Droiden und die Macht
Die Realität hat die Kultfilm-Reihe „Star Wars“ bereits eingeholt
Wir betreten die Zukunft rückwärts, beobachtete der französische Schriftsteller Paul Valéry. Der Mensch verfügt zwar über Erfindungsgeist. Allein, es fehlt ihm oft die Fantasie, die Auswirkungen seiner Erfindungen zu erahnen. Da hilft ein Blick in die Welt des Sci-Fi. Dort sind Roboter, Weltraumkrieg und selbst Gedankenkontrolle schon Realität.
Für eine Geschichte, die „vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“ spielt, finden sich überraschend viele der Technologien aus den „Star Wars“-Filmen heute auf dem Planeten Erde wieder. Ironischerweise hängt das auch damit zusammen, wie lange es die Filmreihe schon gibt. Fast vier Jahrzehnte hatte die Wissenschaft Zeit, die Ideen und Vorstellungen, die 1977 beim Erscheinen des ersten „Krieg der Sterne“-Streifens bloß Science-Fiction waren, Realität werden zu lassen.
Hier sind einige der Filmszenen und Technologien, mit denen Sie bei „Star Wars“-Fans für Verblüffen sorgen können – weil sie längst real sind.
Laser und Energiewaffen: „Antiquierte Waffen und Religionen können es nicht mit einer guten Laserkanone aufnehmen“, sagt Han Solo zu Luke Skywalker bei ihrer Begegnung in „Eine neue Hoffnung“. 30 Jahre später ballert Solo in „Das Erwachen der Macht“ noch immer mit der gleichen Waffe herum. Zwar ließ sich schon Ronald Reagan von der Filmreihe inspirieren und plante den Bau eigener „Star Wars“-Waffen, um die Sowjets abzuschrecken. Aber Energiewaffen wie Han Solos Laserkanone waren pure Fiktion. Heute allerdings hat die US-Marine auf Schlachtschiffen wie der USS Ponce im Persischen Golf Laser installiert, die Drohnen und kleine Boote abwehren sollen. Derzeit testen die Amerikaner außerdem auf Lastwagen und an Flugzeuge montierte Laserwaffen. Auch Lasersysteme mit elektromagnetischer Beschleunigung, wie sie das Imperium auf dem ersten Todesstern einsetzt, werden auf US-Kriegsschiffen wie der USS Zumwalt erprobt. China arbeitet ebenfalls an einer eigenen Version.
Stormtrooper-Rüstungen und Frauen auf dem Schlachtfeld: Laser sind vor allem deshalb so wichtig im „Star Wars“-Universum, weil es Rüstungen gibt, die herkömmliche Geschosse aufhalten (wohlgemerkt gilt das aber nicht für die Steine der Ewoks). Die neue Generation der Stormtrooper der „Ersten Ordnung“ aus „Das Erwachen der Macht“ tragen eine schnittige Weiterentwicklung dieser Kampfanzüge; besonders furchteinflößend ist die verchromte Version ihrer Kommandeurin, Captain Phasma.
In der Realität heißt ein solcher Anzug Tactical Assault Light Operator Suit (TALOS) – entwickelt in einem Mammutprojekt, an dem in den Vereinigten Staaten zehn nationale Labore, 13 Universitäten, 16 Regierungsbehörden und 56 Unternehmen beteiligt sind. Sie alle arbeiten zusammen, um die Hightech-Rüstung der Zukunft für das US-Militär zu bauen.
„Kleider machen Leute“ gilt allerdings weder in „Star Wars“ noch in echten Kriegen. Während weibliche Charaktere in den früheren Filmen vor allem als hilflose junge Dinger dargestellt wurden, könnte Captain Phasma auch als Mann nicht furchterregender sein. Dazu passt, dass Frauen in den vergangenen Jahren immer aktivere Rollen im US-Militär eingenommen haben. Beispielsweise haben kürzlich die ersten Frauen erfolgreich die Army Ranger School abgeschlossen, die sich rühmt, Offizieren die „härteste Kampfausbildung der Welt“ angedeihen zu lassen.
Droiden: Als die neueste „Star Wars“-Episode zu Weihnachten 2015 auf die Leinwände kam, verzückte vor allem der süße Roboter BB-8 die Kinogänger. Auch mit alten Bekannten wie R2-D2 gab es ein Wiedersehen. In der Realität sind Roboter ebenfalls zu einem Kernbestandteil des modernen Schlachtfelds geworden. Tausende von ihnen, in allen Formen und Größen, dienen schon jetzt dem amerikanischen Militär – von der Drohne MQ-9 Reaper in der Luft bis hin zum Spähroboter PackBot auf dem Boden. Wenn der strategische Zukunftsplan der US Air Force wahr wird, werden Roboter auch bald als Wingmen bemannte Flugzeuge begleiten. Sie werden also nicht wie in „Star Wars“ hinten auf dem X-Wing Fighter sitzen, sondern sogar eigenständig fliegen.
Weltraumgefechte: Kampfhandlungen im Vakuum des Weltraums sind ein Klassiker der Science-Fiction, werden aber auch für echte Militärstrategien immer wichtiger. Anders als im Jahr 1977 liegt das Nervensystem des modernen Militärs heute im Weltraum. Mehr als 1100 Kommunikationssatelliten verbinden Flugzeuge, Raketen und Bodentruppen (80 Prozent der gesamten Kommunikation des US-Militärs laufen über Satelliten), verfolgen jede Bewegung auf dem Boden, in der Luft und auf See und betreiben Navigationssysteme wie GPS. Sie navigieren nicht nur Panzer oder andere Militärfahrzeuge (und Ihre Autos, liebe Leser), sondern sorgen auch dafür, dass Raketen zentimetergenau ihr Ziel erreichen.
