Drei Fragen an...

28. Aug. 2023

Drei Fragen an … Nargess Eskandari-Grünberg

Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main

Bild
Bild: Porträt von Nargess Eskandari-Grünberg
Lizenz
Alle Rechte vorbehalten

1. Wie ist die Lage der iranischen Frauen ein knappes Jahr nach Beginn der Proteste?

Sie ist nach wie vor prekär und wird durch die Verschärfung des Strafrechts zur Kopftuchpflicht weiter verschlimmert. Jedoch sind der Mut und der Wille zur Veränderung ungebrochen. Die Frauen haben erlebt, dass die iranische Bevölkerung auf ihrer Seite steht – der Seite der Freiheit. Daraus schöpfen sie ihre Kraft, sich den ungeheuerlichen Gewaltverbrechen des Regimes entgegenzustellen. Bilder von iranischen Frauen, die ohne Kopftuch herumlaufen, singen, tanzen und lachen, waren vormals unvorstellbar. Gleichzeitig leben die Frauen immer noch mit einem enormen Risiko: Jederzeit können sie verschleppt, gefoltert und ermordet werden.

 

2. Sie fordern seit Langem, Deutschland müsse mehr tun, um das Mullah-Regime zu schwächen. Was wäre jetzt besonders wichtig?

Deutschland ist immer noch der größte europäische Handels­partner des Iran. Jeder Cent, der in die iranische Wirtschaft fließt, kommt dem korrupten Regime direkt zugute. Es liegt in der Verantwortung Berlins und Brüssels, die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zum Iran einzufrieren, bis die demokratische Revolution gesiegt hat. Das Geschäft mit den Mördern verlängert das Leiden der Bevölkerung. Und: Das Thema darf nicht aus dem Blick geraten. Das Regime beobachtet genau die Reaktionen im Ausland. Wenn die Welt wegschaut, wird die Unterdrückung umso brutaler.

 

3. Woraus schöpfen Sie Hoffnung für die Zukunft der Menschen im Iran?

Das Regime hat seinen wichtigsten Kampf bereits verloren. Es ist den Tugendterroristen in Jahrzehnten der Propaganda nicht gelungen, ihre Ideologie in den Köpfen der Menschen zu verankern. Sie haben jeden Rückhalt verloren, und auch die Bündnispartner schwächeln. Ein Land lässt sich nicht allein mit Gewalt regieren. Die Schergen des Regimes können nicht überall zugleich sein. Das Regime wird fallen; die Frage ist nur, wann. Deshalb ist es so wichtig, den internationalen Druck massiv zu erhöhen. Es reicht ein guter Tag und der Schrecken hat endlich ein Ende.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 5, September/Oktober 2023, S.8

Teilen