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18. Nov. 2022

Digitaler Drahtseilakt

Sicherheitsrisiko oder Druckmittel? Israels Technologiebeziehungen zu China

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Made in China 2025“ – so ist der Fahrplan der Kommunistischen Partei betitelt, der die chinesische Wirtschaft von einer arbeitsintensiven und auf einfache Fertigungsprozesse ausgerichtete Ökonomie zu einer technologieintensiven und innovationsgetriebenen Wissenswirtschaft verändern soll.

Dieser Plan, der sowohl kommerzielle als auch militärische Zwecke in den Blick nimmt, ist nur eine der vielen nationalen Strategien, mit denen Peking sein Ziel, eine der führenden Mächte in Sachen Spitzentechnologie zu werden, erreichen will. Bei allen diesen Initiativen geht es darum, Chinas Innovationsfähigkeit und den heimischen Hightech-Sektor zu fördern. Dieser digitale Fokus ist für China besonders wichtig, da der Innovations- und Technologiesektor ein zentraler Bereich ist, in dem die Volksrepublik und die USA um die Vorherrschaft wetteifern. Dabei geht es nicht nur um die technologischen Fähigkeiten der beiden Länder, sondern auch darum, Standards und Normen zu setzen. Um die angestrebten Ziele zu erreichen und die Abhängigkeit von ausländischen Technologien langfristig zu verringern, werden chinesische Unternehmen dazu ermutigt, in Hightech-Sektoren im Ausland zu investieren und technologisches Know-how „nach Hause“ zu bringen.



Vor diesem Hintergrund zieht gerade Israel, das einen guten Ruf als Start-up-Nation genießt, die chinesische Aufmerksamkeit und dement­sprechend auch chinesische Tech-Investitionen an. Wie der damalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach seiner Rückkehr von einem Besuch in China im Jahr 2013 betonte, ist China an „drei Dingen interessiert: an israelischer Technologie, israelischer Technologie und israelischer Technologie“. Der Technologietransfer war stets eine Konstante der chinesisch-israelischen Beziehungen.



Israel hat seinerseits ein starkes Interesse da­ran, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu vertiefen. So lobte Netanjahu 2013 öffentlich chinesische Infrastrukturprojekte und stärkte die Wirtschaftsbeziehungen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, indem er eine Regierungsresolution verabschieden ließ, die den Ausbau aller „nicht sensiblen“ Bereiche der israelisch-chinesischen Zusammenarbeit vorsieht. Israel hofft, durch die Ausweitung des Handels nach Asien seine Exportmärkte und Investitionen zu diversifizieren. Derweil verzeichnen israelische Technologieunternehmen einen Boom bei der chinesischen Nachfrage nach ihren Technologien.



Amerika greift ein

Über die chinesisch-israelischen Beziehungen zu schreiben, ohne den USA dabei einen Platz einzuräumen, wäre kurzsichtig. Denn als engster Verbündeter Israels und als Konkurrent Chinas beobachten die Vereinigten Staaten diese Beziehungen mit einem kritischen Auge, insbesondere wenn es um den Austausch von Technologie geht.



Die womöglich bekanntesten Beispiele für das Eingreifen der USA in die Beziehungen der beiden Länder sind die „Phalcon“- und „Harpy“-Zwischenfälle in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren. Auf Druck der USA kündigte Israel damals eine Vereinbarung über die Installation des modernen Radarsystems Phalcon in Überwachungsflugzeugen der Volksbefreiungsarmee auf.



Nur wenige Jahre später fanden die USA dann heraus, dass Israel die unbemannten Luftfahrzeuge Harpy, die es bereits in den 1990er Jahren an China verkauft hatte, weiter wartete und modernisierte. Auch in diesem Fall bestanden die Vereinigten Staaten darauf, dass Israel das Geschäft abbrach.



