Titelthema

26. Febr. 2024

Das große Graben

Der Wettbewerb um kritische Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Seltene Erden ist in vollem Gange. Will Europa dabei erfolgreich mitmischen, muss es seine Bemühungen besser koordinieren.

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Bild: Lithiumabbau in der Region Minas Gerais, Brasilien.
Neue Ressourcen für den Alten Kontinent: Bei einer ganzen Reihe von Rohstoffen ist Europa auf Importe angewiesen. Lithiumabbau in der Region Minas Gerais, Brasilien.
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Energiewende, Elektromobilität, Digitalisierung: Dass sich der globale Bedarf an mineralischen Rohstoffen in den kommenden Jahren signifikant erhöhen wird, wird derzeit viel diskutiert. Gerade Deutschland ist als wichtiger EU-Wirtschaftsstandort und mit seiner exportorientierten Industrie auf eine verlässliche Versorgung mit Rohstoffen angewiesen.

Das gilt besonders für die Automobilindustrie, den Maschinenbau und die chemische Industrie. Jedes Produkt, jeder Produktionsschritt benötigt andere Rohstoffe oder eine andere Zusammensetzung derselben Rohstoffe. Das macht die Lieferketten metallischer Rohstoffe so komplex wie bedeutsam: Wird ein Rohstoff knapp, kann die Produktion zentraler ­Güter gefährdet sein.
 

Auf Importe angewiesen

Nur ein Teil der Rohstoffe für die deutsche und die europäische Industrie wird derzeit in heimischen Lagerstätten gefördert. Bei vielen anderen Ressourcen sind Unternehmen in Europa auf Importe aus anderen Ländern angewiesen. Und Europa wird seine Rohstoffversorgung nicht komplett autark gestalten können. Zwar lagern auch in den EU-Staaten Rohstoffe, die bereits erschlossen werden oder perspektivisch erschlossen werden können. Die Erhöhung von Recyclingquoten und Ansätze für die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft bieten eine zusätzliche Chance, Metalle langfristig zu nutzen. Doch wird das den steigenden Rohstoffbedarf auf absehbare Zeit nicht decken können; das zeigen auch die hohen Einfuhrzahlen. Laut Deutscher Rohstoffagentur (DERA) importierte Deutschland 2022 Metalle im Wert von 121,7 Milliarden Euro – mit steigender Tendenz. 

Wie Deutschland seine Lieferbeziehungen im Rohstoffsektor gestaltet, berührt allerdings nicht nur die unmittelbare Frage nach einer gesicherten Versorgung. Sie ist auch außenpolitisch – genauer gesagt geopolitisch – bedeutsam. Denn insbesondere China hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einem Drehkreuz für die Lieferketten von Metallen entwickelt. Die Volksrepublik ist ein wichtiger Lieferant für viele mineralische Rohstoffe oder daraus verarbeitete Produkte, die in Europa so dringend benötigt werden. 

Allein fast 100 Prozent ihrer Seltenen Erden bezieht die EU aus China. Auch bei anderen Rohstoffen sind die Abhängigkeiten hoch. 97 Prozent der Magnesiumim­porte, 71 Prozent der Importe von Gallium und 67 Prozent der Scandiumimporte kommen derzeit aus China. Wenn Europa diese hohen Abhängigkeiten reduzieren will, dann müssen europäische Staaten koordiniert vorgehen und schnell handeln. Denn der Wettbewerb um den Aufbau neuer Lieferbeziehungen mit rohstoffreichen Staaten ist in vollem Gange. 
 

Peking im Zentrum der Lieferketten

China hat sich seit seinem Beitritt zur WTO im Jahr 2001 als Drehkreuz in globalen Rohstofflieferketten etabliert. Chinesische Unternehmen sind an verschiedenen Stufen der Lieferkette von metallischen Rohstoffen beteiligt. Das gilt nicht nur für den Rohstoffabbau, den chinesische Bergbaufirmen im eigenen Land und in anderen rohstoffreichen Staaten betreiben. 

