Ein Schuss im Dunkeln
Die NATO-Flugverbotszone über Libyen ist militärisch erfolgversprechend, aber aufwendig und komplex
Wie kann der Westen den Kampf gegen Gaddafi unterstützen? Der UN-Sicherheitsrat in New York hat die Einrichtung einer Flugverbotszone nach längeren Beratungen beschlossen, wie von den Aufständischen und der Arabischen Liga zuvor gefordert. Die Entscheidung war nicht einfach, denn selbst Experten kennen die tatsächlichen militärischen Fähigkeiten des Diktators nicht.
Die Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen hatte zuletzt international immer mehr an Zuspruch gewonnen. Großbritannien, Frankreich und der Libanon arbeiteten an einem UN-Sicherheitsratsbeschluss, Italien ließ seinen „Freundschaftsvertrag“ mit dem libyschen Staatschef Muammer al Gaddafi ruhen und die Arabische Liga hatte sich für einen Kampfeinsatz des Westens über dem Bruderstaat ausgesprochen. Amerika, immer noch an zwei weitere Konfliktherde in der muslimischen Welt gebunden, gab sich zwar zögerlich. Aber auch US-Präsident Barack Obama ließ sich trotz der Bedenken seines Verteidigungsministers Robert Gates bis zum Schluss alle militärischen Optionen offen.
Indes rief die libysche Opposition angesichts der heftigen Kämpfe mit den regimetreuen Truppen nach Unterstützung. Die Angriffe der libyschen Luftwaffe auf die Zentren des Widerstands im Osten des Landes fordern immer mehr Opfer. Es herrscht Bürgerkrieg. Wie lange die Rebellen militärisch durchhalten können, ist unklar.
Das von der NATO durchgesetzte Flugverbot über Libyen ist politisch sicher leicht gefordert, die Umsetzung aber komplex. Pentagon-Chef Gates hat schon gesagt, man solle die Sache beim richtigen Namen nennen. Ein Flugverbot lässt sich nicht ohne Kampfhandlungen, nicht ohne ein Niederhalten der feindlichen Luftabwehr (Suppression of Enemy Air Defense/SEAD) umsetzen. Bevor alliierte Kampfjets über Libyen patrouillieren können wie in den neunziger Jahren über Jugoslawien und dem Irak, müssen die gegnerische Luftwaffe und Flugabwehr ausgeschaltet beziehungsweise kampfunfähig gemacht werden.
Eine solche Aufgabe würde durch einige Faktoren erleichtert: Technologische Überlegenheit des Westens und bessere Ausbildung der NATO-Piloten machen einen Erfolg, hat man sich einmal entschlossen, sehr wahrscheinlich. Erschwert wird eine Mission aber durch viele Unwägbarkeiten: Welche Leistungsfähigkeit besitzt das libysche Militär? Welche Verteidigungstaktik wird Gaddafi im Falle eines NATO-Angriffs wählen? Wie lange dauern die westlichen Vorbereitungen noch für einen Angriff? Welche Partner sind politisch bereit, welche Fähigkeiten für den Einsatz zu stellen? Und nicht zuletzt: Wie entwickelt sich unterdessen die Lage am Boden?
Der Diktator sitzt auf einem riesigen Arsenal veralteter Waffen
Libyens Militär wurde über Jahrzehnte von Gaddafi an der kurzen Leine gehalten. Trotz verschwenderischer Aufrüstung der Truppen in den siebziger und achtziger Jahren wurde auf eine angemessene Ausbildung nie viel Wert gelegt. Gaddafi, so sind sich Nahost-Experten einig, wollte bis heute vermeiden, dass in einem mächtigen Militär Rivalen aufsteigen könnten. Der Diktator sitzt auf einem riesigen Arsenal an Waffen, für die seine Armee eigentlich viel zu klein und zu schlecht ausgebildet ist. Bis heute finden sich in den Streitkräften ausländische „Ausbilder“ aus Syrien, Nordkorea, Pakistan und vor allem aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion wie Weißrussland. Gerade in der technisch anspruchsvolleren Luftwaffe fliegen diese oft selbst Kampfeinsätze.
Zudem konnte das in terroristische Aktivitäten verwickelte Libyen von 1992 bis 2003 auf legalem Weg keine neuen Waffen oder Waffenersatzteile importieren. Die Instandhaltung großer und komplexer Systeme, wie zum Beispiel der Luftverteidigung, musste so über Jahre vernachlässigt werden. Die in den siebziger und achtziger Jahren vor allem in der Sowjetunion gekauften Waffen sind heute, sieben Jahre nach dem Ende der internationalen Sanktionen gegen den Wüstenstaat, vollkommen veraltet und zu einem großen Anteil nicht mehr einsatzfähig.
