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01. Juli 2019

„Hier gibt es alles, was Sie brauchen“

Geschäfte am Kap lohnen sich, trotz allem: Matthias Boddenberg im Gespräch

Korruption, Kriminalität, Stromengpässe: Südafrika macht es potenziellen Investoren nicht immer leicht. Matthias Boddenberg, Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer für die Region, mahnt zum unternehmerischen Mut: Wer ein paar Regeln beachtet, dem bieten sich in der einzigen voll entwickelten Volkswirtschaft des Kontinents große Chancen.

IP: Herr Boddenberg, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa möchte das Vertrauen der Investoren zurückerobern. Schon im vergangenen Jahr hatte er das Ziel ausgegeben, über einen Zeitraum von fünf Jahren Neuinvestitionen mit einem Volumen von 100 Milliarden US-Dollar zu gewinnen. Sehen Sie da schon erste Erfolge?
Matthias Boddenberg: 100 Milliarden Dollar sind ein ehrgeiziges Ziel. Und die Wirtschaft hier stagniert praktisch. Bisher haben wir rund zehn bis zwölf Milliarden, die von privaten Unternehmen zugesagt worden sind. Darunter auch die Investitionen einiger deutscher Firmen, im Wesentlichen aus der Autoindustrie.

IP: Wie ist denn derzeit die Stimmung unter deutschen Investoren?
Boddenberg: Der Automobilsektor ist wirklich am Kämpfen. Ähnliches gilt für den Maschinenbau. Die Unzufriedenheit ist groß, weil im Umfeld der Wahl kaum eine Bergbaugesellschaft richtige Investitionsentscheidungen getroffen hat. Auch unter den staatlichen Unternehmen wurden kaum Aufträge vergeben. Doch man hofft und erwartet, dass sich jetzt einiges zum Positiven ändert.

IP: Warum investieren Firmen in Südafrika, was klappt hier besonders gut?
Boddenberg: Deutsche Unternehmen investieren da, wo sie ihre Kunden haben – vor allem andere Industriefirmen. Und eine industrialisierte, entwickelte Volkswirtschaft besitzt auf dem Kontinent nur Südafrika. Hier gibt es im Grunde alles, was Sie aus Unternehmersicht brauchen – ein etabliertes Finanz- und Bankensystem, ein funktionierendes Rechtssystem, eine vernünftige Infrastruktur. Außerdem lässt sich vom Kap aus dank Zollunion ein Markt von 350 bis 380 Millionen Menschen problemlos bedienen.

IP: Und doch liegt Südafrika auf dem Geschäftsklimaindex der Weltbank nur im Mittelfeld. Können Sie die Vorbehalte und Ängste unter deutschen Firmen, gerade was Kriminalität und Sicherheit angeht, nachvollziehen?
Boddenberg: Die persönliche Sicherheit der Mitarbeiter ist in der Tat ein Problem. Doch die Klagen darüber sind leiser geworden. Die Firmen und ihre Mitarbeiter haben sich darauf eingestellt – man wohnt in bestimmten Gebieten, meidet bestimmte Gegenden, trifft Sicherheitsvorkehrungen. Bei der Betriebssicherheit hat sich die Lage ebenfalls entspannt, weil die Unternehmen gegensteuern, etwa durch den Einsatz von Sicherheitsdiensten. Ähnliches gilt für die Kriminalität durch eigene Angestellte. Der zuletzt besonders häufig geäußerte Vorbehalt betrifft Überfälle auf Geld­transporte. Ein ganz anderes Thema, bei dem die Firmen Probleme und Herausforderungen sehen, betrifft das „Black Economic Empowerment“ …

IP: Die Politik, mit der man die nichtweiße Mehrheit stärker am Wirtschaftsleben beteiligen will …
Boddenberg: Genau. Zum einen das Prinzip der „affirmative action“, wonach bei gleicher Qualifikation der Nichtweiße bevorzugt zu beschäftigen ist, zum anderen die Eigentümerschaft an Unternehmen. Im Prinzip haben sich unsere Unternehmen aber mit dieser Politik abgefunden und sie in ihrer Geschäftsstrategie berücksichtigt.

IP: Wie würden Sie generell die Möglichkeiten einschätzen, qualifizierte Mitarbeiter im Land zu finden?
Boddenberg: Auf dem gehobenen Managementniveau haben Sie da keine Probleme, aber im mittleren und im technischen Management sieht das anders aus. Das gilt etwa für den Maschinenbau, aber auch für das Ingenieurswesen. Die Universitäten sind in der Regel nicht schlechter als in Europa, allerdings hapert’s erheblich an der Schulbildung. Wir als Kammer bekommen das auch zu spüren. Anfang Mai haben wir über eine unserer Tochtergesellschaften eine Ausbildung von Mechatronikern gestartet. Um jetzt aber am Ende Zertifikate vergeben zu können, die sowohl in Südafrika als auch in Deutschland anerkannt werden, mussten wir erst einmal eine ganze Reihe von Auszubildenden in Zusatzkursen auf den erforderlichen Stand in Sachen Mathematik bringen.

