IP Special

28. Okt. 2024

Im Auftrag der Zukunft

Was tun, wenn man in einem Land aufwächst, das besonders stark vom Klimawandel bedroht ist? Welche Wege gibt es, sich als Kind oder Jugendliche in der Politik Gehör zu verschaffen? Und wie könnte eine „klimakompetente“ und widerstandsfähige Gesellschaft aus­sehen – beginnend bei den Kleinsten?

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Bild:  Junge Menschen auf einer Klimakonferenz
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Alles anders als sprachlos - Francisco Vera Manzanares
Doppelstunde Klimakunde - Temilade Salami
Ein Geburtstag, ein Baum - Oumou Hawa Diallo
Von Fidschi nach den Haag - Vishal Prasad


Alles andere als sprachlos

Zu jung, zu uninformiert, zu unkritisch: Allzu oft wird Kindern mit 
fadenscheinigen Begründungen das Recht auf Teilhabe in der Klimapolitik abgesprochen. Höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel.

Von Francisco Vera Manzanares, Kolumbien 

Ich war neun Jahre alt, als das Amazonasgebiet 2019 von verheerenden Waldbränden heimgesucht wurde. Auch Wälder in meinem Heimatland Kolumbien waren stark betroffen. Zu den Ursachen gehörten neben dem Klimawandel auch Brandrodungen. 

So konnte es nicht weitergehen, dachte ich mir. Inspiriert von der Leidenschaft anderer Aktivistinnen und Aktivisten, die damals begannen, sich für den Klimaschutz einzusetzen, beschloss ich, sechs Schulfreunde anzurufen. Ich lud sie ein, sich mit mir vor dem Rathaus unserer Stadt Villeta zu treffen, um dort auf das Versagen der Behörden aufmerksam zu machen und für einen konstruktiven Umgang mit der Klimakrise und dem Verlust der Biodiversität zu werben. 

Wie sich später herausstellen sollte, war dieses informelle Treffen vor dem Rathaus die erste Aktion der „Guardians for Life“, einer Aktivistengruppe, die sich bis heute nicht nur hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl enorm entwickelt hat. Unsere Organisation ist längst nicht mehr nur in Villeta aktiv, sondern auch in anderen Städten Kolumbiens und an Standorten auf der ganzen Welt.

In den fünf Jahren seit unserer Gründung haben wir Bäume gepfnzt, Flüsse gereinigt und konkrete Klimaschutzstrategien entworfen. Als erstes Kind habe ich 2019 vor dem kolumbianischen Parlament gesprochen und eine klare Forderung an die Abgeordneten gerichtet: Es braucht mehr Gesetze, die das Leben schützen.

Seitdem engagiere ich mich auf nationaler und internationaler Ebene für die politischen Rechte von Kindern. Auch heute noch werden Kinder vielerorts nicht als Bürgerinnen und Bürger anerkannt, also als Menschen mit eigener Stimme und Handlungsfähigkeit. 

Immer wieder werden die Rechte von Kindern systematisch ausgeblendet oder verletzt – und das nicht nur aufgrund von materiellen Rahmenbedingungen wie Kriegen, Hungersnöten oder sozioökonomischen Ungleichheiten, sondern auch aufgrund von kulturellen Einflüssen. Oft liegt es Entscheiderinnen und Entscheidern schlicht fern, Kinder an zukunftsweisenden Entscheidungen zu beteiligen. Kinder seien nicht reif genug, um einen echten Beitrag zur politischen Debatte zu leisten, heißt es dann häufig.

Vielleicht denken Sie das auch. Ich kann Ihnen und allen anderen Leserinnen und Lesern jedoch versichern: Kinder haben die Fähigkeit, kritisch zu denken, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen und entscheidende Beiträge zu wegweisenden Diskussionen zu leisten. 

Erinnern Sie sich für einen Moment an Ihre eigene Kindheit: Gewiss hatten Sie als Kind einen Traum, für den Sie gekämpft haben. Stellen Sie sich nun vor, dass Ihre Eltern diesen Traum mit aller Macht unterdrücken wollten und Ihnen versicherten, dass Sie ihn „nie erreichen“ und dass Sie „scheitern“ würden. Und jetzt malen Sie sich aus, dass Sie Ihren Traum tatsächlich nie erreicht hätten. Das Verhalten Ihrer Familie hätte – neben vielen anderen Faktoren – sicherlich einen großen Anteil am Scheitern dieses Traumes gehabt. 


