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01. Juli 2019

Vom Paria zum Partner

Nelson Mandela machte den Anfang: Er führte das Post-Apartheid-Afrika aus der Isolation wieder auf die Weltbühne und in die wichtigsten Wirtschafts- und Handelsverbünde. Seither ist viel geschehen, nicht nur Erfreuliches – unter Zuma wurde einiges an Kredit verspielt. Wie an anderer Stelle, so gilt auch hier: Viel zu tun für Cyril Ramaphosa.

Nicht nur in Südafrika atmeten viele erleichtert auf, als Cyril Ramaphosa im Mai dieses Jahres im Präsidentenamt bestätigt wurde. Auch ausländische Investoren erwarten sich einiges von dem Mann, der versprochen hat, das aufgeblähte Kabinett von Jacob Zuma gesundzuschrumpfen und kompetente Leute zu ernennen, die Südafrika auf einen stabileren Kurs bringen könnten.

Die wichtigsten Ministerien für Handel und Investitionen sind das Außenministerium, das Finanz- sowie das Handels- und Industrieministerium. Wenn es Ramaphosa gelingen soll, neue Investitionen nach Südafrika zu bringen, ist eine engere und bessere Zusammenarbeit zwischen diesen Ministerien unabdingbar. Unnötig zu sagen, dass das angesichts des Zustands der südafrikanischen Wirtschaft eine Herkulesaufgabe ist.

Nach dem Ende der Apartheid 1994 hatte sich Südafrika dafür entschieden, seine Wirtschaft der Welt zu öffnen. Es trat einer Reihe internationaler Organisationen bei, die für Handel und regionale Integration bedeutsam sind, etwa der Welthandelsorganisation (WTO). Südafrika ist Teil der ältesten Zollunion der Welt, der Südafrikanischen Zollunion (Southern African Customs Union, SACU), gemeinsam mit Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland.

Darüber hinaus wurde das Land Mitglied der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (Southern African Development Community, SADC). Im Jahre 1980 als Gegengewicht der Anrainerstaaten zur wirtschaftlichen Vormachtstellung Südafrikas in Apartheid-Zeiten gegründet, setzte die SADC sich nach dem Beitritts Südafrikas das Ziel einer vertieften Integration nach Vorbild der EU. Die 16 Mitgliedstaaten von Angola bis Tansania wollten eine Freihandelszone und dann eine Zollunion schaffen, die letztlich in einen Binnenmarkt und eine politische Union münden sollte. Nachdem nun das erste Teilziel einer Freihandelszone erreicht ist, wird jedoch deutlich, dass die Mitgliedstaaten zunächst eine industrielle Basis und regionale Wertschöpfungsketten schaffen müssen, bevor eine tiefergehende Integration sinnvoll ist.

Ähnliches gilt für den übrigen Kontinent. Südafrika ist Teil der Afrikanischen Kontinentalen Freihandelszone (African Continental Free Trade Area, AfCFTA), die die 52 Mitglieder der Afrikanischen Union umfasst. Als große und exportstarke Volkswirtschaft würde Südafrika erheblich von einem wirtschaftlich integrierten Kontinent profitieren, auf dem die Menschen sich frei bewegen und Waren austauschen können.

Alle Hände voll zu tun

Doch ungeachtet aller hochfliegenden Hoffnungen ist der Kontinent insgesamt noch weit entfernt von Frieden und Stabilität, guter Regierungsführung und flächendeckender Industrialisierung, mit anderen Worten: von einem angemessenen Umfeld für Binnenhandel und einen integrierten Markt. Südafrikas neuer Handelsminister Ebrahim Patel wird alle Hände voll zu tun haben, bei den diversen laufenden Verhandlungen die richtigen Schwerpunkte zu setzen – nicht nur in der SACU und der SADC, sondern auch innerhalb der AfCFTA und der Dreier-Freihandelszone (Tripartite Free Trade Area, TFTA), zu der neben der SADC auch der Gemeinsame Markt für das Östliche und Südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa, COMESA) und die Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community, EAC) gehören.