Die chinesische Führung verfolgt zudem seit den 1990er Jahren eine aktive Industriepolitik, um sich ins Zentrum der Rohstofflieferketten zu stellen. Sie unterstützt chinesische Unternehmen aktiv dabei, neue Märkte zu erschließen, indem sie bürokratische Hürden abbaut und ihnen Zugang zu benötigtem Kapital verschafft. Über die Seidenstraßen-Initative, der mittlerweile 148 Staaten angehören, hat China in rohstoffreichen Partnerstaaten die Energieinfrastruktur geschaffen, die für den enorm energieintensiven industriellen Bergbau unerlässlich ist. Der Aufbau von Häfen oder Schienennetzen stellt den Transport der Rohstoffe nach China sicher. Die chinesische Führung hat zudem eine ganze Reihe von lukrativen Verträgen abgeschlossen: Sie fördert Rohstoffprojekte in rohstoffreichen Staaten mit Krediten chinesischer Banken, und im Umkehrschluss erhalten chinesische Staatsfirmen Zugang zu Rohstoffen. 

Viele mineralische Rohstoffe werden also gar nicht in China abgebaut, sie nehmen nur einen Umweg über das Land, bevor sie nach Deutschland oder Europa gelangen. Ihre zentrale Rolle entlang von Rohstofflieferketten hat sich die Volksrepublik als globaler Standort für Schmelzen und Raffinerien gesichert. Chinesische Firmen verarbeiten verschiedene mineralische Rohstoffe aus allen Teilen der Welt weiter, um sie für die industrielle Produktion nutzbar zu machen. 
 

Unterschätztes Klumpenrisiko

Bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine standen diese Abhängigkeiten, auch „Klumpenrisiko“ genannt, kaum im Fokus der politischen Aufmerksamkeit. Zwar führten Versorgungsrisiken in früheren Zeiten im Jahr 2010 zur Verabschiedung der ersten deutschen Rohstoffstrategie. Die EU veröffentlichte 2011 zudem erstmals die „Liste für kritische Rohstoffe“, die damals noch 14 Rohstoffe zählte und heute bereits 34 umfasst. Doch war die Union von einem gemeinsamen Vorgehen bei der Rohstoffbeschaffung weit entfernt. 

 

Erst die Corona-Pandemie brachte das Thema Versorgungssicherheit auf die europäische Agenda

 

Die Corona-Pandemie mit Liefer- und Produktionsengpässen gerade bei kritischen Gütern wie Medizinprodukten brachte das Thema der Versorgungssicherheit verstärkt auf die politische ­Agenda. Und damit die Frage, wie die Politik Unternehmen besser unterstützen kann, sich gegenüber möglichen Versorgungsrisiken abzusichern. Über geopolitische Erwägungen und die Frage, ob sich die EU – als eines der größten Wirtschaftszentren der Welt – auf einzelne Staaten für die zentrale Versorgung in kritischen Sektoren verlassen kann und sollte, wurde dennoch nur am Rande diskutiert. Das änderte sich mit Russlands Angriff auf die Ukraine. 

Das Ausbleiben der russischen Gas­lieferungen mit Beginn des Krieges im Februar 2022 hat insbesondere Deutschland die Risiken hoher Abhängigkeiten von einzelnen Staaten vor Augen geführt. Im Gassektor – in dem mehrere europäische Staaten seit Beginn des russischen Angriffskriegs von Ausfällen betroffen sind – führte dies im Jahr 2023 zu einer ersten europäischen Ausschreibung, um gemeinsame Gaseinkäufe voranzubringen. Angesichts der wachsenden Versorgungsrisiken und zur Erhöhung der eigenen strategischen Handlungsfähigkeit soll nun auch die Rohstoffpolitik einem koordinierten europäischen Ansatz folgen. 
 

Europas Rohstoffgesetz

Im März 2023 stellte die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine gemeinsame Rohstoffstrategie vor, den EU Critical Raw Materials Act (EU CRMA). Dieser sieht den Auf- und Ausbau europäischer Kapazitäten vor, also die Stärkung des heimischen Bergbaus und die Weiterverarbeitung von Rohstoffen innerhalb der EU, wofür Genehmigungsverfahren erleichtert und finanzielle Mittel bereitgestellt werden sollen. Zudem will man die Kapazitäten für Recycling ausbauen. 