Modus Operandi: Unterdrückung

Ich sage das, um zu verdeutlichen, dass Kinder auf diese Art und Weise täglich unterdrückt werden und dass die Sprache, mit der man ihnen begegnet, eine ungeheure Macht ausübt.

Dies zeigt sich im Spanischen auch in der Herkunft des Wortes „Kindheit“ selbst, das auf das lateinische Wort „infans“ zurückgeht, was so viel bedeutet wie „unfähig zu reden“ oder „sprachlos“. Ein Symbol dafür, wie Gesellschaften versuchen, Kinder zu Dummköpfen zu degradieren und Paradigmen zu pflegen, die Kindern eine bestimmte Rolle zuweisen: Kinder seien angeblich nicht in der Lage, bestimmte Aufgaben zu erfüllen und sich zu „Erwachsenenthemen“ zu äußern. Gleichzeitig haben sie aber eine ganze ­Reihe von Pflichten, etwa die Schulpflicht.

Dieser Modus Operandi ist nicht neu. Er wurde bereits auf Frauen angewandt, die von der Gesellschaft bis vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls breitflächig ausgeschlossen wurden. Die Gründe für die Unterdrückung „anderer“ Stimmen sind vielschichtig, aber doch alle sehr ähnlich. Je nach Kontext können sie mit einer ganzen Reihe von Begriffen umschrieben werden: Patriarchat, „Recht des Stärkeren“, Machismo, Anthropozentrismus, „Erwachsenenzentrismus“ und viele mehr. 

Da ich selbst als junger Mensch täglich mit diesem Paradigma der Unterdrückung konfrontiert bin, habe ich mich der Veränderung des Status quo verschrieben. Dazu gehörten in der Vergangenheit bereits direkte Interventionen bei Verhandlungen auf internationalen Klimakonferenzen, etwa beim Weltklimagipfel 2022 in Ägypten oder dieses Jahr beim ersten Expertendialog des ständigen Nebenorgans für die Umsetzung der Klimarahmenkonvention in Bonn.

Auch die juristische Dimension spielt für mich eine entscheidende Rolle: Als erstes Kind habe ich vor dem kolumbianischen Verfassungsgericht sowie vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für ­Menschenrechte gesprochen und mich dort zu den Themen Klimawandel und Menschenrechte geäußert.


„Ecohope“ als Motivation

Die „Guardians for Life“ haben auch die sogenannte „Declaration of Ecohope“ veröffentlicht: ein Manifest, das mittlerweile von Tausenden von Kindern unterzeichnet wurde und das konkrete Vorschläge enthält, die wir bereits in mehr als zwölf Ländern vorgestellt und auch beim Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte sowie beim damaligen Hohen Vertreter der EU für Außenpolitik, Josep Borrell, eingereicht haben. 

So wollen wir auf institutioneller Ebene mehr Anerkennung für die organisatorischen Fähigkeiten von Kindern erreichen und mehr Räume für Dialog schaffen, die wiederum zu einem besseren Leben und mehr Gleichberechtigung für Kinder beitragen können. Es geht uns dabei vor allem um Frieden, Klimaschutz und intergenerationelle Gerechtigkeit.

Obwohl ich die Aufgabe, die ich derzeit wahrnehme, mit einem konstruktiven Geist und voller Hoffnung auf eine bessere und ökologischere Zukunft bestreite, bin ich seit meinem elften Lebensjahr – genau wie viele andere Verteidigerinnen und Verteidiger der Menschenrechte – auch immer wieder zum Ziel von Anfeindungen und Drohungen geworden, die schlussendlich dazu geführt haben, dass ich meine Heimat verlassen musste. Trotzdem arbeite ich aus der Ferne weiter und verliere die Hoffnung auf eine bessere Umwelt nicht. Sie ist meine Motivation. 

Aus dem Englischen von Kai Schnier


Doppelstunde Klimakunde

Voraussetzung für die effektive Bekämpfung der Klimakrise ist das Wissen um ihre Ursachen und Folgen. „EcoChampions“ will dazu beitragen, eine klimakompetente Generation in Afrika auszubilden.

