Weltraumnutzung als politisches Konfliktpotenzial
Unendliche Weiten, unendliche Möglichkeiten? Ob für wissenschaftliche, kommerzielle oder militärische Zwecke: Die Nutzung des Weltraums spiegelt wie kaum ein anderes Politikfeld den menschlichen Drang nach Expansion und Innovation wider. In einem Beitrag aus dem Jahr 1984 betont der Autor die Notwendigkeit globaler Vereinbarungen, um potenziellen Interessenkonflikten vorzubeugen.
Von Stephan Freiherr von Welck
Anders als die Kontinente der Erde oder die Weltmeere ist der Weltraum ein unbegrenzter, unendlicher Raum. Um seine Dimensionen gedanklich erfassen zu können, sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Erde nicht mehr ist als ein kleiner Planet eines mittelgroßen Sterns – den wir Sonne nennen – am Rande des aus mehr als 100 Milliarden Sternen bestehenden Milchstraßensystems. Aus dieser Sicht ist der Weltraum als Ganzes weder räumlich definierbar noch erforschbar oder gar beherrschbar. Es kann also nur darum gehen, die Nahzonen der Erde und der darin befindlichen Gestirne zu erforschen oder zu nutzen beziehungsweise diesen Teil des Weltraums von der Erde selbst begrifflich zu unterscheiden. Der Naturwissenschaftler spricht deshalb auch vorsichtig von „extraterrestrischer Forschung", von „erdnahem Bereich" des Weltraums oder von „interplanetarem Raum".
Juristisch wird der Weltraum vom Luftraum der Erde unterschieden. Für beide Bereiche gelten verschiedene Rechtsgrundsätze. Aber auch insoweit ist es schwierig, eine scharfe Grenzlinie zu ziehen. Der Unterausschuss für Rechtsfragen des Weltraumausschusses der Vereinten Nationen befasst sich mit dieser Aufgabe bereits seit dem Jahre 1967. Es gelang ihm jedoch bisher nicht, sich auf eine allgemein anerkannte Grenzlinie oder Grenzzone zu einigen.
Ausgehend von der Feststellung, dass der für die Luftfahrt wesentliche Auftrieb in einer Höhe von 80 bis 100 Kilometer über der Erde nicht mehr wirksam ist, wird man die Grenze zwischen der Erde und dem übrigen Weltraum ungefähr in dieser Entfernung annehmen können. Die jüngsten konkreten Vorschläge im Weltraumausschuss der Vereinten Nationen zu diesem Thema aus dem Jahre 1983 sehen demgemäß auch eine Grenzzone in Höhe von 100 bis 110 Kilometer Entfernung von der Meeresoberfläche der Erde vor.
Erforschung und Nutzung des Weltraums
Die Erforschung des Weltraums ist so alt wie die menschliche Zivilisation. Hinter ihr steht der dem Menschen eigene Drang, sein Wissen und seine Kenntnisse zu erweitern – auch über „den Himmel" und seine Gestirne. Namen wie Claudius Ptolemäus, Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei, Johannes Kepler, Isaak Newton und Karl Friedrich Gauß stehen stellvertretend für jahrtausendealte astronomische Forschung.
Die Entwicklung der Weltraumtechnik in den letzten 30 Jahren hat auch die Weltraumforschung revolutioniert. Die Möglichkeit, von künstlichen Erdsatelliten aus ohne Beeinträchtigung durch die Erdatmosphäre in den Weltraum „zu sehen" oder Weltraumsonden auf die lange Reise zu anderen Planeten wie Mars, Venus oder Jupiter zu schicken und die dort gewonnenen wissenschaftlichen Daten zur Erde zu übermitteln, haben zu einer Fülle neuer „Entdeckungen" und einer Erweiterung unseres Wissens über den Weltraum und seine Gestirne geführt, die noch vor 30 Jahren nicht im entferntesten für möglich gehalten worden sind. Mit der sich abzeichnenden weiteren Entwicklung der Weltraumtechnik (bemannte Weltraumstationen, Kolonien auf dem Mond oder auf Planeten) wird dieser Trend voraussichtlich anhalten. Trotz dieser außerordentlichen Fortschritte in der Weltraumforschung während der letzten zwei Jahrzehnte muss jedoch festgestellt werden, dass unser Wissen über den Weltraum noch immer auf einen sehr kleinen erdnahen Bereich begrenzt ist.
Die Nutzung des Weltraums begann mit dem ersten erfolgreichen Start einer V-2-Rakete vom Forschungszentrum Peenemünde an der Ostsee am 2. Oktober 1942. Es ist bezeichnend, dass diese erste Weltraumrakete militärischen Zwecken diente.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden mehrere tausend Exemplare dieser Raketen im Kampfeinsatz verwendet. Auch hinter dem nächsten Meilenstein in der Geschichte der Weltraumnutzung, nämlich der ersten erfolgreichen Umkreisung der Erde durch einen künstlichen Satelliten am 4. Oktober 1957, stand nicht in erster Linie menschlicher Wissensdrang und Entdeckerfreude, sondern machtpolitisches Interesse. Sputnik 1 sollte vor allem die Vormachtstellung der Sowjetunion im Bereich der Weltraumtechnologie demonstrieren.