„Das eigentliche Ergebnis von Libyens Aufrüstung war, das Land zum größten militärischen Parkplatz der Welt zu machen“, stellt Anthony H. Cordesman fest, „und es ist unwahrscheinlich, dass sich in absehbarer Zukunft die militärischen Kapazitäten Libyens über diesen Abstellstatus hinaus entwickeln werden.“ Cordesman, Inhaber des „Arleigh Burke Chair“ am Center for Strategic and International Studies in Washington, ist seit vielen Jahren einer der erfahrensten Militärexperten für den Nahen Osten. In einer Studie aus dem Jahr 2005 urteilt der Amerikaner über die Truppen Gaddafis nach den Jahrzehnten des gleichzeitigen Waffensammelns und Vernachlässigens: „Libya does not have modern military forces; it has a modern military farce.“
„Libyens Militär ist eine Farce“
Diese erbärmlichen Zustände zeigen sich in der libyschen Luftwaffe. Umfasste sie am Ende des Kalten Krieges nominell 500 Kampfflugzeuge, waren ohne nennenswerten Nachschub und Wartung davon nach 2003 nur noch wenige flugbereit. So hatte Libyen in den siebziger Jahren laut unterschiedlichen Quellen bis zu 60 französische Jagdbomber Mirage F1 erwerben können, kein einziger davon konnte aber in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts noch abheben. Dank eines neuen Vertrags mit Frankreich konnten seit 2006 immerhin vier der Maschinen wieder flott gemacht werden. Zwei Piloten desertierten aber schon zu Beginn der Kämpfe mit den Anti-Gaddafi-Rebellen am 21. Februar mit ihren Jets nach Malta.
Insgesamt besitzt die Luftwaffe Gaddafis heute noch 390 Kampfflugzeuge – auf dem Papier. Das „Institute for National Security Studies“ der Universität Tel Aviv hält nur noch 260 davon für einsatzbereit. Zum Vergleich: Italiens Luftwaffe besitzt 240 Kampfflugzeuge, darunter 75 Eurofighter, dem neuesten europäischen Kampfjet.
Kaum besser sind die Verhältnisse in der libyschen Flugabwehr. Ihr Rückgrat besteht aus einer Kette von ortsfesten SAM-Batterien (surface-to-air-missile) direkt am oder einige Kilometer hinter dem Mittelmeer-Strand. Vier alte sowjetische Systeme vom Typ SA-5 überlappen sich und decken fast den gesamten Küstenverlauf ab. Ihre Raketen können mit einer Reichweite von 300 Kilometern Ziele weit über der See erreichen – drei Viertel der Strecke von Tripolis nach Malta. Ihr größter Nachteil: Die SA-5-Raketen können keine Objekte unterhalb einer Flughöhe von 300 Metern ansteuern. Weitere Systeme mit mittleren Reichweiten von bis zu 60 Kilometern sind um militärische Stützpunkte und wichtige Infrastruktureinrichtungen stationiert. Diese konzentrieren sich an der Küste und in den Küstenstädten. Von Ost nach West: Tobruk, Bengasi, Misratah und Tripolis; letzteres besitzt als Hauptstadt die größte Dichte von fixen Flugabwehrstellungen. Auf diese große Strecke – über 1700 Kilometer Küstenlinie – bestehen etliche Lücken, die von keinen größeren Abwehrwaffen abgedeckt werden. Vor allem im Golf von Sirte klafft ein großes Loch in der Luftverteidigung, das nur durch mobile Raketenstarter und Flakkanonen mit kleinerer Reichweite abgedeckt werden könnte.
Alte Löcher in der angeschlagenen Luftverteidigung
Diese Waffen sind für die Planer einer SEAD-Mission die große Unbekannte. Die libysche Armee verfügt über 52 sowjetische mittlere Flugabwehrsysteme – Radare und Raketen auf leicht gepanzerten Kettenfahrzeugen wie die sowjetische SA-6 – sowie 24 französische Starter vom Typ Crotale. Die Einsatzfähigkeit vor allem der letzteren ist stark zu bezweifeln, da auch sie noch aus den siebziger Jahren stammen und seit über 20 Jahren nicht mehr vom Hersteller Thomson-CSF gewartet wurden.