Die Vereinigten Staaten, China und Russland arbeiten vor diesem Hintergrund auch längst an Weltraumwaffen, mit denen sie ihren Gegnern die Vorteile dieser Kommunikation nehmen könnten. Die USA und China haben bereits Antisatellitenraketen getestet (das US-Magazin Popular Mechanics beschrieb einen dieser Tests als „eine der ‚Star Wars‘-Reihe würdige Explosion“); die Russen arbeiten an Killer-Satelliten im Kamikaze-Stil. Weltraumsysteme könnten in Zukunft außerdem auch selbst Waffen tragen.
Ein weiteres Beispiel, bei dem Science-Fiction auf echte Wissenschaft trifft, ist ein Forschungsprojekt der University of California, Irvine, in dessen Rahmen Astronomen die mögliche Installation eines Lasers auf der Internationalen Raumstation ISS bereits für die kommenden Monate erforschen. Mit der Waffe könnte gefährlicher Weltraumschrott beschossen werden – oder natürlich Kampfraumschiffe wie die TIE-Fighters aus „Star Wars“.
Lichtschwerter: Wenngleich leistungsstarke Laserwaffen und kinetische Tötungssysteme in Weltraumgefechten einsetzbar sind, sind sie dennoch „plump und ungenau“, wie Obi-Wan Kenobi in „Episode IV“ feststellt. Für den Nahkampf brauche es eine „elegantere Waffe“. Recht hat er: Wollte jemand ein wertvolles Ziel im Orbit (wie die ISS oder Chinas geplante Raumstation „Tiangong“, die 2022 fertig sein soll) erobern, so wären Kanonen ungeeignet, da sie das Ziel beschädigen und den Luftdruck abfallen lassen würden. Daher werden zukünftige Konflikte im Weltraum vielleicht auch Nahkämpfe mit einer Mischung aus alten und neuen Waffen umfassen – wahrscheinlich wird aber eher mit herkömmlichen Säbeln und Elektroschockwaffen gekämpft werden als mit den berühmten Lichtschwertern der Jedi-Ritter.
Traktorstrahlen und Hologramme: In der Eröffnungsszene der „Star Wars“-Geschichte wird ein Raumschiff von einem Traktorstrahl angezogen, woraufhin die Allianz der Rebellen per Hologramm eine Notfallnachricht für ihre „einzige Hoffnung“, Obi-Wan Kenobi, aufnimmt. Beide Technologien werden heute in der Forschung zum so genannten „holographic acoustic elements framework“ zusammengeführt. Wissenschaftler konnten bereits zeigen, dass unterschiedlich große Objekte verschiedenen Materials durch Luft, Wasser und Materie schweben können. Das Ziel liegt in der echten Welt vor allem darin, kleinste Objekte ohne Berührungen zu verschieben – beispielsweise in der Mikrochirurgie, ohne den Körper aufschneiden zu müssen.
Gedankenkontrolle und die Macht: In „Star Wars“ können nicht nur Raumschiffe Objekte aus der Ferne bewegen, sondern auch die Jedi – in ihrem Fall allein durch die Kraft der Gedanken. Darüber hinaus können die Jedi die Gedanken anderer Lebewesen manipulieren. Zwar hat das US-Militär ein Team von Strategen an der School of Advanced Military Studies, das „die Jedi“ genannt wird, aber diese verdanken ihren Beinamen der von ihnen eingesetzten Technologie – und nicht den mythischen „Midi-Chlorianern“, die in „Star Wars“ das Energiefeld der Macht bilden. Brain-Computer-Interfaces wie das Braingate-Projekt verwandeln Gedanken in digitale Signale, mit denen Maschinen, wie zum Beispiel eine bionische Hand, gesteuert werden können (Luke Skywalkers künstliche Hand sieht verglichen mit der gedanklich steuerbaren bionischen Handprothese DEKA, die 2014 in den USA zugelassen wurde, allerdings etwas veraltet aus).
In umgekehrter Richtung versuchen sich Projekte wie das Systems-Based Neurotechnology for Emerging Therapies Programm der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums, der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA): Hier geht es tatsächlich darum, Signale zurück ans Gehirn zu senden, mit denen Gedanken und Erinnerungen umgeformt werden können. Krankheiten wie Parkinson und posttraumatische Belastungsstörungen könnten in Zukunft mit ähnlichen Methoden geheilt werden.
Was es nicht gibt: Interessant ist auch ein Blick auf die Technologien, die für uns heute selbstverständlich sind, aber in den Filmen nicht auftauchen. Das Internet existierte 1977 weder in der ersten „Star Wars“-Episode noch in der Wirklichkeit: Prinzessin Leia konnte Obi-Wan Kenobi nicht einfach eine E-Mail schicken und Luke konnte seine Jedi-Ausbildung nicht einfach absolvieren, indem er Yodas Tutorials auf YouTube anschaute.
1977 bestand die ganze Welt der vernetzten Computer gerade mal aus etwas mehr als 50 Knotenpunkten und wurde damals Arpanet genannt. Das Wort Cyberspace wurde erst fünf Jahre später geprägt. Heute aber ist das Internet ein Garant für die ungebrochene Popularität der „Star Wars“-Reihe: Hier schaut man die neuesten Trailer, kauft Fanartikel, tauscht sich auf sozialen Netzwerken über die Filme aus – oder man schwelgt in etwas „nerdigen“ Gedanken darüber, was von dieser fantastischen Saga schon heute Wirklichkeit geworden ist.
Peter W. Singer ist Senior Fellow bei New America und berät das US-Verteidigungsministerium. 2015 erschien von ihm „Ghost Fleet: A Novel of the Next World War“ (mit August Cole).
Internationale Politik 4, Juli-August 2016, S. 54-57