Seither hat sich die Nutzung des Weltraums in einer Geschwindigkeit weiterentwickelt, die allenfalls mit dem rapiden Fortschritt im Bereich der Mikroelektronik vergleichbar ist. Hierzu einige anschauliche Zahlen: Von 1957 bis 1982 wurden insgesamt 3125 Satelliten und andere künstliche Objekte in den Weltraum geschossen, davon allein 2069 von der Sowjetunion und fast 1000 von den Vereinigten Staaten. In den Jahren 1961 bis 1982 sind fast 100 bemannte Flüge in den Weltraum gestartet worden. Der bisher längste bemannte Flug im Weltraum dauerte 237 Tage. Der erste Kommunikationssatellit – Telstar 1 – konnte im Jahre 1962 60 Telefongespräche gleichzeitig vermitteln. Drei Jahre später übertrug der erste voll kommerziell genutzte Kommunikationssatellit „Early Bird" bereits gleichzeitig 240 Telefongespräche oder eine Schwarz-Weiß-Fernsehsendung zwischen Europa und Nordamerika. Mit den gegenwärtig genutzten Satelliten der INTELSAT-V-Generation können gleichzeitig 12.000 Telefongespräche und zwei Fernsehsendungen übermittelt werden.
Diese wenigen Daten machen deutlich, dass die Nutzung des Weltraums durch den Menschen bereits 27 Jahre nach dem Start des ersten Satelliten zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Es bedarf keiner außergewöhnlichen Fantasie, um vorauszusagen, dass diese Entwicklung anhalten und die Nutzung des Weltraums das Leben auf dem „Planeten Erde" in der unmittelbar vor uns liegenden Zukunft in noch weitaus größerem Maße als bisher beeinflussen und verändern wird.
Wirtschaftliche Nutzung
Die Nutzung des Weltraums ist bereits heute zum kommerziellen Geschäft geworden, jedenfalls in einem Bereich: dem der Nachrichtensatelliten. Mehr als 60 Prozent aller nichtmilitärischen Satelliten sind heute Nachrichtensatelliten. Sie bewältigen etwa 70 Prozent aller interkontinentalen Telefongespräche, Fernschreiben sowie Radio- und Fernsehsendungen. Aber auch innerhalb großflächiger Länder wie den Vereinigten Staaten werden Nachrichten aller Art in zunehmendem Maße mit Satelliten übermittelt. So werden beispielsweise die großen Wochenmagazine und Zeitungen in den Vereinigten Staaten, wie Time, Newsweek, USA Today und Wall Street Journal, von New York aus über Satellit in den Süden und Westen der USA sowie nach Übersee „verschickt". In einer Zeit, in der „die Ware Information" zu einem Wirtschaftsfaktor ersten Ranges geworden ist, ist die schnelle, zuverlässige und vielseitige Übermittlung von Nachrichten mithilfe von Satelliten zu einem stark expandierenden Wirtschaftszweig geworden. Dazu tragen auch die durch die schnelle technische Entwicklung bedingten Preissenkungen bei. Während 1965 die Jahresmiete für eine Fernsprechleitung über INTELSAT I noch 32.000 Dollar betrug, mussten im Jahre 1983 nur noch etwa 5000 Dollar für eine solche Leitung bezahlt werden. Entsprechend sanken die Investitionskosten pro Fernsprechkanal: 1964 betrugen sie 32.000 Dollar, im Jahre 1980 nur noch 800 Dollar.
Zu einem kommerziellen Geschäft dürfte sich aber auch das Raumtransportgewerbe entwickeln. Man rechnet damit, dass bis 1990 insgesamt etwa 200 kommerzielle Satelliten in den Weltraum befördert werden. Der „Speditionstarif" für den Transport von einer Tonne Nutzlast in die geostationäre Umlaufbahn (etwa 36.000 Kilometer über der Erdoberfläche) kostet zurzeit etwa 100 Millionen DM. Die europäische Industrie hat sich bereits darauf eingestellt: Das Raumtransportgewerbe mit der europäischen Trägerrakete „Ariane" ist einer Privatfirma, ,,Arianespace", übertragen worden, die vor vier Jahren unter maßgeblicher französischer Beteiligung von 47 europäischen Banken und Unternehmen gegründet worden ist. Auch in den Vereinigten Staaten ist inzwischen ein Gesetz verabschiedet worden, das den kommerziellen Einsatz von Raumtransportern (neben dem Space Shuttle) zulässt und fördert.
Schließlich ist auch die Produktion von Satelliten zu einem nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor geworden. Jährlich werden etwa 400 Tonnen „Satellitenmasse" in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht bei einem Marktwert pro Kilogramm „Satellitenmasse" in der Größenordnung von etwa 100.000 DM. Verglichen mit einem Marktwert je Kilogramm für Flugzeuge in Höhe von 1000 DM, für Fernsehapparate von 100 DM und für Autos von 10 DM, bedeutet das einen jährlichen Produktionswert für Satelliten von etwa 40 Milliarden DM. Bisher wird dieser Markt allerdings zum weitaus größten Teil von den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion genutzt.