Der zweite Fokus des CRMA liegt auf dem Ausbau der internationalen Rohstoffkooperation. Viele Rohstoffe lagern nicht oder nicht in hinreichendem Maße in der EU, und die Umsetzung neuer Vorhaben in der EU kann nur mittel- bis langfristig umgesetzt werden – von der Exploration eines Rohstoffs bis zum Beginn des Abbaus dauert es mehrere Jahre. 

Daher will die EU so rasch wie möglich die Importe von kritischen Rohstoffen diversifizieren und neue Rohstoffpartner finden. Im Jahr 2030 sollen nur noch maximal 65 Prozent eines Rohstoffs, der in die EU exportiert wird, aus einem einzigen Drittland stammen. 

Mit der formalen Verabschiedung des EU CRMA – die möglicherweise um Ostern 2024 herum stattfinden könnte – kann die Umsetzung mithilfe des „Critical Raw Materials Board“ beginnen, einem Gremium, das die europäischen Bemühungen im Rohstoffsektor steuern soll. Die EU-Kommission wird hier den Vorsitz übernehmen, jeder Mitgliedstaat wird zudem eine Vertretung in das Gremium entsenden können. 

Es wird nicht leicht sein, die unterschiedlichen und weitreichenden Bedarfe europäischer Industrienationen zu koordinieren. Denn es muss den europäischen Mitgliedstaaten zeitnah gelingen, gemeinsame Zielvorstellungen zu entwickeln und trotz eigener Interessen und Konkurrenzen nicht gegeneinander, sondern mit­einander zu arbeiten. 

Dass sich mit Deutschland, Frankreich und Italien bereits drei wichtige Industrie­nationen seit September 2023 in einer Arbeitsgruppe zusammengefunden haben, um gemeinsame Perspektiven zu entwickeln, ist ein wichtiger Schritt, zumal alle drei Länder angekündigt haben, finanzielle Mittel bereitstellen zu wollen. Die EU-Kommission arbeitet zudem daran, eine Liste von strategischen Rohstoffprojekten im In- und Ausland zu identifizieren. Als „strategisch“ gelten Rohstoffprojekte, wenn sie die Versorgung in den folgenden vier Sektoren sichern: Clean Tech, Digital Tech, Verteidigung sowie Luft- und Raumfahrt. 
 

Wettlauf um Rohstoffpartnerschaften

Obwohl die Bemühungen der Kommission zur Umsetzung des CRMA im Vergleich zu anderen europäischen Prozessen bemerkenswert schnell vorangekommen sind, ist gerade bei der internationalen Rohstoffkooperation das Risiko derzeit besonders hoch, günstige Gelegenheiten zu verpassen. Denn der globale Wettbewerb um den Aufbau neuer Rohstoffpartnerschaften ist in vollem Gange. 

 

Bei der internationalen Rohstoffkooperation ist das Risiko derzeit besonders hoch, günstige Gelegen­heiten zu verpassen 

 

In den Vereinigten Staaten hat Präsident Joe Biden die Sicherung der Rohstoffversorgung längst zur Chefsache erklärt: Die USA wollen vorrangig über finanzielle Anreize wie den Inflation Reduction Act für amerikanische Firmen sowie über ausländische Direktinvestitionen neue Lieferketten erschließen. Die Vereinigten Staaten haben bereits 2022 ein Abkommen mit der Demokratischen Republik Kongo und Sambia unterzeichnet, das die Förderung von Industrieparks zum Aufbau von Komponenten für die Batterieproduktion vorsieht. Diese Batterien sollen dann langfristig von amerikanischen Firmen abgenommen werden und so Planungssicherheit ermöglichen, aber auch die Wertschöpfung vor Ort erhöhen. 
 

Neue Akteure, neue Ambitionen 

Auch die chinesische Regierung hat ihre Bemühungen verstärkt. Bei einem BRICS-Treffen im Oktober 2023 sicherte die Volksrepublik afrikanischen Staaten Unterstützung für Industrialisierungsvorhaben zu, die auch den Rohstoffsektor betreffen. China setzt zudem neue Projekte für den Aufbau der Solarindustrie in afrikanischen Staaten ins Werk: Dabei unterstützt Peking die Länder beim weiteren Aufbau der Lieferkette bis hin zur Solarpanele-Produktion, von der chinesische Firmen profitieren sollen. 

