Drei Fragen an...

25. Juni 2021

Drei Fragen an ... Nora Müller

Die Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung über Multilateralismus und das jüngst von der Bundesregierung dazu verabscheidete Weißbuch

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Bild: Porträt von Nora Müller
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1. Das Bundeskabinett hat am 19. Mai das Weißbuch Multilateralismus verabschiedet. Welche Bedeutung hat dieser Schritt?

Die Bundesregierung macht so deutlich: Deutschlands Eintreten für den Multilateralismus ist kein Projekt, das nach einer Legislaturperiode eingemottet wird, sondern auf Dauer angelegt ist. Der Multilateralismus ist weiterhin in schlechter Verfassung. Da ist es richtig, ein Zeichen für die Stärkung der multilateralen Ordnung zu setzen, von der unser maximal mit der Welt verflochtenes Land besonders profitiert. Aber es braucht mehr als nur Symbole. Wichtig wäre, eine breite Debatte darüber zu führen, was der Multilateralismus den Menschen bringt und wie er weiterentwickelt werden kann.

 

2. Wie kann Multilateralismus in einer Welt bestehen, die immer stärker von Großmächtekonkurrenz geprägt ist?

Die Rivalität zwischen den USA und China lässt sich nicht „wegmultilateralisieren“. Aber auch Washington und Peking haben gemeinsame Interessen, wie etwa den Klimaschutz. Um Interessen in gemeinsames Handeln zu übersetzen, braucht es multilateral eingebettete Regeln und Mechanismen. Hier helfen die Erfahrungen des Kalten Krieges: Die USA und China sollten sich auf eine Verständigung in spezifischen Bereichen konzentrieren, wie Ngaire Woods vorschlägt, nicht auf das langwierige Aushandeln ganz neuer Regeln. So kann aus erfolgreichem „Minilateralismus“ Vertrauen für künftige Kooperation erwachsen.

 

3. Die multilaterale Ordnung solle weiterentwickelt werden, heißt es im Weißbuch. Wie kann das aussehen?

Erstens: Multilaterale Zusammenarbeit muss flexibel sein und darf ruhig auch jenseits bestehender Formate und Strukturen stattfinden – komplementär dazu, nicht als „Konkurrenzveranstaltung“. Zweitens: Komplexe Herausforderungen erfordern komplexe Lösungen. Im 21. Jahrhundert darf multilaterale Zusammenarbeit nicht mehr allein Sache der Staaten sein, sondern muss Städte und Regionen, die Privatwirtschaft und NGOs in eine inklusive Debatte einbeziehen. „Multistakeholderism“ ist zwar kein Allheilmittel, aber eine gute Voraussetzung, um komplexe Probleme aus einer 360- Grad-Perspektive anzugehen.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, Juli / August 2021, S. 8

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