Ob auch die Fernerkundung sowie die Herstellung von biotechnologischen und pharmazeutischen Produkten oder neuen Werkstoffen und Materialien auf Weltraumstationen ein kommerzielles Geschäft wird, lässt sich zurzeit noch nicht absehen. Zwar ist in den Vereinigten Staaten im Sommer 1984 ein Gesetz zur Kommerzialisierung der Fernerkundung verabschiedet worden. In welchem Ausmaß die amerikanische Industrie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Militärische Nutzung
Am Beginn der militärischen Nutzung des Weltraums stand der Einsatz von Raketen im Zweiten Weltkrieg. Heute basiert die Strategie von Ost und West weitgehend auf dem Einsatz nuklearer ballistischer Offensivraketen, die die gegenseitige Abschreckung beziehungsweise die „gegenseitige gesicherte Vernichtungsfähigkeit" beider Seiten garantieren sollen. Die Wirksamkeit dieses strategischen Konzepts beruht ganz wesentlich auf einem vielseitig nutzbaren System von Satelliten: einerseits zur Überwachung der militärischen Operationen des potenziellen Gegners und zur Frühwarnung vor Offensivmaßnahmen, andererseits zur Aufrechterhaltung der Nachrichtenverbindungen zwischen den Kommandozentralen und den operativen Einheiten. Die Verteidigungsfähigkeit beider Großmächte ist deshalb heute in hohem Maße von ihren Fernmelde-, Frühwarn-, Aufklärungs-, Wetter- und Navigationssatelliten abhängig. Bis Ende 1983 wurden von beiden Seiten insgesamt etwa 2100 Satelliten mit militärischem Auftrag in den Weltraum gestartet, wobei deren spezielle Funktion wegen der strikten Geheimhaltung nicht immer genau identifizierbar ist. Die große verteidigungspolitische Bedeutung dieser Satelliten führte wiederum zur Entwicklung von Antisatellitenwaffen, die zurzeit allerdings technologisch noch nicht voll ausgereift sind. Dabei verfolgen beide Supermächte prinzipiell verschiedene technologische Konzepte: Die Sowjetunion setzt auf den Einsatz von Angriffssatelliten, die, von Interkontinentalraketen in den Weltraum gebracht, sich einem gegnerischen Satelliten auf seiner Umlaufbahn nähern und ihn zerstören. Die Vereinigten Staaten erproben demgegenüber den Einsatz kleiner lenkbarer Raketen, die von in großer Höhe fliegenden Flugzeugen auf den feindlichen Satelliten abgefeuert werden.
Die technologische Entwicklung im Bereich der militärischen Nutzung des Weltraums ist in den letzten Jahren in einer Geschwindigkeit fortgeschritten, die von der Bevölkerung in Ost und West weitgehend unbemerkt geblieben ist. Sie wird getragen von der Befürchtung beider Weltmächte, auf diesem für die globale Strategie unverzichtbar gewordenen technologischen Gebiet hinter der anderen zurückzubleiben. Dadurch ist auch in diesem Bereich eine Rüstungsspirale in Gang gesetzt worden, die mit erheblichen, schwer kalkulierbaren Risiken verbunden ist.
Politische Konflikte
Die Erforschung und Nutzung des Weltraums haben in den letzten Jahren eine politische Bedeutung erhalten, die schon jetzt die zwischenstaatlichen Beziehungen wesentlich mitbestimmt. Es geht heute nicht mehr lediglich um den von menschlicher Neugier getragenen Drang nach mehr Wissen über den Weltraum und seine Gestirne oder die Stellung der Erde im Verhältnis zur Sonne und anderen Himmelskörpern, sondern letztlich um die Beherrschung und Nutzung zumindest des erdnahen Bereichs des Weltraums. Nach der Entdeckung auch der letzten „weißen Flecken" auf der Landkarte der Erde, nach der Eroberung der Weltmeere und der Nutzung des Meeresbodens versucht der Mensch nunmehr, den Raum „Weltall" unter seine Herrschaft zu bringen. Wenn die Entwicklung bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums in der bisherigen Geschwindigkeit vorangeht – und alle Anzeichen sprechen hierfür –, so darf angenommen werden, dass ein Staat im nächsten Jahrhundert nur dann politisch eine wesentliche Rolle spielen wird, wenn er fähig und gewillt ist, den Weltraum zu nutzen und zu beherrschen, und zwar militärisch wie wirtschaftlich. In diesem Zusammenhang gesehen, sind die Erforschung und Nutzung des Weltraums heute zu einem Politikum ersten Ranges geworden. Weltraumpolitik ist, so gesehen, in erster Linie Machtpolitik.
Die Probleme, die sich daraus ergeben, sind grundsätzlicher Art. Sie werden uns in den kommenden Jahren in zunehmendem Maße beschäftigen. Auf einige dieser Probleme soll im Folgenden kurz eingegangen werden.
Der Weltraum-Klub
Die Erforschung, Nutzung und Beherrschung des Weltraums setzen neben dem politischen Willen zu langfristigem Engagement in diesem Bereich ein breites Forschungspotenzial, die Beherrschung modernster Hochtechnologien und die Bereitstellung erheblicher finanzieller wie personeller Mittel voraus. Sie sind deshalb denjenigen Staaten vorbehalten, die über entsprechende Voraussetzungen verfügen.
Dies sind in erster Linie die beiden Weltmächte Vereinigte Staaten und Sowjetunion, die nicht nur über eigene Träger- und Satellitensysteme verfügen, sondern in allen bisher möglichen Gebieten der Weltraumnutzung engagiert und von der Zusammenarbeit mit anderen Staaten unabhängig sind. Diese beiden Staaten investieren etwa 90 Prozent aller finanziellen und personellen Mittel für die Erforschung und Nutzung des Weltraums. Für beide Staaten ist die Weltraumnutzung nicht nur – wie zumeist angenommen wird – ein Wettlauf um technologische, militärische und politische Vormachtstellung, sondern auch ein Bereich gemeinsamer Interessen als Supermächte zur Kontrolle und Beherrschung ihrer jeweiligen politischen Einflusssphären.