Von Temilade Salami, Nigeria

Während meines Studiums der Meeresbiologie an der University of Lagos erfuhr ich in Küstengemeinden aus erster Hand, welche verheerenden Folgen das Missmanagement bei der Abfallentsorgung hat. Daraufhin mobilisierte ich 2017 über 100 junge Menschen für die erste Aufräumaktion an der Küste von Lagos. 

Diese überwältigende Resonanz markierte den Beginn von „EcoChampions“. Heute ist EcoChampions eine führende Umweltorganisation, die bereits mehr als ​
20 000 Kinder und Jugendliche in Afrika erreicht hat. Unsere Schwerpunkte sind die Entwicklung von Führungsqualitäten junger Menschen, die Meereserhaltung und der richtige Umgang mit Plastikabfällen. All diese Aktivitäten gehören zum weiten Feld der Klimabildung.

Die Bedeutung von Bildung im Kampf gegen den Klimawandel kann nicht hoch genug eingeschätzt werden: Sie ist zugleich Treiber für Innovation, Resilienz und die Teilhabe junger Menschen – aber auch ganzer Gesellschaften.

So befähigt Bildung Menschen, das Ausmaß der Klimakrise zu verstehen und deren Ursachen wirksam zu bekämpfen. Sie fördert kritisches Denken und Problemlösungskompetenzen, die vor allem für junge Menschen unerlässlich sind, um innovative und klima­freundliche Ansätze zu entwickeln. 

Im Bereich der Anpassung an Klimafolgen ermöglicht Bildung den Aufbau von kollektiver Resilienz, also die Vorbereitung, Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der eigenen Lebensgrundlagen. So kann beispielsweise ein Bauer, der sich mit dürreresistenten Pflanzen auskennt, seine Anbaumethoden an ein sich veränderndes Klima anpassen und damit seine Ernteerträge langfristig steigern.

Letztlich besteht die Rolle von Bildung darin, ein gesellschaftliches Bewusstsein für Umwelt- und Klimathemen zu fördern. Wenn es gelingt, eine „klimakompetente“ Generation auszubilden, lässt sich der Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft beschleunigen. 


Wie klimaresiliente Bildung aussieht

Um Bildung klimaresilienter zu machen, muss jeder Winkel des Bildungssystems betrachtet werden. Dazu bedarf es einer ganzheitlichen Strategie, die bei der Gestaltung der Lehrpläne beginnt: Klimawissenschaften, Umweltwissenschaften und Nachhaltigkeitskurse sollten in Klassenräumen von der Grundschule bis zur Universität auf dem Programm stehen.

Klimabildung lässt sich am besten mithilfe eines fächerübergreifenden Ansatzes umsetzen, bei dem der Klimawandel nicht nur in naturwissenschaftlichen ­Fächern, sondern auch in Geschichte oder Sozialwissenschaften thematisiert wird. Darüber hinaus sollten Lehrpläne auf re­gionale Klimaeinflüsse und entsprechende Klimaschutzmaßnahmen zugeschnitten werden.

Steigende Temperaturen bedrohen nicht nur die Umwelt, sondern können auch die Lernumgebung von Millionen von Kindern buchstäblich auf den Kopf stellen. Es braucht daher Schulgebäude, die extremen Wetter­ereignissen standhalten und darüber hinaus noch möglichst energieeffizient sind. Innovationen wie „Freiluftklassenzimmer“ können Lernumgebungen außerhalb des Schulgebäudes schaffen, die es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, Erfahrungen mit der Natur zu machen und so ein stärkeres Umweltbewusstsein zu entwickeln. 

Ein weiterer wichtiger Ansatz, um den Klimaschutz auf lokaler Ebene effektiv zu stärken, ist die Fortbildung von Lehrkräften. Ihre zentrale Rolle wird in Diskussionen über den Klimawandel häufig unterschätzt. Dabei verbringen die meisten Menschen ihre prägenden Jahre in Klassenzimmern – mit Lehrerinnen und Lehrern, die ihnen Werte vermitteln. Lehrkräfte und anderes pädagogisches Personal müssen also mit den Fähigkeiten ausgerüstet werden, die notwendig sind, um qualitativ hochwertigen Unterricht über den Klimawandel zu geben. Durch innovative Lehrmethoden wie projektbasiertes Lernen oder Erlebnispädagogik kann Klimaunterricht kreativ gestaltet werden und sich bei Kindern langfristig als positive Erfahrung einprägen.