Diese Auseinandersetzungen mit den USA führten unter anderem zu Israels Exportkontrollgesetz aus dem Jahr 2007. Es regelt unter anderem die Anforderungen für Ausfuhrgenehmigungen, Beschränkungen für Waffenverkäufe und die Ausfuhr von Technologien mit „doppeltem Verwendungszweck“, zu zivilen und militärischen Zwecken. Infolgedessen kamen die Beziehungen zwischen China und Israel beim militärischen Technologietransfer zum Erliegen und wurden auf „zivile“ Bereiche verlagert. Der kritische Blick der USA auf das israelisch-chinesische Verhältnis blieb dennoch bestehen.



In den ersten Jahren des Technologietransfers zwischen den beiden Ländern bestand der Austausch hauptsächlich darin, dass Israel bestimmte Technologien, Komponenten oder Know-how nach China exportierte. Im Laufe der Zeit sind die Technologiebeziehungen vielfältiger geworden und betreffen mittlerweile auch den Überwachungs- und Cybersektor. Und auch die chinesischen Investitionen in den israelischen Technologiesektor steigen stetig.  



Strategien des Technologietransfers

Um ein umfassenderes Verständnis der Funktionsweise des Technologietransfers zwischen den beiden Staaten zu erlangen, müssen die chinesisch-israelischen Beziehungen jedoch umfassender und analytischer betrachtet werden. Denn erst aus solch einer Betrachtung lassen sich verschiedene Strategien des Technologietransfers ableiten. Zu diesen gehören:

  • Der Export nach China

    Die Bestimmungen des chinesischen Marktes sind mitunter so gestaltet, dass ausländische Unternehmen unter Druck gesetzt werden, ihre Technologie oder kritische technische Informationen während des Genehmigungsverfahrens an chinesische Unternehmen weiterzugeben – als Bedingung für Geschäfte auf dem chinesischen Markt.



     
  • Der akademische Austausch

    In den vergangenen zehn Jahren haben Israel und die Volksrepublik China ihren akademischen Austausch erheblich ausgeweitet. So vereinbarten die beiden Länder im Jahr 2015 die sogenannte „­Israel-China 7+7 Research University Alliance“, um die Forschung und den wissenschaftlichen Austausch zwischen chinesischen und israelischen Universitäten zu fördern. In diesem Sinne umfasst der Austausch nicht nur den von Studierenden oder gemeinsame Forschungsprogramme, sondern auch die Einrichtung gemeinsamer Forschungszen­tren. So ist zum Beispiel das im Jahr 2014 von der Universität Tel Aviv in Zusammenarbeit mit der Tsinghua-Universität gegründete „XIN Center“ ein gemeinsames Zentrum für innovative Forschung und Bildung, das von der Regierung und der Privatwirtschaft finanziert wird. Diese Projekte sind zwar ­akademischer Natur, einige von ihnen – etwa in der Nanotechnologie, in „neuen Materialien“ oder Satellitentechnologie – können jedoch durchaus eine militärische Bedeutung haben.



     
  • Investitionen

    Die chinesischen Direktinvestitionen verlagerten sich zuletzt von den Sektoren Bergbau, Energie und verarbeitendes Gewerbe in die Hightech-Branchen, also etwa in KI, Robotik sowie Informations- und Telekommunikationstechnologien. Zudem erhielten Israels Tech-Unternehmen und Forschungszentren zwischen 2011 und 2018 die meisten chinesischen Investitionen.

     
  • Infrastrukturen

    Israel ist ein geografisch relevanter Standort für Chinas Belt and Road Initiative (BRI). So wurde im Rahmen von BRI-Infrastrukturprojekten der Ausbau der Häfen von Ashdod und Haifa ins Werk gesetzt. Chinesische Bauunternehmen werden in Israel bevorzugt behandelt, da sie erfahrener sind als israelische Unternehmen, wettbewerbsfähige Angebote abgeben und dafür bekannt sind, Projekte in kurzer Zeit zu realisieren. Auf den ersten Blick mag eine derartige Kooperation nicht allzu viel mit einem Technologietransfer zu tun haben. Am Beispiel des Hafens von Haifa zeigt sich jedoch, wie chinesische Unternehmen während des Bauprojekts ihre eigene Hard- und Software einsetzten, um die Aktivitäten des nahe gelegenen Militärhafens zu überwachen. Die Kooperation bot China also letztlich ganz neue Überwachungsmöglichkeiten.