Diese gemeinsamen Interessen haben ihren formellen Niederschlag in einer Reihe zweiseitiger Abkommen zwischen den Supermächten gefunden. So haben beide Staaten in den Jahren 1972 und 1979 die SALT-I- und SALT-II-Abkommen unterzeichnet, die den Einsatz von Aufklärungssatelliten (für die sie bisher ein Monopol haben) ausdrücklich zulassen. Im Mai 1972 einigten sie sich auf ein Abkommen über Zusammenarbeit bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums für friedliche Zwecke, das unter anderem den gegenseitigen Austausch von Forschungsergebnissen und Daten, die Entwicklung standardisierter Mittel für die Koppelung bemannter Raumschiffe sowie die Zusammenarbeit bei der Ausgestaltung des Weltraumrechts vorsehen. Dieses Abkommen wurde 1977 mit wenigen Änderungen um fünf Jahre verlängert. Ein Jahr später begannen amerikanisch-sowjetische vorbereitende Gespräche über Antisatellitenwaffen, die jedoch bald darauf wieder abgebrochen wurden.
Neben den beiden Supermächten sind auch Westeuropa, Japan, China und Indien in der Lage, mit eigenen Raketen und Satelliten sich an der Nutzung des Weltraums zu beteiligen, wenn auch bisher beschränkt auf bestimmte Anwendungsbereiche wie Kommunikation, Navigation oder Erdbeobachtung und – bis auf China – in zumindest partieller technologischer Abhängigkeit von einer der beiden Supermächte. Diese sechs Staaten beziehungsweise Staatengruppe bilden den sogenannten Weltraum-Klub. Es ist bezeichnend, dass dieser Klub im Kern identisch ist mit den Mitgliedern des Atom-Klubs, des Antarktis-Klubs und des Tiefseebergbau-Klubs.
Die Spannungen und Konflikte, die sich aus dieser Struktur ergeben, werden auf die weltpolitische Szene in demselben Maße einwirken, in dem die Erforschung und Nutzung des Weltraums durch die „Klub-Mitglieder" an Intensität und Breite gewinnen. Die Entwicklung der Hochtechnologie, die militärische Stärke, die Möglichkeit der Informationsgewinnung und -verbreitung und nicht zuletzt der wirtschaftliche Wohlstand, den die intensive Nutzung des Weltraums langfristig bringen dürfte, werden in den „Weltraumstaaten" entscheidend zunehmen; die Kluft zwischen den „Haves" und den „Have-nots" wird sich dadurch wahrscheinlich dramatisch verschärfen. Ob der Einsatz von Weltraumtechnologie zugunsten der Entwicklungsländer – wie beispielsweise Landvermessung, Prospektion von Rohstoffen und Wettervorhersage mit Hilfe von Fernerkundungssatelliten oder die Benutzung weltweiter Satellitensysteme zur Verbesserung der Bildungs- und Gesundheitsprogramme in Entwicklungsländern – diese Entwicklung in Grenzen halten kann, wird maßgeblich von der Einsicht und dem politischen Willen der Mitglieder des „Weltraum-Klubs" abhängen.
Weltraumgestützte Raketenabwehrsysteme
Der Gedanke einer Verteidigung gegen Raketen ist so alt wie die militärische Bedrohung durch sie. Die bald nach der Entwicklung ballistischer Raketen einsetzenden Bemühungen der beiden Supermächte um den Aufbau von Raketenabwehrsystemen fanden jedoch im Jahre 1972 durch den Vertrag über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Flugkörper (ABM-Vertrag) einen vorläufigen Abschluss. Der Vertrag bringt in das Vertragssystem von Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle ein völlig neuartiges Element hinein: er verbietet dem Gegner – mit wenigen speziell genannten Ausnahmen –, ich gegen Angriffe mit ballistischen Raketen zu verteidigen. Hinter diesem Verbot steht das strategische Konzept der gegenseitigen Abschreckung oder „gegenseitigen gesicherten Vernichtungsfähigkeit", das nicht nur auf dem massiven Aufbau nuklearer Offensivraketen beruht, sondern darüber hinaus den beiderseitigen Verzicht auf effektive Verteidigung gegen diese Raketen fordert.
Die durch neuere Erkenntnisse genährten Befürchtungen der Vereinigten Staaten, die Sowjetunion halte sich nicht strikt an die Verbote des ABM-Vertrags, sowie die immer deutlicher werdende Kritik im Westen an den ethisch-moralischen Grundlagen des geltenden strategischen Konzepts der gegenseitigen gesicherten Vernichtungsfähigkeit haben dazu geführt, dass auch die Vereinigten Staaten den Gedanken eines Raketenabwehrsystems wieder aufgegriffen haben, diesmal in Form eines weltraumgestützten Abwehrsystems. Am 23. März 1983 kündigte Präsident Reagan in seiner sogenannten „Star-War"-Rede ein Forschungsprogramm zur Entwicklung eines neuartigen strategischen Defensivsystems gegen ballistische Raketen an, das die Verwendung weltraumgestützter Sensoren zur Entdeckung, Identifizierung und Verfolgung angreifender ballistischer Raketen sowie weltraumgestützte Laser und Partikelstrahlenwaffen vorsieht. Auch wenn es sich bei dieser sogenannten „Strategic Defense Initiative" der Amerikaner zunächst lediglich um ein Forschungsprogramm handelt und eine Entscheidung über den Aufbau eines solchen Verteidigungssystems nicht vor 1990 erwartet werden kann, werfen die Energie und Entschlossenheit, mit der die Vereinigten Staaten an die Verwirklichung der strategischen Verteidigungsinitiative herangehen, doch bereits jetzt erhebliche Probleme auf.