Bildung findet aber nicht nur im Klassenzimmer statt. Sie umfasst auch die Zusammenarbeit mit Kommunen sowie gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen vor Ort. Ziel der Klimabildung ist es dabei, Wissen und Informationen bereitzustellen, um lokale und regionale Akteure zum Handeln zu bewegen. 

Bildung hat insofern eine formelle und eine informelle Seite: einerseits das Lernen im Klassenzimmer, andererseits das Engagement in lokalen Initiativen. 


Zum „EcoChampion“ werden

Afrikas besondere Verwundbarkeit gegenüber Klimafolgen – man denke an die häufigen Überschwemmungen und Dürren sowie Wissenslücken in der Bevölkerung – unterstreicht die Dringlichkeit der Mission von EcoChampions.

In den vergangenen sechs Jahren hat EcoChampions mit verschiedenen Leuchtturmprojekten bereits große Fortschritte bei der Ausbildung einer klimabewussten Generation in Afrika gemacht. Zwei Beispiele: Das „Climate Education Leaders Fellowship“ hat 150 jungen Afrikanerinnen und Afrikanern das Wissen und die Fähigkeiten vermittelt, um den Klimaschutz in ihrem direkten Umfeld voranzutreiben – und damit einen wichtigen Multiplikatoreffekt erzielt. Die Initiative „Climate 
Change in the Classroom“ hat mehr als 3000 Kindern ein stärkeres Umweltbewusstsein vermittelt und sie dazu befähigt, selbst „EcoChampions“ zu werden. 

Unsere Arbeit beschränkt sich nicht nur auf die lokale Ebene, sondern umfasst insgesamt 26 afrikanische Länder, in denen wir uns durch Interessenvertretung und kreatives Storytelling für den globalen Klimaschutz einsetzen. Wir sind regelmäßig bei wichtigen Klimaveranstaltungen auf der ganzen Welt vertreten und haben dazu beigetragen, dass das Thema Klimabildung auf den jährlichen Weltklimakonferenzen (COPs) präsent ist.


Herausforderungen und Hürden

Eine zentrale Herausforderung für viele unserer Programme ist der Zugriff auf Geldmittel. Ohne Zugang zu Klimafinanzierung ist es für junge Klimaakteure wie mich unmöglich, ambitionierte Klimaschutzprojekte umzusetzen und zu skalieren, denn wir sind auf die Fähigkeiten unserer Freiwilligen, Teammitglieder und Experten angewiesen.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass junge Menschen oft keinen Zugang zu den Räumen haben, in denen Angelegenheiten diskutiert und Entscheidungen getroffen werden, die sie betreffen. Auch wir als Organisation fühlen uns häufig von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen, die direkte Auswirkungen auf uns haben. Uns zuzuhören kann helfen, Klimaschutzmaßnahmen effektiv zu gestalten und umzusetzen sowie Regierungen zur Verantwortung zu ziehen. 

Um die strukturellen Barrieren einzureißen, die derzeit ein noch wirkungsvolleres Jugendengagement verhindern, ist ein tiefgreifender systemischer Wandel dringend erforderlich. Damit dieser Wandel stattfinden kann, ist es entscheidend, dass junge Menschen wie wir – ob junge Aktivisten, Forscherinnen, Innovatoren, Unternehmerinnen, Politiker, Journalistinnen oder „einfache“ Bürger – gleichberechtigt mit anderen Entwicklungs­partnern am Tisch sitzen.

Ein weit verbreitetes Problem sind zudem veraltete Lehrpläne. Unsere Bildungssysteme werden der Dringlichkeit des Themas nicht gerecht und finden derzeit keine angemessene Antwort auf die Klimakrise. Wenn wir in Schulen über den Klimawandel sprechen, stellen wir fest, dass die Kinder wenig oder gar nichts darüber wissen. Durch Investitionen in Klimabildung, die Bereitstellung der richtigen Ressourcen und die Zusammenarbeit mit jungen Klimaaktivisten können Lehrpläne so überarbeitet werden, dass sie den Anforderungen an die Arbeitskräfte von morgen gerecht werden. Der beste Weg, um sicherzustellen, dass alle Kinder auf die Klimakrise vorbereitet sind, besteht darin, Umweltbildung in Schulen einzubetten, Lehrer weiterzubilden und Synergien zu schaffen. Unser Klima ändert sich – dasselbe sollte für unsere Bildungssysteme gelten.