     
  • Cyberspace

    Zwischen 2011 und 2012 haben vermutlich chinesische Hacker kritische Informationen über das israelische Raketenabwehrsystem Iron Dome gestohlen.

     

Kritische Beobachter haben betont, dass in all diesen Bereichen bestimmte Sicherheitsrisiken bestehen. Denn wenn es um chinesische Aktivitäten und Investitionen im Ausland geht, darf nicht übersehen werden, dass die Grenzen zwischen privaten und staatlichen Unternehmen immer weiter verschwimmen. Gerade im Technologiesektor ist davon auszugehen, dass die Motivation für die Auslandsaktivitäten aus der eingangs skizzierten chinesischen Technologiestrategie resultiert, die wiederum von der Kommunistischen Partei Chinas vorgegeben wird.



Bedenkliche Sicherheitsrisiken

Das bedeutet, dass kommerzielle und mi­litärische Zwecke dabei eng beieinander liegen. So veröffentlichte die RAND Corporation im Jahr 2020 einen Bericht, der elf von den 33 chinesischen Unternehmen, die in Israel tätig sind, als Sicherheitsbedrohung einstuft. Dazu gehören unter anderem Huawei, Alibaba, Baidu, Tencent und die ZTE Corporation, die von den USA wegen ihrer nebulösen Verbindungen zur chinesischen Regierung und zum Militär genau beobachtet werden.



Anlass zur Sorge bietet vor diesem Hintergrund vor allem der Umgang der Unternehmen mit Daten. So wurde berichtet, dass Browser chinesischer Technologieunternehmen sensible Informationen wie GPS-Daten, Wi-Fi-Zugangspunkte und aufgerufene URLs übermitteln. Ein weiteres Sicherheitsrisiko besteht darin, dass israelische Technologien – aufgrund einer Unschärfe des Doppelverwendungs- oder Dual-Use-Konzepts – zur Modernisierung und Ausrüstung des chinesischen Militärs verwendet werden könnten. Tatsächlich zeigt das Beispiel der chinesischen Cyberhacker, die zwischen 2011 und 2012 sensible Informationen über Israels Abwehrsystem Iron Dome gestohlen haben sollen, das anhaltende chinesische Interesse an israelischer Verteidigungstechnologie.



Ein weiterer wichtiger Punkt sind die hohen chinesischen Investitionen in den Bau und den Betrieb von Infrastruktur, die von China langfristig als politisches Druckmittel genutzt werden könnte. Da viele der chinesischen Unternehmen, die in Israel aktiv sind, auch im Iran arbeiten, könnte Peking zudem mit einer Weitergabe von Informationen an die iranische Regierung drohen. Viele der in dem erwähnten RAND-Bericht befragten israelischen Beamten sahen Chinas Aktivitäten „nicht per se als Bedrohung an“. „Allerdings“, so der Bericht weiter, „äußerten die meisten von ihnen Bedenken, Geld von China anzunehmen, weil dies die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten beeinträchtigen könnte.“ Im Jahr 2019 berichteten israelische Zeitungen, dass der damalige US-Präsident Donald Trump die Regierung in Jerusalem davor warnte, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern könnten leiden, wenn Israel seine Beziehungen zu China nicht einschränke.