Dieses Luftabwehrsystem Libyens bestand schon in den Achtzigern und wurde im April 1986 von einem amerikanischen Angriff auf Gaddafis Hauptquartier in Tripolis und Nebenziele schwer beschädigt. Die USA reagierten mit dieser Attacke, Operation El Dorado Canyon genannt, auf den Terroranschlag zwei Wochen zuvor auf die Westberliner Disco La Belle, der vermutlich von Libyen ausgegangen war. 49 Jets starteten von Basen in England und drei Flugzeugträgern im Mittelmeer; ihr wohlkoordinierter Angriff selbst dauerte weniger als eine Viertelstunde. Die libysche Luftverteidigung wurde vollkommen überrascht und es gelang ihr nur, ein einziges Flugzeug abzuschießen. Von Gaddafis Luftwaffe wurden mehr als ein Dutzend Kampfjets am Boden zerstört.
Sollte in den nächsten Wochen westliche Luftmacht über Libyen eingesetzt werden, würden die modernen „anti-radiation missiles“ der NATO-Luftwaffen – Flugkörper, die elektromagnetisch strahlende Radare anvisieren – mit der ortsfesten libyschen Luftabwehr mit größter Wahrscheinlichkeit „kurzen Prozess machen“. Die einstmals teuren Geräte würden Gaddafi ebenso wenig nutzen wie seinerzeit Saddam Hussein oder Slobodan Miloševic. Die Luftabwehren 1990 im Irak und 1999 in Jugoslawien wurden von der US Air Force und ihren Verbündeten schnell und fast ohne eigene Verluste vollständig ausgeschaltet.
Die wenigen Möglichkeiten, die der libyschen Flugabwehr bleiben würden: die Systeme nur im äußersten Notfall aktiv zu schalten und auf Glückstreffer hoffen. Zusätzlich könnte Gaddafi im absehbaren Krieg der Bilder auf den Propagandaeffekt von „Kollateralschäden“ setzen, wenn die Radare und Raketen unter der Zivilbevölkerung versteckt werden. Bei den bekannten fest installierten Anlagen in Tripolis und in Misratah ist das schon der Fall: Einige Batterien stehen mitten in Siedlungsgebieten mit nur 300 Metern Abstand zu den nächsten Wohnhäusern.
Gaddafi könnte die Saddam-Option wählen
Das Szenario, das NATO-Planer daher fürchten müssen, ist ein Katz- und Maus-Spiel mit den mobilen Einheiten der libyschen Flugabwehr. Das könnte sich ergebnislos über Wochen hinziehen, wie schon die Jagd der Golf-Kriegsalliierten auf die hoch beweglichen, irakischen Scud-Raketenstarter 1990 und 1991. Luftpatrouillen über Libyen müssten ständig auf der Hut sein und fortlaufend von spezialisierten Anti-Radar-Flugzeugen unterstützt werden.
Dennoch: Die Luftwaffe der „Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija“ wäre vermutlich sehr schnell nicht mehr in der Lage, von ihren Flugplätzen abzuheben. Diese Schlacht wäre innerhalb weniger Stunden entschieden. Ob eine solche Hilfe den libyschen Rebellen nutzen würde, ist jedoch eine andere Frage. Denn bis die NATO und eventuelle arabische Verbündete bereit wären, diesen umfangreichen und komplexen ersten Einsatz zu fliegen, würde nach den ersten Marschbefehlen in die Stationierungsräume noch einige Zeit vergehen.
Während der Kosovo-Krise 1999 nahm sich die NATO mehrere Wochen Zeit, um ihre Einheiten in Stellung zu bringen. Spätestens seit dem Massaker von Racak am 15. Januar baute die Allianz ihre Drohkulisse gegen Serbien auf, begann mit den ersten Luftangriffen auf Serbien erst am 24. März. Der Vorteil damals: Entlang zweier Nord-Süd-Achsen in Italien und in der Adria konnten rund 1000 Kampfflugzeuge auf Flugplätzen und Flugzeugträgern stationiert werden. Sie flogen von dort aus ihre Missionen aus Entfernungen von maximal 700 Kilometern über einer Fläche von rund 113 000 Quadratkilometern der Bundesrepublik Jugoslawien, heute Serbien, Kosovo und Montenegro.
Libyen hingegen ist mit knapp 1,8 Millionen Quadratkilometern um das 16-Fache größer. Für Attacken gegen die libysche Luftverteidigung liegen nur zwei Luftbasen in Italien und eine in Griechenland in ähnlich günstiger Reichweite zu ihren Zielen wie die Startbahnen der NATO während des Kosovo-Kriegs: Sigonella auf Sizilien, Decimomannu auf Sardinien und Souda auf Kreta. Alle anderen möglichen Basen liegen über 1000 Kilometer von der libyschen Küste entfernt.