COP 29 und Klimabildung

Bei der diesjährigen Weltklimakonferenz werden Klimafinanzierung und die neuen nationalen Klimabeiträge (NDCs) im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen. 

Doch auch Klimabildung sollte als wesentlicher Bestandteil des Klimaschutzes mehr Aufmerksamkeit erhalten und in den Gipfelbeschlüssen stärker betont werden. Ganz konkret muss darüber diskutiert werden, Klimabildung in die nationalen Klimapläne wie die NDCs und andere wichtige Maßnahmen zu integrieren. Klimabildung ist nicht einfach nur ein Kästchen zum Abhaken, sondern eine entscheidende Triebfeder für Veränderungen.

Darüber hinaus sollte es mehr Diskussionen zwischen Staaten darüber geben, wie effektive Lehrpläne für Klimabildung sowie Möglichkeiten zur Weitergabe von Wissen und bewährten Praktiken entwickelt werden können. Dies erfordert auch die Einbindung von Lehrkräften in die verschiedenen Gipfelformate.

Insgesamt sollte die COP 29 jungen Menschen eine Plattform bieten, um sich für Klimabildung stark zu machen, und Möglichkeiten schaffen, Klimabildungsprojekte auszubauen. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Bereitstellung von Ressourcen und innovative Finanzierungsmodelle. 

Ein Erfolg wäre dieser Gipfel, wenn engagierte Staaten die derzeit noch ausgesprochen vagen Indikatoren für den Erfolg von Klimabildung schärfen. Es müssen präzise Indikatoren eingeführt werden, um die Effektivität von Klimabildungsprogrammen in den verschiedenen Vertragsstaaten besser und transparenter messen zu können. In einem Satz zusammengefasst: Klimabildung sollte zu den Prioritäten des Gastgeberlands, zu den Ergebnissen aller gemeinsamen Beschlüsse und zur gesamten globalen Klimaagenda zählen. 

Aus dem Englischen von Matthias Hempert


Ein Geburtstag, ein Baum

Guinea gehört zu den Ländern, in denen Kinder am stärksten vom 
Klimawandel bedroht sind. Wenn weder Gott noch Gipfeltreffen helfen,
bleibt nur die Stimme der Jugend, um für eine Zukunft zu kämpfen.

Von Oumou Hawa Diallo, Guinea

Ich habe den Klimawandel nicht aus der Ferne beobachtet, sondern seine Auswirkungen selbst erlebt. Meine Liebe zur Umwelt begann dank meiner Eltern schon in der Kindheit. Ich wuchs in Conakry, der Hauptstadt Guineas, auf. Unser Haus war voller Pflanzen und umgeben von einem Gemüsegarten, um den wir uns täglich kümmerten. Die Pflanzen waren wie ein Teil unserer Familie. 

In den Schulferien fuhren wir immer zu meinen Großeltern nach Mamou, einer Kleinstadt in meiner Heimatregion ­Moyenne Guinée. Früher waren unsere Koffer voll mit Pullovern, da es dort im Winter extrem kalt wurde. Mit der Zeit aber wurde die dicke Kleidung überflüssig: Das Klima veränderte sich. Regenfälle blieben entweder ganz aus oder waren so stark, dass es Sturzfluten gab. Die einst kühlen Temperaturen stiegen rasant, was nicht nur die Landwirtschaft beeinflusste. Auch die Menschen vor Ort litten immer mehr unter hitzebedingten Krankheiten und der Verbreitung von Stechmücken.

Ich hörte, wie die Erwachsenen das Ausbleiben der Ernte beklagten – sie war durch verspäteten Regen oder verheerende Tornados verdorben. Die Sorge war ihnen ins Gesicht geschrieben, und so fing ich an, mir Fragen zu stellen: Warum ist es nicht mehr so kalt wie früher? Wodurch entsteht diese Veränderung? Wie können wir die Zeit zurückdrehen?