Mit Amerika gegen China und Russland

Die anhaltenden Versuche der USA, den Technologietransfer zwischen Israel und China zu kontrollieren, gipfelten jüngst in einer gemeinsamen Vereinbarung, die beide Seiten zu einem strategischen Dialog verpflichtet. Es war während seines Besuchs in Israel im Juli dieses Jahres, als US-Präsident Joe Biden und der israelische Premierminister Yair Lapid eine gemeinsame Erklärung über die Aufnahme eines solchen Dialogs abgaben. Der Dialog wird nicht unter der Leitung der jeweiligen Wirtschafts- oder Wissenschaftsministerien stattfinden, sondern von den Leitern der Nationalen Sicherheitsräte beider Länder geführt werden. In der offiziellen Erklärung der USA dazu heißt es: „Wir verpflichten uns, unsere gegenseitigen Innovationsökosysteme zu stärken, unser bilaterales Engagement zu vertiefen, kritische und neu entstehende Technologien im Einklang mit unseren nationalen Interessen, demokratischen Grundsätzen und Menschenrechten voranzutreiben und zu schützen und geostrategische Herausforderungen anzugehen.“ All das deutet darauf hin, dass die neue Partnerschaft vor allem dem Einfluss Chinas oder Russlands entgegenwirken soll und Israel und die USA ihre Position gegenüber China in Zukunft enger abstimmen wollen.



Während die USA seit Langem bestrebt sind, Chinas Beteiligung an der israelischen Infrastruktur und dem Technologiesektor auf ein Minimum zu beschränken, waren die israelischen Reaktionen auf den Druck aus Washington in der Vergangenheit nicht immer ganz unmissverständlich. So entpuppte sich der 2019 von Israel eingeführte Investitionsprüfungsmechanismus nicht als unbedingt wirksames Instrument. Es ist also nicht eindeutig sicher, dass Israel den gemeinsamen Regeln folgt. Ein ähnliches Verhalten zeigte Israel zuletzt auch in Bezug auf seine Haltung zum Krieg in der Ukraine: Die Regierung hat den Krieg zwar aufs Schärfste verurteilt, hält sich aber bis heute nicht an die von der EU und den USA verhängten Sanktionskataloge gegen Russland – auch um die Be­ziehungen zu Moskau als wichtigem Sicherheitspartner in der Region nicht zu gefährden.



Israels Tech-Vorsprung wächst

Einer der Hauptgründe dafür, dass China in Zu­kunft an Präsenz und Einfluss im Nahen Osten gewinnen wird, ist der, dass China immer noch rund 80 Prozent seines Erdöls aus dieser Region bezieht – und chinesische Infrastruktureinrichtungen, wie etwa am Golf von Aden, am Golf von Suez und am Roten Meer, allein schon geografisch kritische Knotenpunkte für den Welthandel sind.



Wenn Peking sich in einer politisch so angespannten Region als verantwortungsbewusste und friedenstiftende Macht präsentieren will, ist es gezwungen, seine politischen Beziehungen hier ausgewogen zu gestalten. Während sich die meisten dieser Beziehungen jedoch auf den Handel mit Öl und anderen Rohstoffen konzentrieren, hat Israel mit seiner fortschrittlichen Technologie und seinem innovativen Energiesektor ein Alleinstellungsmerkmal. Und da die großen Technologie­unternehmen in China seit Ende 2020 in wachsendem Maße unter Druck geraten sind, weil Peking so langsam misstrauisch gegenüber ihrer Macht wird und begonnen hat, sie stärker zu regulieren, hat sich Israels technologischer Vorsprung gegenüber China noch weiter vergrößert.



Weder Spielball noch Spielwiese

Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wie Israel seine Beziehungen zu China vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden technologischen Großmächtewettbewerbs gestalten sollte. Unter Hinweis darauf, dass „Made in China 2025“ ein Konzept ist, das Israel direkt herausfordert, argumentieren einige, dass China künftig nur noch als Konkurrent betrachtet werden sollte. Und das Abkommen zwischen den USA und Israel über die strategische technologische Zusammenarbeit legt nahe, dass Israel sich den Interessen und der Politik der USA mittlerweile anpasst.