Auf kleinstem Raum größter Aufwand für größten Raum
Für einen ersten kombinierten Angriff auf Libyens Luftwaffe und Luftverteidigung müsste die NATO aber mehrere 100 Flugzeuge zusammenziehen, ähnlich wie im Kosovo-Krieg: Abfangjäger, Jagdbomber, Bomber, Tanker, Aufklärer und Transportflugzeuge. Nicht zu vergessen Rettungshubschrauber, die unter Umständen gezwungen wären, Missionen bis tief in die libysche Wüste zu fliegen.
Immerhin sind im Rahmen der Anti-Terror-Operation Active Endeavour der NATO schon lange britische AWACS-Luftaufklärer (Boing E-3 Sentry) auf Malta stationiert – dank eines Sonderabkommens, das den zivilen Flughafen der Insel für die Aufklärungs- und Führungsflugzeuge geöffnet hat. Kampfflugzeuge könnten, selbst wenn die maltesische Regierung zustimmen würde, kaum hierhin verlegt werden: Die notwendige Infrastruktur ist nicht vorhanden.
Mangels ausreichender Basen an Land bliebe das Mittelmeer: Hier hätten gleich mehrere Flugzeugträger ausreichend Manövrierraum. So ist schon vor knapp zwei Wochen die „USS Enterprise“ durch den Suez-Kanal Richtung Neapel gefahren und in Toulon liegt nach einem monatelangen Einsatz im Indischen Ozean wieder der französische Flugzeugträger „Charles de Gaulle“. Mindestens ein weiterer Träger der 6. US-Flotte kann mit hinzugerechnet werden. Allein diese drei Schiffe verfügen zusammen über 180 Kampfflugzeuge.
Der Idealfall für das neue britisch-französische Bündnis kommt zu früh
Den beiden wichtigsten Befürwortern der Flugverbotszone allein fehlen allerdings die richtigen Mittel. Nicolas Sarkozys Vorpreschen für einen Militäreinsatz gegen den Diktator in Tripolis steht auf wackligen Füßen, denn Frankreich verfügt außer der „Charles de Gaulle“ über keinen weiteren echten Flugzeugträger. Bei der alten Seemacht Großbritannien ergibt sich im Moment sogar eine Fehlanzeige: Erst 2020 will die Royal Navy die „Queen Elizabeth“ in Dienst stellen. Sie hätte eine Schlagkraft, wie sie heute in Europa nur der französische Träger besitzt. Ironie der Zeitgeschichte: Die im November letzten Jahres vereinbarte französisch-britische Militärpartnerschaft ist angesichts der knappen Kassen in Paris und vor allem in London bis auf weiteres ein zahnloser Tiger.
Aber nur mit Flugzeugträgern, die eine größere Anzahl von Kampfjets einsetzen können, ließe sich ein Flugverbot über Libyen kurzfristig noch durchsetzen. Das mühsame Zusammenziehen von Luftstreitkräften auf den wenigen und verstreuten südeuropäischen Basen kostet zuviel Zeit. Und Zeit ist für die libyschen Rebellen ein kostbares Gut: Gaddafis Truppen rücken der Oppositionshochburg Bengasi immer näher. Fällt die Stadt, ist der Aufstand gegen den „Bruder Führer“ am Ende. Ein andauernder Guerillakrieg ist unwahrscheinlich angesichts der Topografie des Landes. Und in der libyschen Wüste könnten die Piloten des Diktators leicht Jagd auf die Überlebenden der Rebellion machen.
Jetzt steht der UN-Sicherheitsrat vor der Entscheidung: Er muss rasch den Waffeneinsatz gegen Libyens Luftwaffe und Luftverteidigung genehmigen. Nur dann kann die Weltgemeinschaft die Rebellen noch unmittelbar gegen Gaddafis Soldateska unterstützen. Gewiss: Die blutigen Kämpfe am Boden wären damit nicht beendet. Aber der Widerstand hätte vielleicht noch eine Chance.
Eine leichte Übung trotz möglicher Glückstreffer
Ein Niederhalten der feindlichen Luftabwehr, wie sie eine Flugverbotszone erfordern würde, wäre für die modernen NATO-Luftstreitkräfte nach adäquater Vorbereitung von mindestens zwei bis drei Wochen eine leichte Übung. Auch wenn Glückstreffer libyscher Raketen oder Granaten dennoch nicht auszuschließen wären; die Erfahrung legt eine äußerst geringe Verlustrate nahe.