Kein göttlicher Wandel

Ich begann, nach Antworten auf meine Fragen zu suchen und erkundigte mich bei den Menschen um mich herum. Die meisten schrieben das Phänomen dem Übernatürlichen zu und antworteten: „Die Menschen haben zu viel gesündigt und Gott bestraft uns.“ Oder: „Das liegt nicht in der Hand der Menschen, Gott entscheidet und tut, was er will.“

Diese Antworten stellten mich jedoch nicht zufrieden. Im Jahr 2017 – ich studierte mittlerweile im ersten Jahr an der Universität – stieß ich im Internet zum ersten Mal auf das Wort „Klimawandel“. Ich begann zu verstehen, dass die Veränderungen, die wir beobachten und unter denen wir leiden, von Menschen verursacht wurden. Ab diesem Moment empfand ich es als Pflicht, mich für den Erhalt der Umwelt einzusetzen.

Mein Aktivismus begann in den sozialen Netzwerken, wo ich junge Menschen kennenlernte, die sich in ihrem Umfeld engagierten. Ende 2018 gründeten wir gemeinsam die NGO „Agir Contre le Réchauffement Climatique“ (ACOREC), was so viel bedeutet wie „Handeln gegen die globale Erwärmung“.

 Wir wollten nicht nur irgendeine weitere NGO sein, sondern eine, die etwas verändert. Deshalb riefen wir die Initiative „Ein Geburtstag, ein Baum“ ins Leben, die Menschen dazu einlädt, an ihrem Geburtstag mindestens einen Baum zu pflanzen. In Guinea und anderen Ländern, die unserem Beispiel folgten, konnten wir allein durch diese Aktion bislang über 10 000 Bäume pflanzen. 

Anschließend starteten wir Initiativen für mehr Umweltbewusstsein, zum Beispiel durch Bildungsvorträge wie den „Students and Climate Caravan“, mit dem wir rund 15 000 Erwachsene, Jugendliche und Kinder erreichten. Mit unseren Aktionen konnten wir das Bewusstsein für die Bedeutung von Umweltschutz erweitern, da wir Menschen von klein auf für den Erhalt unseres Gemeinwohls begeisterten. 

Der Kampf gegen den Klimawandel in meiner Heimat ist nicht einfach. Die He­rausforderungen sind vielfältig: mangelndes Bewusstsein für den Klimawandel, massive Abholzung der Wälder, Bergbau, anarchische Urbanisierung und fehlender politischer Wille. Aber all diese Probleme bestärken mich nur darin, mein Ziel zu erreichen: gemeinsam eine Welt zu schaffen, in der alle ein gutes Leben haben, vor allem diejenigen, die vom Klimawandel am meisten betroffen sind – Kinder, Jugend­liche und Frauen. 


Das Recht zur Teilhabe

Ich möchte Kindern die Liebe zum Umweltschutz vermitteln und sie zu Klimabotschafterinnen und -botschaftern machen. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass junge Menschen auf der Weltklimakonferenz (COP) und anderen klimabezogenen Konferenzen vertreten sind, denn schließlich erleben wir die Auswirkungen des Klimawandels am eigenen Leib. Unsere Stimmen müssen daher gehört werden!

Doch wir sollten nicht nur als Leidtragende der Klimakrise stärker im Fokus der Klimadiskussionen stehen, sondern auch als Akteure, die in der Lage sind, innovative Lösungen zu finden und positive Veränderungen in unseren Gemeinschaften umzusetzen.

Seit 2021 bin ich Mitglied der Plattform „Jeunes Voix du Sahel“ (Junge Stimmen aus der Sahelzone), die rund 100 junge Klimaaktivisten und -aktivistinnen aus der Sahelzone zusammenbringt. Vergangenes Jahr – am 5. Juni 2023, dem Welt­umwelttag – wurde ich zur UNICEF-­Jugendbeauftragten für Klima und Umwelt in Guinea ernannt. Diese Rollen ermög­lichen es mir, in nationalen und internationalen Gremien meine Stimme für Kinder und Jugendliche zu erheben. Denn jedes Kind hat das Recht, in einer gesunden Umwelt aufzuwachsen und von hochwertiger Bildung zu profitieren, die es auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet und gleichzeitig Umweltbewusstsein vermittelt. Die Zukunft unseres Planeten hängt davon ab, ob es jungen Menschen gelingt, sich einzubringen und von Politikerinnen und Politikern ernst genommen zu werden.