Das Land könnte jedoch auch einen Mittelweg suchen, bei dem es weder Spielball noch Spielwiese der chinesisch-amerikanischen Machtkämpfe ist. Das soll nicht heißen, dass Israel den USA in den Rücken fallen sollte. Die genannten Sicherheitsrisiken sind besorgniserregend und verdienen höchste Aufmerksamkeit. Nichtsdestotrotz könnte der technologische Vorsprung Israels ein politisches Druckmittel werden und dem Land in der Gestaltung der Beziehungen zu China einen größeren Handlungsspielraum geben.



Klare Position gegenüber Peking

Israel kann gegenüber China eine klare Position beziehen. Die Tatsache, dass Jerusalem bereits geschlossene Vereinbarungen mit chinesischen Unternehmen auf Druck der USA hin annulliert hat, macht das Land in den Augen Pekings ohnehin zu einem unzuverlässigeren Partner – auch wenn die USA in diesem Fall als Hauptschuldiger wahrgenommen wurden. Daher gilt es, klare Bedingungen für die israelisch-chinesische Zusammenarbeit zu formulieren.



In einem ersten Schritt ist es deshalb wichtig, Sicherheitsrisiken zu erkennen und ein neues Bewusstsein für die Bedeutung von Infrastrukturen zu entwickeln. Der strategische Dialog mit den USA könnte dafür den passenden Rahmen bieten. Der israelische Investitionsprüfungsmechanismus könnte beispielsweise dadurch verbessert werden, dass er gesetzlich verankert wird, die Empfehlungen des entsprechenden Prüfungsausschusses verbindlich werden und er technologische Investitionen prüfen kann. Zuletzt wurde berichtet, dass die israelische Regierung durchaus dazu bereit wäre, dieses Instrument anzupassen und zu stärken.



Darüber hinaus sollte der Begriff des militärischen und zivilen Doppelnutzens (Dual-Use) klarer definiert werden. Gerade bei Technologietransfers sind Dual-Use-Aspekte auf den ersten Blick nicht immer augenfällig. Daher sollte die dem israelischen Ministerium für Wirtschaft und Industrie unterstellte Exportkontrollbehörde gerade im Hinblick auf Expertise in Sicherheits- und Technologiefragen personell aufgestockt werden.



Ebenso wäre es sinnvoll, ein ressortübergreifendes Forum oder eine China-Strategie zu entwickeln, damit sowohl das Wirtschaftsministerium als auch die Ministerien für Bildung, Landwirtschaft und Sicherheit eine einheitliche Politik verfolgen. Es wäre naiv, weiterhin anzunehmen, dass es im Technologiebereich unpolitische Bereiche gebe, in denen sich eine Zusammenarbeit ohne Rücksicht auf politische Erwägungen gestalten ließe. Wenn jedoch Maßnahmen zur besseren Kontrolle und Regulierung des chinesischen Engagements ergriffen würden, dann wäre eine Kooperation mit China im Agrarsektor oder im Hinblick auf den Klimawandel durchaus denkbar.



Möglichkeiten der Kooperation

Die rasche Urbanisierung Chinas und der daraus resultierende Druck auf die landwirtschaftliche Produktion hat chinesische Unternehmen dazu veranlasst, die künftige Lebensmittelversorgung des Landes durch den Kauf und die Übernahme von Farmen, Ackerland und Lebensmittelfabriken in Asien, Australien und Afrika abzusichern. Darüber hinaus hat die Umweltverschmutzung die chinesischen Behörden dazu bewegt, der Sicherheit von Lebensmitteln und Trinkwasser mehr Aufmerksamkeit zu schenken.