Zudem weiß Präsident Ramaphosa gut, dass er die Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft und den traditionellen Partnern wieder mit neuem Leben füllen muss. Das historische Vorbild ist hier wie so oft Nelson ­Mandela. Dank seiner ungeheuren Popularität gelang es dem ersten Präsidenten nach Ende der Apartheid, zahlreiche bilaterale und multilaterale Partnerschaften abzuschließen und das Ansehen Südafrikas in der Welt zu mehren. Das brachte Südafrika nicht nur viele Handels- und Investitionsmöglichkeiten, sondern auch viel Unterstützung von Partnern, die sich in der Entwicklungszusammenarbeit engagierten, um das Erbe der Apartheid zu überwinden.

Nach einer Phase der Fokussierung auf den afrikanischen Kontinent unter Thabo Mbeki (1999–2008) verlagerte Jacob Zuma den Schwerpunkt seiner außenpolitischen Aktivitäten gen Osten. China wurde als Partner wichtiger, auch durch den Beitritt Südafrikas zur BRICS-Allianz (mit Brasilien, Russland, Indien und China). Dieses Bündnis sollte eine neue wirtschaftliche Ära für den globalen Süden einläuten: Fortan wollte man sein Schicksal selbst bestimmen und nach alternativen Wegen zur wirtschaftlichen Entwicklung suchen, ohne sich strikt an die Normen und Regeln der westlich dominierten Institutionen wie IWF und Weltbank zu halten. Gestützt vor allem auf Chinas beeindruckendes Wirtschaftswachstum, setzten es sich die BRICS-Staaten zum Ziel, eigene Ratingagenturen und eine eigene Entwicklungsbank ins Leben zu rufen. Die New Development Bank existiert seit 2014. Ihr Hauptquartier hat sie in Schanghai, das erste Regionalbüro wurde in Johannesburg eröffnet.

Doch neben diesen Prestigeerfolgen war die Zuma-Präsidentschaft von massiver Korruption geprägt. Das brachte dem Land Verluste in Milliardenhöhe ein – nicht nur aufgrund geplünderter Staatskassen, sondern auch, weil die internationale Gemeinschaft Investitionen kappte, ihr Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit zurückfuhr und weniger Handel mit Südafrika betrieb. Ramaphosa wird seine ganze Überzeugungskraft dafür aufwenden müssen, das Bild des Landes zu korrigieren. Die Übernahme eines nichtständigen Sitzes im UN-Sicherheitsrat könnte ein Anfang sein. Bereits 2018 hatte Ramaphosa einen Gipfel der Strategischen Partnerschaft zwischen Südafrika und der EU ausgerichtet, was Zuma über mehrere Jahre versäumt hatte. Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten bleiben die wichtigsten Handels- und Investitionspartner Südafrikas. Die Chancen zu nutzen, die sich aus dem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und der Strategischen Partnerschaft mit der EU eröffnen, sollte einer der Schwerpunkte Ramaphosas bei seiner Suche nach neuen Investoren sein.

Und dann ist da noch der im Jahr 2000 vom US-Kongress verabschiedete „­African Growth and Opportunity Act“ (AGOA), durch den Afrikas Volkswirtschaften gefördert und die Beziehungen zwischen den USA und dem Kontinent angekurbelt werden sollten. Das Abkommen gewährt 39 Ländern Subsahara-­Afrikas Zollfreiheit beim Export bestimmter Produkte in die USA. Südafrika war eines der wenigen Länder, das von den Vorteilen des AGOA tatsächlich profitierte; der Handel mit den USA ist in den vergangenen Jahren gewachsen. AGOA wird jedoch voraussichtlich 2025 auslaufen; wenig wahrscheinlich, dass eine Regierung Trump es verlängern würde. Südafrika hat jedoch noch keine klare Strategie für eine Einbindung der USA in eine Welt nach AGOA. Im Idealfall sollten die beiden Partner (mit den anderen SACU-Staaten) bereits eine Nachfolgevereinbarung aushandeln – die realistischerweise ein Freihandels­abkommen sein muss.

Talitha Bertelsmann-Scott ist Leiterin des Regional Observatory am South African Institute of International Affairs in Johannesburg.

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Bibliografische Angaben

IP Wirtschaft 02, Juli - Oktober 2019, S. 57-59

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