Einmal bedeutet die Inangriffnahme der „Strategic Defense Initiative" den Beginn einer fundamentalen Änderung des strategischen Konzepts, was schon für sich allein genommen destabilisierend wirkt. Das gilt ganz besonders für die Übergangsphase von einem Konzept zum anderen. Zweitens spricht einiges dafür, dass der Aufbau eines weltraumgestützten Defensivsystems, wie es nun von den Vereinigten Staaten in Betracht gezogen wird, zu einem neuen Rüstungswettlauf führen kann. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass ein Wettlauf um das bessere Defensivsystem qualitativ etwas anderes ist als der Wettlauf um Offensivsysteme. Schließlich würde ein weltraumgestütztes Raketenabwehrsystem vor allem Westeuropa vor neue verteidigungspolitische Probleme stellen. Selbst wenn der von den Vereinigten Staaten aufgebaute „Verteidigungsschild" nicht nur eine „Festung Amerika", sondern auch Europa schützen würde – was die Amerikaner versichern –, ein hundertprozentiger Schutz gegen sowjetische ballistische Raketen wäre auch nach amerikanischen Vorstellungen technisch nicht erreichbar. Zudem würde ein solcher „Verteidigungsschild" wohl kaum Schutz gegen die Europa besonders gefährdenden sowjetischen Marschflugkörper, Kurzstreckenraketen und tieffliegenden Bomber bieten.
Trotz dieser Bedenken bleibt jedoch der Ansatz der amerikanischen Überlegungen zum Aufbau eines weltraumgestützten Raketensystems positiv. Denn es stellt Verteidigung an die Stelle von Angriff. Es würde langfristig die Abkehr von einem strategischen Konzept bedeuten, dessen wesentliches Element, nämlich die gegenseitige gesicherte Vernichtbarkeit, den moralisch-ethischen Grundlagen einer humanen Gesellschaft widerspricht.
Rüstungskontrolle im Weltraum
In den Jahren zwischen 1963 und 1974 haben die beiden Supermächte wirksame Maßnahmen zur Rüstungskontrolle im Weltraum vereinbart – teils bilateral, teils multilateral: Im Jahre 1963 wurde der sogenannte partielle Teststopp-Vertrag abgeschlossen, der unter anderem Versuchsexplosionen von Kernwaffen im Weltraum verbietet. Vier Jahre später wurde der Weltraum-Vertrag unterzeichnet, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichtet haben, keine Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Erdumlaufbahn zu bringen und weder Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken noch solche Waffen im Weltraum zu stationieren. Der Mond und die anderen Himmelskörper dürfen nur zu friedlichen Zwecken benutzt werden. Auch die Errichtung militärischer Stützpunkte, Anlagen und Befestigungen, das Erproben von Waffen jeglicher Art und die Durchführung militärischer Übungen auf Himmelskörpern sind durch den Weltraum-Vertrag verboten worden. Im Mai 1972 schlossen beide Supermächte den Vertrag über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Flugkörper (ABM-Vertrag) ab, der beiden Seiten nur je zwei zahlenmäßig und räumlich begrenzte Raketenabwehrsysteme gestattet – eines zur Verteidigung der jeweiligen Hauptstadt und eines zur Verteidigung landgestützter Abschussrampen für Interkontinentalraketen. Das zur gleichen Zeit abgeschlossene Interimsabkommen über bestimmte Maßnahmen zur Begrenzung strategischer Angriffswaffen friert die Bestände an Abschussvorrichtungen für Interkontinentalraketen und für U-Boot-gestützte ballistische Raketen auf beiden Seiten im Wesentlichen auf dem Stand von 1972 ein. Im Juli 1974 einigten sich beide Regierungen auf ein Protokoll zu dem ABM-Vertrag, das die zulässigen Raketenabwehrsysteme auf je eins begrenzt. Seither haben die Bemühungen um weitere Maßnahmen zur Rüstungskontrolle im Weltraum – trotz oder wegen der zunehmenden Militarisierung des Weltraums – zu keinem konkreten Ergebnis geführt.
Im Vordergrund des Interesses steht zurzeit ein umfassendes Verbot von Antisatellitenwaffen. Die Sowjetunion ist an einem solchen Verbot interessiert, weil die von ihr entwickelten Antisatellitenwaffen sehr viel weniger flexibel eingesetzt werden können als die noch in der Entwicklung befindlichen amerikanischen Waffen. Sie hat sich daher im Jahre 1978 bereit erklärt, Verhandlungen über eine Begrenzung von Antisatellitenwaffen aufzunehmen. Diese Verhandlungen wurden jedoch nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan von den Vereinigten Staaten abgebrochen und trotz jüngster sowjetischer Bemühungen sowie innenpolitischen Drucks vonseiten des amerikanischen Kongresses bisher nicht wieder aufgenommen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Neben mangelndem Vertrauen der Amerikaner in die Vertragstreue der Sowjetunion und erheblichen Zweifeln, ob ein Verbot dieser Waffen verifizierbar ist, sind wohl auch der Stand der amerikanischen Entwicklung von Antisatellitenwaffen, die Möglichkeit, Versuche mit Antisatellitenwaffen für die Entwicklung weltraumgestützter Raketenabwehrsysteme zu nutzen, sowie taktische Überlegungen im Vorfeld des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs für die bis dahin ablehnende Haltung der Amerikaner verantwortlich gewesen. Die unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen von beiden Großmächten bekanntgegebene Absicht, Anfang 1985 vorbereitende Gespräche über alle Abrüstungsthemen aufzunehmen, lässt jedoch die Hoffnung zu, dass die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion in absehbarer Zeit auch über Antisatellitenwaffen, zumindest aber über ein Verbot von Waffen zur Bekämpfung sehr hoch fliegender Satelliten, verhandeln werden.