Israel verfügt derweil mit seinen eher kargen und trockenen Landschaften und seinen geringen Niederschlagsraten nur über äußerst beschränkte Ressourcen für den Anbau von Lebensmitteln. Mit Blick auf die chinesischen Investitionen in Israel erhielt der dortige Agrarsektor zwischen 2011 und 2018 immerhin die zweitgrößte chinesische Aufmerksamkeit. In gemeinsamen Forschungseinrichtungen könnte man hier an Lösungen für die Agrarindustrie mit Blick auf den Klimawandel und die Wasserversorgung arbeiten. Natürlich sind dazu Verhandlungen über Fragen wie geistige Eigentumsrechte und den Export von Technologien an Dritte erforderlich. Angesichts seines technologischen Vorsprungs muss Israel jedoch nicht davor zurückschrecken, bei der Erörterung dieser Fragen selbstbewusst aufzutreten.



Mit Blick auf die Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels verhält es sich ganz ähnlich. Hier liefert China nicht nur das nötige Baumaterial, etwa für Solarmodule, sondern ist – nicht zuletzt aufgrund des innenpolitischen Drucks – auch ein Vorreiter in Sachen klimafreund­licher Technologien.

Beim Klimaschutz handelt China – ebenso wie in den meisten anderen Bereichen – vor allem strategisch. Bei der Verarbeitung von Seltenen Erden und der Herstellung von Silizium hat das Land bereits eine Führungsrolle erreicht. Insofern bleibt die Zusammenarbeit mit China von grundlegender Bedeutung und bietet Potenzial für israelische Innovationen. Die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels könnte auch in multilateralen Formaten, einschließlich der EU, in Angriff genommen werden. Auch hier sind Technologietransfer, Innovation und die Abhängigkeit von Lieferketten im Auge zu behalten.



Technologie als Steuerungshebel

Wie skizziert ist die Frage, wie sich Israel im eskalierenden Technologiewettbewerb zwischen den USA und China positionieren sollte, ausgesprochen komplex. Auf der einen Seite steht das Festhalten an amerikanischen Prinzipien und Werten und die Einsicht, dass chinesische Interessen im israelischen Technologiesektor auch Fragen der nationalen Sicherheit berühren. Auf der anderen Seite ist davon auszugehen, dass der Einfluss Chinas im Nahen Osten weiter wachsen wird und die technologische Zusammenarbeit künftig als Hebel dienen könnte, um den chinesischen Einfluss im Nahen Osten zu steuern. Gleichzeitig steht die Welt sowohl in Bezug auf die Lebensmittel- und Wasserversorgung als auch mit Blick auf den Klimawandel vor großen Herausforderungen. Und all die Fragen und Lösungen, nach denen diese Probleme rufen, sind zweifels­ohne eng mit der strategischen Agenda der USA und Chinas und mit ihrem Kampf um die globale Vorherrschaft verwoben.



Israel kann wirksame Maßnahmen zum Schutz seiner nationalen Sicherheit ergreifen, indem es einen kritischeren Blick auf chinesische Investi­tionen im eigenen Land und in der Region wirft. Das erfordert jedoch nicht nur einen regen Austausch mit den USA, sondern auch eine intensivere Beschäftigung mit China im wissenschaftlichen Bereich. Denn eine kohärente China-Strategie kann dazu beitragen, Sicherheitslücken zu schließen und Israel gegenüber China gleichzeitig wieder als verlässlichen Partner zu präsentieren.



Die nationalen Technologiepläne Chinas sind ehrgeizig und klingen beeindruckend. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass sie in erster Linie innenpolitisch wirken sollen.



Aus dem Englischen von Kai Schnier

Bibliografische Angaben

IP Special 07, November 2022, S.30-37

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Klara Leithäuser ist in Berlin und London aufgewachsen. In Freiburg studiert sie Politikwissenschaft, Geographie und Jura. Als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Internationale Politik ist sie mit wissenschaftlichen Arbeiten zur EU, zur Autokratieforschung und zu China als politischem Akteur befasst gewesen. Nach diesen Inhalten richtete sie ihr Studium aus. Ihre politikwissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt sie über die Neubewertung von Raum im Rahmen der Konnektivitätsstrategien des 21. Jahrhunderts. Als News Analyst verfasst sie politische Kurznachrichten für das Unternehmen Mediabrief.