Entschließt sich das Atlantische Bündnis zum Kampfeinsatz, kann die Kampagne gegen Serbien 1999 als Vorbild dienen: Angriffe aus großer Höhe, um das eigene Risiko gegen verbleibende Flakgeschütze zu vermindern. Eine Reserve gegen verbleibende Boden-Luft-Raketen unterstützt jede Patrouille. Für die deutsche Luftwaffe könnte das bedeuten, dass wie damals die Spezialfähigkeiten ihrer ECR-Tornados (Electronic Combat Reconnaissance) wieder gefragt wären.
Einem NATO-Einsatz könnte sich eventuell die ägyptische Luftwaffe anschließen. Selbst eine nur symbolische Beteiligung dieses arabischen Staates wäre für die Mission politisch wünschenswert, wie seinerzeit während des Golf-Kriegs 1991 gegen Saddam Husseins Irak. Das wäre heute einfacher, weil man sich bereits kennt: Seit 1985 üben ägyptische Piloten gemeinsam mit amerikanischen und weiteren NATO-Fliegern im Rahmen der inzwischen jährlich abgehaltenen Operation Bright Star.
Die ersten Schritte sind getan
Die ersten Schritte sind eingeleitet. Am 7. März hat die NATO die strategische Luftraumüberwachung über Libyen erweitert: Die AWACS-Aufklärer sollen jetzt, so sagte der amerikanische Botschafter bei der NATO Ivo Daalder, „rund um die Uhr“ auf Station im internationalen Luftraum die Vorgänge am libyschen Himmel verfolgen. Vor einem eventuellen Einsatz verschafft sich die Allianz ein Lagebild, das angesichts der verworrenen Situation so dringend nötig ist. Besonders über die Einrichtung des Flugverbots im Osten Libyens muss Klarheit herrschen. Sind die Flugabwehreinheiten in der Cyreneika auch zu den Rebellen übergelaufen? Wie steht es um die Militärflughäfen von Bengasi, Bombah und Tobruk? Können sie bei einer Angriffsplanung außer Acht gelassen werden?
Inzwischen wird auch deutlicher, dass angesichts der verschlechterten Lage für die libyschen Rebellen eine SEAD-Mission alleine um tatsächliche Luft-Boden-Angriffe auf Gaddafis Heerestruppen erweitert werden müsste. Andernfalls wäre auch eine erfolgreiche durchgesetzte Flugverbotszone nur bedingt eine praktische Hilfe für das bedrängte Bengasi. Dementsprechend äußerte sich am Rande der Sicherheitsratsverhandlungen überraschend die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice: „Wir müssen zu diesem Zeitpunkt bereit sein, Schritte zu erwägen, die eine Flugverbotszone einschließen und die vielleicht darüber hinaus gehen“, erklärte sie am 16. März gegenüber der Presse, „angesichts der Lageentwicklung am Boden und weil eine Flugverbotszone nur begrenzt die Zivilbevölkerung vor unmittelbaren Risiken schützen könnte.“
Bis es zum Kampfeinsatz kommen könnte, werden vor allem Agenten und Aufklärer noch einige Arbeit leisten müssen. Gegenüber dem Boston Globe erklärte Cordesman jüngst, dass die Entscheidung über eine Flugverbotszone von präzisen nachrichtendienstlichen Informationen über Libyens Luftverteidigung abhängig sei. Internationale Experten sind im Moment aber überfragt, wenn es um die tatsächlichen militärischen Fähigkeiten geht, die Gaddafi zur Verfügung stehen. „Niemand von außen kann eine ehrliche Antwort geben“, so Cordesman.
MARCUS MOHR ist Redakteur von „ADLAS – Magazin für Außen- und Sicherheitspolitik“ und „zenith – Zeitschrift für den Orient“.
Weiterführende Links:
Sean O’Connor: „The Libyan SAM Network“. Analyse des libyschen Luftabwehrsystems vom 11. Mai 2010, http://geimint.blogspot.com/2010/05/libyan-sam-network.html
Anthony H. Cordesman: „The North African Military Balance: Force Developments in the Maghreb“. Studie des Center for Strategic and International Studies, Washington, DC, über nordafrikanische Streitkräfte einschließlich Libyens vom 28. März 2005, http://csis.org/files/media/csis/pubs/050328_norafrimibal[1].pdf