Mit Saudi-Arabien tummelt sich jetzt ein weiterer finanzstarker Akteur auf dem Markt für mineralische Rohstoffe. Saudi-Arabien hat in seiner „Vision 2030“ das Ziel definiert, neue Industrien aufzubauen und nimmt dabei mineralische Rohstoffe in den Blick. Die saudische Führung investiert in den Aufbau dieses Sektors, wofür das umfassende und etablierte Wissen aus dem Abbau fossiler Rohstoffe nutzbar gemacht werden soll. Im Jahr 2022 fand erstmals das „Future Minerals Forum“ in Riad statt, eine große Rohstoffkonferenz, die jährlich fortgesetzt wird und dazu beitragen soll, die Ambitionen der Regierung zu unterstreichen. 

 

Rohstofflieferanten im ­Süden wollen weitere Stufen der industriellen Produktion bei sich ansiedeln

 

Rohstoffreiche Staaten im Globalen Süden haben den geopolitischen Wettbewerb als Chance erkannt und wollen ihn nutzen, um sich aus der Position des Rohstofflieferanten zu lösen und weitere Stufen der industriellen Produktion bei sich anzusiedeln. Denn in den späteren Stufen der industriellen Produktion – also nach dem Rohstoffabbau und der Weiterverarbeitung in Schmelzen – kann auch eine höhere Wertschöpfung erzielt werden. Die Etablierung neuer Partnerschaften wird so mit den eigenen industriepolitischen Ambitionen verknüpft. 

Auf dem afrikanischen Kontinent, wo besonders viele Staaten von Rohstoff­exporten abhängig sind, zeigt sich das bereits deutlich. Die Afrikanische Union bereitet ihre eigene „Green Minerals ­Strategy“ vor, um afrikanische Staaten darin zu unterstützen, ihren Rohstoffsektor aufzuwerten. Einige Staaten wie Namibia, Ghana oder Simbabwe gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie haben Exportverbote für unverarbeitete Rohstoffe erlassen. Von neuen Rohstoffpartnern erwarten sie, dass diese den Aufbau von Infrastruktur, die für die Schaffung von weiteren industriellen Produktionsschritten unerlässlich ist, unterstützen und – ähnlich wie die USA und China es bereits tun – lukrative Angebotspakete schnüren und langfristige Perspektiven bieten. 
 

Europäische Rohstoffaußenpolitik

Die EU-Kommission war ebenfalls nicht untätig. Sie hat ihre Beziehungen im Rohstoffsektor mit einigen Staaten vertieft und strategische Rohstoffpartnerschaften mit Argentinien, Kanada, Chile, der Demokratischen Republik Kongo, Grönland, Kasachstan, Namibia, der Ukraine und Sambia geschlossen. Weitere Partnerschaften sind geplant. Über die Global Gateway Initiative unterstützt Brüssel den Aufbau des sogenannten Lobito-Korridors: Dieser sieht den Aufbau einer Transportinfrastruktur im Dreieck zwischen Sambia, Angola und der DR Kongo vor und soll die Umsetzung der Rohstoffkooperation zwischen Sambia und Angola unterstützen. Die Infrastruktur soll darüber hinaus auch anderen Sektoren zugutekommen. 

Die europäische Unterstützung des Lobito-Korridors ist zusätzlich mit der Partnerschaft für Globale Infrastruktur und Investitionen (PGII) verbunden, einer Ini­tiative der G7-Staaten, mit der diese ihre Infrastrukturinitiativen in Drittstaaten bündeln wollen, auch um ein Gegengewicht zu China zu bilden. 

Insbesondere die USA bemühen sich um eine stärkere Koordinierung im Rahmen der G7. Darüber hinaus haben sie die Minerals Security Partnership (MSP) ins Leben gerufen, eine transnationale Initiative, zu der Washington verschiedene befreundete Staaten eingeladen hat, um staatliche und private Investitionen im Rohstoffsektor zu bündeln. Der MSP gehören derzeit 13 Staaten an – darunter auch Deutschland, Frankreich und Italien –, die EU ist ebenfalls Mitglied. Mit den Bemühungen um eine stärkere Koordinierung im Rahmen der G7 oder in der MSP verfolgen die USA das Konzept des „Friendshoring“, wobei wirtschaftliche Kooperationen und Handelsbeziehungen vorrangig mit verbündeten oder befreundeten Staaten aufgebaut werden sollen. 
 