Ebenfalls zur Diskussion steht ein Verbot von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für die Aufstellung weltraumgestützter Raketenabwehrsysteme. Der ABM-Vertrag von 1972 verbietet zwar, solche Systeme zu stationieren und Grundlagen für eine solche Verteidigung zu schaffen, er lässt aber Forschungsprogramme zu, die die Möglichkeit weltraumgestützter Raketenabwehrsysteme untersuchen sollen. Danach ist das von Präsident Reagan im März 1983 initiierte Forschungsprogramm der „Strategic Defense Initiative" nach dem ABM Vertrag zulässig. Um dieses Programm zu verhindern, hat die Sowjetunion im August 1983 den Entwurf eines Abkommens über ein Verbot der Gewaltanwendung im Weltraum in die Generalversammlung der Vereinten Nationen eingebracht. Der Entwurf untersagt unter anderem eine Stationierung jeglicher Waffen im Weltraum, lässt jedoch den Besitz von Weltraumwaffen zu und begrenzt die Verifizierung auf ausschließlich nationale technische Mittel.
Ob die Vereinigten Staaten auf diesen Vorschlag eingehen werden, bleibt abzuwarten. In Anbetracht des technologischen Vorsprungs der Sowjetunion bei der Entwicklung und beim Aufbau eines Raketenabwehrsystems und der Bemühungen der Amerikaner, diesen Vorsprung durch die „Strategic Defense Initiative" aufzuholen und umzukehren, bleiben erhebliche Zweifel, ob Rüstungsbegrenzungsverhandlungen in diesem Bereich in absehbarer Zeit aufgenommen und zu konkreten Ergebnissen führen werden.
Direktfernseh-Satelliten und Informationsfreiheit
Die Technologie für die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen über Hochleistungssatelliten zum unmittelbaren Empfang mit Heim-Parabolantennen ist weitgehend ausgereift. Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten und Japan stehen Direktfernseh-Satelliten und die dazugehörigen Empfangsanlagen vor oder in der Erprobung. Japan hat bereits den ersten direktsendenden Fernsehsatelliten Anfang 1984 in die geostationäre Erdumlaufbahn gebracht. Der erste deutsche Direktfernseh-Satellit „TVSat" soll 1985 in den Weltraum gestartet werden, unmittelbar gefolgt von dem baugleichen französischen TDF.
Der Betrieb solcher Fernsehsatelliten bereitet ernsthafte Probleme – im Weltraum und auf dem „Planeten Erde". Im Weltraum werden die „Parkplätze" für Nachrichtensatelliten ein schließlich Direktfernseh-Satelliten knapp. Das mag in Anbetracht der Grenzenlosigkeit des Weltraums nicht gleich einleuchten, wird aber verständlich, wenn man bedenkt, dass es wegen der spezifischen Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde nur eine Umlaufbahn gibt, in der ein Satellit über einem bestimmten Punkt der Erde „feststeht": die sogenannte geostationäre Umlaufbahn, die direkt über dem Äquator in einer mittleren Höhe von knapp 36.000 Kilometer verläuft. Auf dieser Umlaufbahn sind bereits mehr als 160 Nachrichtensatelliten stationiert. Ihre Zahl wächst derzeit um jährlich etwa 18 Prozent. Um gegenseitige Übertragungsstörungen zu vermeiden und notwendige Nachsteuerungen der Position der Satelliten zu ermöglichen, müssen sie untereinander einen Abstand von etwa 4000 Kilometer einhalten. Das hat dazu geführt, dass der „Parkplatz" für Nachrichtensatelliten im Weltraum bereits eng geworden ist. Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) in Genf hat die Aufgabe übernommen, den begehrten „Parkplatz" für Fernseh- und Rundfunk-Direktsatelliten im Weltraum unter den Staaten der Erde aufzuteilen, und zwar unabhängig von ihrer Größe und ihrem voraussichtlichen Bedarf. Dass dabei Verteilungsprobleme und Interessenkollisionen nicht ausbleiben, liegt auf der Hand.
Sehr viel weitreichender sind jedoch die politischen Probleme, die durch den Betrieb von Direktfernseh-Satelliten auf der Erde verursacht werden. Sie berühren unmittelbar die Fundamente der Informationsfreiheit, der öffentlichen Meinung und der durch sie mitgeprägten Politik.
