahl an Start-up-Konferenzen und Fachmessen an. Auch auf lokaler Ebene wird durch Kooperationen zwischen verschiedenen deutschen Städten wie Köln und Berlin mit der Start-up-Hochburg Tel Aviv der israelische Start-up-Markt für deutsche Unternehmen erschlossen. Zu den regulatorischen Anforderungen sowie relevanten gesetzlichen Bestimmungen kann die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) in Köln umfassend Auskunft erteilen.
Kurzum: Israels hervorragendes Hightech-Ökosystem und die kulturelle, geografische und wirtschaftliche Nähe zu Deutschland bieten Chancen, die einer näheren Betrachtung wert sind.

Der Artikel basiert auf einer in Arbeit befindlichen Studie der Bertelsmann Stiftung zur Innovationslandschaft Israels. Sie wird im Oktober 2016 erscheinen und praxisnah angelegt sein, um interessierten mittelständischen Unternehmen den Zugang zur israelischen Innovations- und Start-up-Landschaft zu erleichtern. Ansprechpartner: Stephan Vopel und Markus Gick.

Zur Wertschätzung deutscher mittelständischer Unternehmen siehe auch: Bertelsmann Stiftung (Hg.): Trau, schau, wem! Unternehmen in Deutschland, 2016,  abrufbar unter: http://www.bertelsmann-stiftung.de//de/publikationen/publikation/did/trau-schau-wem-unternehmen-in-deutschland/

Bibliografische Angaben

IP Länderporträt 2, Juli - Oktober 2016, S. 21-23

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