Unterm Radar

24. Juni 2024

Nachhaltige Landnutzung: 30 Jahre UNCCD

Die UN-Konvention zur Bekämpfung der Landdegradierung (UNCCD) ist das ­einzige rechtsverbindliche internationale Übereinkommen über verantwortungsvolles Landmanagement mit dem Ziel, das menschliche Wohlergehen zu sichern. 

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Bild: Frau im Senegal bei der Bearbeitung degradierter Böden
Mehr als nur ein Pflänzchen Hoffnung: Im Rahmen der „Great Green Wall Initiative“ wurden in der Sahelzohne, wie hier im Senegal, fast 18 Millionen Hektar degradierter Flächen wiederhergestellt; vor allem Frauen profitieren von besseren Beschäftigungschancen.
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Die UNCCD feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1994 hat in den zurückliegenden Dekaden einen Paradigmenwechsel vollzogen und sich dabei weiterentwickelt.

Zu Beginn warnte die UNCCD vor den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Landdegradierung, von der nach vorsichtigen aktuellen Schätzungen durch exzessive Landnutzung zwischen 20 und 40 Prozent der weltweiten Fläche betroffen sind. 

Inzwischen agiert sie als Beraterin und Förderin konkreter Maßnahmen zur Verhinderung, Verringerung und Umkehrung der Landdegradierung. Dazu gehört die Beratung über politische, soziale und wirtschaftliche Elemente, die eine sektor­übergreifende und integrative Landnutzungsplanung und die Umsetzung eines nachhaltigen Landmanagements begünstigen.

Sensible Themen wie Landbesitz und Zugangsrechte zu Land, die in der Vergangenheit die zwischenstaatlichen Verhandlungen zum Stillstand gebracht haben, stehen nun im Blickpunkt der Politikgestaltung. Zudem wurde der Austausch intensiviert, um die Widerstandsfähigkeit der Nahrungsmittelproduktion gegenüber Dürren zu stärken. Indem sichergestellt wird, dass das Land nicht überbeansprucht wird, sondern im Einklang mit der Fähigkeit steht, seine Qualität wiederherzustellen und zu erhalten, wird das menschliche Wohlergehen langfristig gesichert.


Ein Schattendasein

Die UNCCD steht seit ihrer Gründung jedoch im Schatten ihrer Schwesterkonventionen – dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Alle drei gehen auf die Konferenz über Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen von 1992 in Rio de Janeiro zurück. Gemeinsam sollen sie die Ziele der Agenda 21 für nachhaltige Entwicklung verwirklichen. Für dieses Schattendasein gibt es mehrere Gründe. 

So führt der häufig falsch übersetzte Begriff „Desertifikation“, der im Namen der UNCCD enthalten ist, regelmäßig zu der irrtümlichen Annahme, dass es in der Konvention um die Bekämpfung von Wüsten geht, die natürliche Ökosysteme und aufgrund von Wasserknappheit besonders anfällig für Degradation sind. Diese Annahme wurde durch die Tatsache verstärkt, dass zum Zeitpunkt der Gründung der UNCCD schwere Dürren und Landdegradierung in Trockengebieten – beispielsweise in der Sahelzone – die politischen Debatten beeinflussten.

Im Laufe der Jahrzehnte hat dies die globale politische und strategische Bedeutung der UNCCD und damit auch ihre Sichtbarkeit und ihre Ressourcenausstattung eingeschränkt. Die akuten Auswirkungen der globalen Landdegradierung, die in den wissenschaftlichen Bewertungen des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) und des Weltklimarats (IPCC) gut dokumentiert sind, stellen die Rolle der UNCCD jedoch auch wissenschaftlich in einen breiteren Kontext, der für alle terrestrischen Ökosysteme relevant ist.

Der Begriff „­Landdegradation“ spiegelt die Arbeit der UNCCD umfassender wider. In vielen Sprachen, darunter auch im Deutschen, wird der Begriff jedoch oft fälschlicherweise vereinfacht nur mit der Degradierung des Bodens übersetzt. Nach der in der Konvention üblichen Definition schließt der Begriff „Land“ jedoch Boden, Biodiversität, Wasser und Menschen ein. Diese umfassende Sichtweise, die den Menschen als Teil von Land versteht, kann bei der Erarbeitung von Lösungen sehr hilfreich sein. 

Damit wird allerdings eine weitere Herausforderung für die UNCCD sichtbar, ihr Potenzial voll auszuschöpfen: Um die Anforderungen an eine nachhaltige Landnutzung zu ermitteln, sind systematische Kommunikations­pfade für einen kontinuierlichen Austausch mit regionalen Akteuren, einschließlich Entscheidungsträgern, Wissenschaftlerinnen, Vertretern von Nichtregierungsorganisa­tionen und der Privatwirtschaft, erforderlich. Schließlich gibt es aufgrund der unterschiedlichen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen und auf der ganzen Welt keine Einheitslösung, um Biodiversität und Gesundheit der Länder zu gewährleisten.