Die bisher verfügbaren Informationsmittel wie Telefon, Radio und Fernsehen erlaubten wegen ihrer Abhängigkeit von Leitungen und Relaisstationen eine nahezu totale Grenzkontrolle. Ausnahmen, wie beispielsweise Rundfunk- und Fernsehsendungen von der Bundesrepublik Deutschland in die DDR, sind untypisch und bleiben in ihren regionalen Auswirkungen begrenzt. In Zukunft wird es jedoch technisch möglich sein, mit Hilfe direktsendender Fernsehsatelliten unkontrolliert und unbegrenzt in das Gebiet jedes Staates „einzudringen" und seine kulturelle Eigenart beziehungsweise sein politisches System zu beeinflussen. Welche Auswirkungen dies langfristig auf das Zusammenleben der Menschen, aber auch auf die öffentliche Meinungsbildung, Werbung und Propaganda in westlichen wie in östlichen Staaten sowie Entwicklungsländern haben wird, lässt sich nur erahnen. Ein „Abschotten" der Bevölkerung bestimmter Staaten von Informationen und Meinungen wird jedenfalls in Zukunft – wenn überhaupt möglich – sehr viel schwieriger werden.
Die Sowjetunion hat die politische Brisanz dieser Entwicklung bereits früh erkannt und schon 1972 in den Vereinten Nationen den Entwurf einer Konvention über die Nutzung von Satelliten für Fernseh-Direktsendungen eingebracht, und zwar mit dem Ziel, bei grenzüberschreitenden Sendungen den Betreiberstaat zu verpflichten, vor einer Sendung in einen anderen Staat hinein die vorherige Zustimmung dieses Staates einzuholen. Seither hat sich der Weltraumausschuss der Vereinten Nationen mit der Aufgabe befasst, Prinzipien zur völkerrechtlichen Regelung des Satelliten-Direktfernsehens zu erarbeiten. Auch in der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) und der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) ist dieses Thema ausführlich erörtert worden.
In der Zwischenzeit sind die Verhandlungen im Weltraumausschuss mit der Annahme der Resolution der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über Prinzipien für das direkte Satellitenfernsehen zu einem vorläufigen Abschluss gebracht worden. Die Resolution setzt gegen die Stimmen zahlreicher westlicher Staaten das von den sozialistischen Ländern, den Entwicklungsländern, aber auch einigen westlichen Staaten wie Frankreich und Kanada favorisierte Prinzip der Zustimmung und Kontrolle von grenzüberschreitenden Fernseh-Direktsendungen durch.
Die UNESCO verabschiedete 1978 eine sogenannte Mediendeklaration, die als Kompromiss eine freie, aber zugleich auch „umfassendere und ausgewogenere" Informationsverbreitung fordert. Sehr viel spezieller sind die Regeln, die im Rahmen der ITU auf den Welt-Funkverwaltungskonferenzen 1977 und 1979 vereinbart worden sind. Obwohl diese Konferenzen der ITU lediglich das Mandat haben, technische Regeln unter anderem für Fernseh-Direktsendungen auszuarbeiten, haben sie in der für die Zukunft des Satelliten- Direktfernsehens entscheidenden politischen Auseinandersetzung zwischen Verteidigern der Informationsfreiheit einerseits und Befürwortern staatlicher Kontrolle grenzüberschreitender Informationen andererseits weitreichende Entscheidungen getroffen: Nach den ITU-Regeln in der Fassung von 1979 ist gezieltes Ausstrahlen von Fernsehsendungen auf das Gebiet anderer Staaten ohne deren Zustimmung unzulässig. Lediglich technisch unvermeidbare Überstrahlungen (sogenannter Spill-over) mit für das eigene Staatsgebiet bestimmten Sendungen bedürfen nicht der Zustimmung des davon betroffenen Staates. Trotz ihres vom Ansatz her technischen Charakters sind diese ITU-Regeln völkerrechtlich verbindlich.
Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie bald diese Prinzipien und Vereinbarungen durch die schnell voranschreitende technologische Entwicklung im Bereich der Direktfernseh-Satelliten und der dazugehörigen Empfangsstationen überholt werden. Das letzte Wort zur Kontrolle grenzüberschreitender Satelliten-Fernsehsendungen scheint jedenfalls noch nicht gesprochen zu sein.
Erkundungs-Satelliten und nationale Souveränität
Auch die Technologie zur Fernerkundung der Erde mit Hilfe von Satelliten ist weit fortgeschritten. Der erste experimentelle Fernerkundungs-Satellit wurde bereits im Juli 1972 von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA in eine Erdumlaufbahn gebracht. Heute ist es möglich, kontinuierlich Bilddaten von der Erde zu erfassen, und zwar durch gleichzeitige Aufnahme mehrerer deckungsgleicher Bilder in verschiedenen Spektralbereichen, die mithilfe von Großrechnern ausgewertet werden. Diese Technik lässt Aussagen über die Erde zu, die weit über die Interpretationsmöglichkeiten bisheriger fotografscher Aufnahmen hinausgehen.
Die Anwendung dieser Technologie ist äußerst vielseitig. Sie reicht von der Meeresbeobachtung zur Feststellung der Wellenhöhe, der Strömungen und der Wassertemperaturen über die Erfassung meteorologischer Daten für die Wettervorhersage, die Beobachtung landwirtschaftlicher Anbauflächen für Erntevorhersagen und die Gewinnung von Daten für die Prospektion von Erdöl- und Mineralvorkommen bis hin zu militärischer Aufklärung und Überwachung. Die Vielseitigkeit dieser Nutzungsmöglichkeiten ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung – nicht zuletzt für die Entwicklungsländer, von denen einige sich durch den Betrieb von Bodenstationen zur Erfassung und Übermittlung der von Fernerkundungs-Satelliten aufgenommenen Daten bereits an der Nutzung dieser neuen Technologie beteiligen.