Es braucht eine historische COP

Diejenigen, die am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden, haben am wenigsten zu dessen Entstehung beigetragen. Obwohl Afrika nur etwa 
4 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ausstößt, ist es der am stärksten betroffene Kontinent. 

Diese Klimaungerechtigkeit muss aufhören. Wir brauchen konkrete Mittel zur Anpassung und nachhaltigen Entwicklung unseres Kontinents. Gleichzeitig muss der Westen seine Bemühungen zur Emissionsminderung verstärken.

Die COP 29 in Aserbaidschan steht vor der Tür, und ich hoffe, dass dieses Treffen nicht nur eine jährliche formelle Zusammenkunft sein wird, bei der die Emissionen durch unnötige Reisen in umweltschädlichen Flugzeugen noch weiter steigen. Ich hoffe, dass auf dieser Weltklimakonferenz historische Beschlüsse verabschiedet und konkrete Maßnahmen zu deren Umsetzung ergriffen werden.

Wir müssen den künftigen Generationen ein gesundes, gerechtes und nachhaltiges Erbe hinterlassen. Lasst uns handeln! 

Aus dem Englischen von Hannah Lettl


Von Fidschi nach Den Haag

2025 wird der Internationale Gerichtshof erstmals ein Gutachten zur Klimagerechtigkeit veröffentlichen. Ein historischer Schritt – und das Ergebnis des Engagements junger Menschen aus dem Pazifikraum.

Von Vishal Prasad, Fidschi

Als junge Menschen im Globalen Süden erleben wir die Klimakrise täglich. Früher waren Hurrikane und Superstürme in meinem Heimatland Fidschi und im Pazifikraum selten. Heutzutage werden sie immer häufiger und intensiver. Der Anstieg des Meeresspiegels zwingt ganze Bevölkerungen zur Umsiedlung, bei der sie sowohl die Gräber ihrer Vorfahren als auch ihre Lebensweise hinter sich lassen müssen. Die sich verändernden Jahreszeiten erschweren immer mehr die Landwirtschaft und verschärfen bestehende sozioökonomische Herausforderungen und fragile ­Lebensumstände. 

Es ist nur schwer zu ertragen, dass einige wohlhabende Nationen weiterhin auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe setzen – trotz eindeutiger wissenschaftlicher Beweise, die zeigen, dass CO2-Emissionen den Klimawandel beschleunigen. Von ­ihnen kommen nur leere Versprechungen mit Blick auf die dringende Notwendigkeit einer gerechten Transformation.

Die Jugend hat kaum zur Klimakrise beigetragen, doch es ist unsere Zukunft, die gefährdet ist. Wir haben nicht das Privileg abzuwarten und zu schauen, „was wohl geschehen wird“. Unsere Gegenwart und Zukunft werden von einer Welt bestimmt, deren Handeln nicht dem Ausmaß des Problems entspricht, vor dem wir stehen. 

Jedes Jahr kommen die Staatsoberhäupter der Welt bei Klimagipfeln zusammen und jedes Jahr werden wir von den ausbleibenden Fortschritten enttäuscht. Es ist unglaublich frustrierend, die Kluft zwischen unseren Lebensrealitäten und den nicht eingelösten Klimaversprechen zu erleben. Trotz der Bemühungen der Regierungen aus dem Globalen Süden und der Zivilgesellschaft scheitern die Klimaverhandlungen seit 30 Jahren daran, die notwendigen Emissionsreduktionen zu erreichen. 


„Wir kämpfen, statt zu ertrinken“

Wir befinden uns in einer Sackgasse, während die globalen Emissionen weiter ­steigen. Aber wie wir im Pazifikraum sagen: Wir kämpfen, statt zu ertrinken. Die Lage, in der wir uns befinden, mag zwar nicht fair sein, doch das hält uns nicht davon ab, nach Lösungen zu suchen. 