IP: Sie beraten seit über 20 Jahren deutsche Firmen, die in Südafrika investieren. Welche Erfolgs-, welche Misserfolgsgeschichten sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Boddenberg: Spontan fallen mir zwei Geschichten ein. Die eine handelt von einem Süßwarenunternehmer aus Europa. Da der Lebensmittelmarkt hier so hart umkämpft ist, haben wir ihm geraten, sich für den Vertrieb zunächst regionale und lokale Partner zu suchen. Das sah er anders und hat eigene Läden in Johannesburg, Kapstadt und Pretoria eröffnet. Nach ein paar Monaten kam er zu uns und erklärte, er wolle jetzt doch den Weg über Supermärkte und Einzelhandelsgeschäfte gehen. Er hatte gute 1,5 Millionen Euro in den Sand gesetzt.

IP: Und wo hat es besonders gut geklappt?
Boddenberg: Der Eigentümer einer Zulieferfirma für Medizintechnik kam zu uns und sagte, er sehe hier auf dem Markt nur eine Firma in seinem Sektor – ob er da Chancen habe? Wir kamen zu dem Schluss, dass seine Produkte durchaus wettbewerbsfähig seien; wir empfahlen aber erst einmal einen Probelauf in der Belieferung einer Krankenhauskette. Er hat sich dann einen lokalen Partner für den Vertrieb gesucht. Heute ist er die Nummer zwei im Gesundheitsbereich, mit einem Marktanteil von knapp 30 Prozent.

IP: Nun ist man ja immer nur so erfolgreich, wie es die Konkurrenz zulässt. Vor ­allem China wird da immer wieder als Vorbild genannt. Auch in Südafrika?
Boddenberg: Dank unserer langjährigen Beziehungen hier konnten wir den Angriff durch die chinesische Konkurrenz weitgehend abwehren. Im Automobilsektor treffen sich im untersten Preissegment die Chinesen und die Inder und im mittleren Segment die Koreaner, Japaner und Franzosen. Die deutschen Automobilhersteller sind eher im oberen Segment zuhause. Bevor also ein direkter Wettbewerb droht, sind da ein paar Puffer. In anderen Sektoren sind chinesische Firmen gar nicht vertreten. Das gilt etwa für große Teile des Maschinenbaus.

IP: Deutschland war für Südafrika 2018 zweitwichtigster bilateraler Handelspartner, für Deutschland lag Südafrika beim Handelsvolumen auf Rang 31. Was sind die wichtigsten Produkte, die zwischen den Ländern gehandelt werden?
Boddenberg: Hauptgüter aus Deutschland sind die drei typisch deutschen Warengruppen – Kfz und Kfz-Teile, der Maschinenbau mit Werkzeugverkauf und schließlich Elektrotechnik und Chemie. Umgekehrt kommen aus Südafrika nach Deutschland sehr viele landwirtschaftliche Produkte, etwa Wein und Früchte – also nicht nur Kohle, Katalysatoren und andere Rohstoffe.

IP: Und was wird künftig in Südafrika wichtig werden?
Boddenberg: Vor allem das Thema Wassermanagement. Wasser ist hier ein knappes Gut und eine kostbare Ressource. Zweitens – alles, was Energie angeht. Südafrika ist sozusagen aus der Steinzeit der Solarenergie in die vorderste Front gesprintet. Heute decken Erneuerbare rund 15 Prozent des gesamten Energiebedarfs ab; das ist noch ausbaufähig. Und schließlich – Industrie 4.0, Digitalisierung. Südafrikas Unternehmen sind überwiegend technikaffin. Die Start-up-Industrie entwickelt sich in drei Sektoren ausgesprochen interessant – in der Werbung, in der App-Entwicklung und bei technischen Problemlösungen.

IP: Was würden Sie deutschen Unternehmern für Südafrika grundsätzlich raten?
Boddenberg: Südafrika hat fantastische Menschen und fantastische Möglichkeiten. Wir brauchen als Deutsche mehr Toleranz dafür, dass andere anders an bestimmte Herausforderungen herangehen. Wir tendieren dazu, allen anderen zu erzählen, dass unser Weg der richtige ist. Und das ist er nicht immer.

Matthias Boddenberg ist seit 2011 Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika.

Das Interview führten Uta Kuhlmann und Joachim Staron.

Bibliografische Angaben

IP Wirtschaft 02, Juli - Oktober 2019, S. 54-57

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