Bisherige Erfolge 

Ungeachtet dessen kann die UNCCD bemerkenswerte Erfolge aufweisen. So beschloss die 11. Konferenz der Vertragsstaaten 2013, eine wissenschaftspolitische Schnittstelle (UNCCD-SPI) einzurichten. Diese stellt den UNCCD-Mitgliedstaaten wissenschaftliche Informationen zur Planung und Umsetzung natio­naler Maßnahmen bereit, die helfen, die Landdegradierung zu bekämpfen. Um die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft gegenüber Dürren zu erhöhen, hat das UNCCD-SPI in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen der Vereinten Nationen und wissenschaftlichen Organisationen zudem das Konzept des „Drought-Smart Land Management“ (D-SLM) entwickelt.

Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 und der 17 ­globalen Nachhaltigkeitsziele durch die Weltgemeinschaft im Jahr 2015 kommt der UNCCD eine politisch anerkannte Rolle bei der Umsetzung des Unterziels 15.3 „Landdegradationsneutralität“ zu. Da die Verwirklichung dieses Zieles auch für die Erreichung einer Reihe anderer Nachhaltigkeitsziele von zentraler Bedeutung ist – zum Beispiel Hunger- und Armutsbekämpfung, Erhalt der Biodiversität oder Klimaschutz –, hat die UNCCD in den vergangenen Jahren in der internationalen Nachhaltigkeitsdebatte konti­nuierlich an Profil gewonnen. 


Afrikas Grüne Mauer 

Exemplarisch für eine konkrete Maßnahme vor Ort ist die 2007 von der Afrikanischen Union ins Leben gerufene „Great Green Wall Initiative“, die unter afrikanischer Leitung steht. Im Laufe der Zeit hat die Initiative durch die Schaffung grüner, produktiver Flächen in den Ländern der Sahelzone zu einem umfassenden Ansatz für die ländliche Entwicklung beigetragen. Trotz großer Herausforderungen wurden in den Zielländern der Initiative fast 18 Millionen Hektar degradierter Flächen wiederhergestellt, was zur Ernährungssicherheit beiträgt und 350 000 Arbeitsplätze schafft.

Frauen mit eingeschränktem Zugang zu Bildung und Arbeit erhalten durch neue Beschäftigungsmöglichkeiten bessere Qualifizierungschancen. Im krisengeplagten Sudan wurde Folgendes erreicht: Produktion von 1,9 Millionen Pflanzen und Setzlingen, Wiederherstellung von 85 000 Hektar Land, Schulung von über 1700 Menschen in Ernährungs- und Energiesicherheit sowie in der Erhaltung der Biodiversität. Hervorzuheben ist, dass Deutschland die Initiative über das bilaterale Engagement des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt.


Ein Blick nach vorn

Eine Analyse der UNCCD ergab trotz aller bislang erzielten Erfolge, dass die Weltwirtschaft bis zum Jahr 2050 durch die Landdegradierung satte 23 Billionen US-Dollar verlieren wird. Zu einer ähnlich kritischen Schlussfolgerung kommt auch die ELD-Initiative (Economics of Land Degradation) – ein Bündnis internationaler Partner aus Politik, Wissenschaft und Privatwirtschaft, kofinanziert vom BMZ, der Europäischen Kommission und der UNCCD. 

Solche Initiativen haben gezeigt, dass sich Präventions- und Wiederherstellungsmaßnahmen enorm auszahlen. Doch ein Mangel an Daten kann die notwendigen Investitionen behindern. Die vom BMZ beauftragte Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH beherbergt seit einigen Jahren das Sekretariat für ein globales Netzwerk von Datenanbietern und Regierungen namens ­GEO-LDN Flagship, das sich dieser Herausforderung bereits widmet.

Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines koordinierten wissenschaftlichen Datenmanagement- und Kommunikationssystems für die UNCCD, um die Bemühungen der Mitgliedsländer zur Verhinderung, Verringerung und Umkehrung der Landdegradierung besser zu unterstützen. Darüber hinaus sollte ein solches System auch Wissenslücken dafür nutzen, zielgerichtete Datengenerierung zu fördern sowie Methoden für nationale Langzeitbeobachtungen und Bewertungen von Umsetzungsmaßnahmen bereitzustellen. 

2024 wird nicht nur das 30-jährige Bestehen der ­UNCCD gefeiert, sondern alle drei Rio-Konventionen werden ihre Vertragsstaatenkonferenzen abhalten. Dies könnte einen nützlichen politisch-strategischen Rahmen für den Austausch gemeinsamer, koordinierter Daten- und Wissenssysteme bilden, die die Wirksamkeit aller drei Rio-Konventionen stärken und dadurch dazu beitragen, die globalen Nachhaltigkeitsziele schneller zu erreichen.

Dieser Artikel ist in der gedruckten Version unter dem Titel „Nachhaltige Landnutzung" erschienen.

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 4, Juli/August 2024, S. 12-14

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Dr. Mariam Akhtar-Schuster arbeitet seit vielen Jahren federführend in wissenschaftlichen Aktivitäten der UNCCD und ist Gruppenleiterin im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit im Projektträger des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V.

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