Der Einsatz dieser Satelliten stellt die internationale Gemeinschaft aber auch vor ganz neue politische Probleme. Denn die Möglichkeit, jederzeit präzise Informationen über potenzielle Rohstoffvorkommen, jährliche Ernteaussichten oder militärische Operationen anderer Staaten zu erhalten, und zwar ohne deren Wissen und Einwilligung, ist ein machtpolitischer Faktor ersten Ranges.
Der Weltraumausschuss der Vereinten Nationen hat sich deshalb auf Veranlassung der Sowjetunion und mit Unterstützung zahlreicher Entwicklungsländer auch dieses Problems frühzeitig angenommen. Seit mehreren Jahren wird dort über Prinzipien zur Fernerkundung der Erde verhandelt. Hauptstreitpunkt ist auch hier das von den westlichen Industrieländern vertretene Prinzip der Freiheit des Informationsflusses, dem die Staaten des Warschauer Paktes sowie die Entwicklungsländer das Prinzip staatlicher Souveränität entgegensetzen. Sie verlangen unter Berufung auf dieses Prinzip, dass Daten über ihr Territorium nur nach vorheriger Zustimmung mit Fernerkundungs-Satelliten erfasst und auch nur mit ihrer Zustimmung an Dritte weitergegeben werden dürfen.
Eine Einigung über diese zentrale politische Frage, die durch den Einsatz von Erderkundungs-Satelliten aufgeworfen wird, lässt sich noch nicht absehen.
Ansätze für ein internationales Regime
Die schnell voranschreitende Erforschung und vor allem Nutzung des Weltraums und die damit verbundenen Interessenkonflikte und Probleme verlangen nach einer internationalen rechtlichen Ordnung. Ohne eine solche Ordnung werden die Interessengegensätze in zunehmendem Maße zu unkontrollierten Konfliktherden und Ursachen internationaler macht- und wirtschaftspolitischer Auseinandersetzungen. Die Hauptakteure der Nutzung des Weltraums haben daher schon in einem relativ frühen Stadium damit begonnen, die Erforschung und Nutzung des Weltraums für militärische und friedliche Zwecke durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die Verabschiedung von Resolutionen, die Annahme von Prinzipien und die Einigung auf verbindliche technische Regeln rechtlich zu gestalten. Hierbei kommt der Arbeit der Vereinten Nationen, insbesondere ihres Weltraumausschusses, eine besondere Rolle zu. Im Bereich der friedlichen Nutzung des Weltraums wurden bisher folgende Regelungen und Vereinbarungen getroffen:
- Deklaration der Vereinten Nationen Nr. 1962 (XVIII) vom 13. Dezember 1963 von Rechtsgrundsätzen für die Tätigkeit von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums;
- Vertrag vom 27. Januar 1967 über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (Weltraumvertrag);
- Übereinkommen vom 22. April 1968 über die Rettung und Rückführung von Raumfahrern sowie die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen (Weltraumrettungsabkommen);
- Übereinkommen vom 29. März 1972 über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände (Weltraumhaftungsabkommen);
- Übereinkommen vom 14. Januar 1975 über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen (Weltraumregisterabkommen);
- Vertrag vom 5. Dezember 1979 über die Tätigkeit der Staaten auf dem Mond und den anderen Himmelskörpern (Mondvertrag);
- Resolution der Vereinten Nationen Nr. 37/92 vom 10. Dezember 1982 über Prinzipien für das direkte Satellitenfernsehen;
- Radio-Regulation der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) Nr. 6222 in der Fassung der Schlussakte der Welt-Funkverwaltungskonferenz 1979 vom 6. Dezember 1979.
Im Bereich der militärischen Nutzung des Weltraums und der Rüstungskontrolle wurden darüber hinaus bisher folgende Vereinbarungen getroffen:
- Vertrag vom 5. August 1963 über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser (partieller Teststopp-Vertrag);
- Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion vom 26. Mai 1972 über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Flugkörper (ABM-Vertrag);
- Interimsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion vom 26. Mai 1972 über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Flugkörper (ABM-Vertrag);
- Interimsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion vom 26. Mai 1972 über bestimmte Maßnahmen hinsichtlich der Begrenzung strategischer Angriffswaffen (ABM-Interimsabkommen);
- Protokoll vom 3. Juli 1974 zu dem Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Flugkörper.
Viele dieser Vereinbarungen knüpfen aneinander an und nehmen aufeinander Bezug. Gleichwohl ist das, was bisher an rechtlicher Regelung der Weltraumnutzung vorliegt, lediglich Stückwerk. Das kann in Anbetracht der schnell voranschreitenden technischen Entwicklung zurzeit auch nicht anders sein.
Ob es in zehn oder zwanzig Jahren möglich sein wird, ein umfassendes internationales Regime zur rechtlichen Regelung der Erforschung und Nutzung des Weltraums – ähnlich der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen von 1982 – zu verabschieden, lässt sich derzeit noch nicht voraussagen.
Dr. Stephan Frhr. von Welck, z.Zt. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Bonn. Der Beitrag entstand im Rahmen eines von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Forschungsprojekts zum Thema „Weltraum und internationale Politik" und erscheint demnächst in einem von Karl Kaiser und Hans-Peter Schwarz herausgegebenen Sammelband zur Weltpolitik der achtziger Jahre.
Der Beitrag ist erschienen in: Europa-Archiv, 24/1984, S. 729-740.