Nach jahrelangen Kampagnen der Zivilgesellschaft haben die Vereinten Nationen im vergangenen Jahr einstimmig eine Resolution verabschiedet, die den Internationalen Gerichtshof (IGH) auffordert, ein Gutachten zu erstellen, das die Verpflichtungen der Länder zur Bekämpfung des Klimawandels klären soll. Der Vorschlag wurde von der Regierung des pazifischen Inselstaats Vanuatu ins Leben gerufen und von 132 Staaten unterstützt. Es ist bemerkenswert, dass sich der IGH – das wichtigste Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen – bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit dem drängendsten Problem der Welt befasst hat. 

Die Initiative für die Resolution wurde von jungen Menschen im Pazifikraum ins Leben gerufen, die sich vor einigen Jahren in einem Klassenzimmer trafen, um von den Hauptverursachern der Klima­krise die Übernahme von Verantwortung zu fordern. Wir taten dies nicht nur, weil unsere Heimat einer der am stärksten vom Klimawandel bedrohten Orte der Welt ist, sondern auch, um Gerechtigkeit in einer Krise zu fordern, die wir nicht verursacht haben. Dieses Treffen war der Anfang einer Organisation, die heute unter dem Namen „Pacific Islands Students Fighting Climate Change“ bekannt ist und mittlerweile Mitglieder aus allen pazifischen ­Inselstaaten zählt. 


Gutachten nur der erste Schritt

Der IGH erstellt nun ein Gutachten, eine sogenannte „advisory opinion“. Dabei handelt es sich um eine verbindliche Aussage zum Völkerrecht, die die bestehenden rechtlichen Pflichten der Staaten ­bekräftigt. Derzeit ist das Pariser Abkommen von 2015 das wichtigste völkerrechtliche Instrument für die internationale Zusammenarbeit zum Thema Klimawandel.

Die Klimakrise betrifft jedoch nicht nur Emissionen, sondern alle Aspekte des internationalen Rechts, darunter Menschenrechte, Kinderrechte, Frauenrechte, die Rechte indigener Völker und Umweltfragen. Wir benötigen ein Rechtsgutachten, das all diese Bereiche inte­griert und Klarheit über die bestehenden Verpflichtungen schafft.

Noch wichtiger ist es, Ambitionen, Verantwortung und Fairness in den bestehenden Mechanismen zu fördern. Wir müssen sicherstellen, dass Klimaschutz nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert wird, sondern von denjenigen ernst genommen wird, die die historische Verantwortung für diese Krise tragen. 

Der IGH befasst sich das erste Mal mit diesem Thema. Seine finale Entscheidung muss über das Thema der Emissionsminderungen hinausgehen. Es muss klar werden, dass Staaten, die weiterhin vorsätzlich von der Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe profitieren, juristische Kon­sequenzen drohen.

Wir werden weiter für Klimagerechtigkeit kämpfen – für Entschädigungen für bereits eingetretene Verluste und Schäden, für eine gerechte globale Energie­wende und für den Schutz unserer wertvollen Böden und Ozeane.

Ein starkes Gutachten des IGH würde die Chancen erhöhen, bei den globalen Klimaverhandlungen endlich radikale Klimaschutzmaßnahmen zu sehen, deren Kern die Klimagerechtigkeit ist. Damit könnten wir unseren Planeten vor dem Abgrund retten. 

Aus dem Englischen von Hannah Lettl

Bibliografische Angaben

Internationale Politik  Special 6, November/Dezember 2024, S. 48-59

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Themen und Regionen

Francisco Vera 
Manzanares  ist ein Klima- und Menschenrechtsaktivist aus Kolumbien. Er ist Gründer der Jugendbewegung „Guardians for Life“ und Autor des Buches „Ask Francisco: What is Climate Change?“.

Temilade Salami ist Gründerin und Geschäftsführerin von „EcoChampions“, einem der größten Netzwerke junger Umweltaktivistinnen und -aktivisten in Afrika.

Oumou Hawa Diallo  ist eine Klimaaktivistin aus Guinea. Sie ist Mitbegründerin der NGO „Agir Contre le Réchauffement Climatique“ (ACOREC) sowie Mitglied der Plattform „Jeunes Voix du Sahel“. Sie wurde 2023 zur UNICEF-Jugendbe-
auftragten für Klima und Umwelt in Guinea ernannt.

Vishal Prasad  ist Direktor der Organisation „Pacific Islands Students Fighting Climate Change“. Seit 2019 ist er Teil der ICJAO-­Kampagne mit dem Ziel, ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Klimagerechtigkeit zu erreichen.