Vorsicht, Abhängigkeitsfalle!

Eine verstärkte Koordinierung über diese transnationalen Zusammenschlüsse ist für Deutschland und die EU auf den ersten Blick attraktiv, da so finanzielle Mittel gebündelt und besser koordiniert werden können. Andererseits muss die EU hier aufpassen, dass sie nicht in die Falle tappt, sich ähnlich wie bei der Sicherheit auf die amerikanischen Initiativen zu verlassen. Denn selbst für den Fall einer Wiederwahl von Joe Biden verfolgen die Vereinigten Staaten in erster Linie – und aus nachvollziehbaren Motiven – das Ziel der eigenen Rohstoffsicherung, das sie mit einer immer protektionistischer werdenden Wirtschafts- und Handelspolitik umzu­setzen versuchen. 

Wie sich das Wiedererstarken der Industriepolitik langfristig auswirken wird, bleibt abzuwarten. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan spricht jedoch bereits vom „New Washington Consensus“, der zu weniger statt zu mehr wirtschaftlicher Kooperation mit anderen Staaten führen könnte. In einem Szenario, in dem Donald Trump wieder zum Präsidenten gewählt wird, wäre eine Kooperation im Rohstoffsektor – und darüber hinaus – noch weniger planbar. 

 

Nicht nur eine Frage des Geldes

Um im geopolitischen Wettbewerb um den Zugang zu Rohstoffpartnerschaften und den Aufbau neuer zuverlässiger und belastbarer Lieferketten bestehen zu können, muss die EU erhebliche finanzielle Mittel lockermachen. Das kann nur gelingen, wenn die Mitgliedstaaten, die im besonderen Maße von einer gesicherten Rohstoffversorgung abhängig sind, bereit sind, voranzugehen. Frankreich hat bereits frühzeitig Zusagen gemacht. 

Die deutsche Regierung konnte sich im Januar 2024 darauf einigen, ebenfalls eine Milliarde Euro für den sogenannten Rohstofffonds bereitzustellen, die vorrangig als Garantien vergeben werden sollen. Dass diese Mittel – die angesichts der hohen Bedarfe ohnehin nicht viel Geld sind – fast noch den Haushaltskürzungen zum Opfer gefallen wären, hätte die dringend notwendigen Bemühungen auf europäischer Ebene konterkariert. Doch gerade Deutschland als wichtigste europäische Industrienation, die von Rohstoffimporten massiv abhängig ist, ist gefragt, hierbei aktiv voranzugehen. 

 

EU-Länder, die besonders von einer gesicherten Rohstoffversorgung abhängig sind, müssen vorangehen

 

Auch die Global Gateway Initiative kann nur bedingt Impulse setzen, wenn die Gelder dafür lediglich aus anderen Bereichen umgeschichtet werden und kein neues Kapitel für Investitionen zur Verfügung steht. Denn ob im Kontext von Global-Gateway-Förderungen die gewünschten Crowding-in-Effekte erzielt werden können – also über staatliche Investitionen zusätzliches privates Kapitel angezogen wird –, bleibt abzuwarten. 

Viele deutsche und europäische Firmen messen der Bedeutung der Diversifizierung ihrer Lieferketten noch nicht genügend Bedeutung bei. Der Aspekt der Versorgungssicherheit wird dabei eher unter dem Blickwinkel der Verfügbarkeit von Gütern betrachtet, während geopolitische Risiken noch zu wenig im Fokus sind. 

Die Frage der Rohstoffsicherung ist jedoch nicht nur eine Frage des Geldes, sondern bedarf einer strategischen Rohstoffaußenpolitik. Wie konkrete Angebote an rohstoffreiche Staaten aussehen können, kann nur im Dialog mit potenziellen Rohstoffpartnern ausgehandelt werden. Diese werden neue Lieferbeziehungen nur eingehen, wenn ihre wirtschaftlichen und industriepolitischen Interessen hinreichend berücksichtigt werden.  

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2024, S. 18-24

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Dr. Melanie Müller ist Wissenschaft­lerin mit Schwerpunkt Südliches Afrika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Co-Leiterin des Forschungsnetzwerks nachhaltige Lieferketten. 

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