Drei Fragen an...

02. Jan. 2023

Drei Fragen an … Claudia Major

Leiterin der SWP-Forschungsgruppe Sicherheitspolitik

Bild
Bild: Porträt von Claudia Major
Lizenz
Alle Rechte vorbehalten

1. Hat Deutschland nach bald einem Jahr seine „Zeitenwende“ vollzogen? Oder was fehlt?

Zeitenwende heißt, in einem ganz neuen Rahmen handeln und daher Strukturen, Prozesse und Politiken überarbeiten zu müssen, von Energie bis Verteidigung. Das dauert länger als ein Jahr. Es heißt anzuerkennen, dass militärische Macht eine Rolle spielt, dass wir unser Verständnis politischer Mechanismen überprüfen und eine andere Grammatik der internationalen Beziehungen anerkennen müssen. Zeitenwende sind große Entscheidungen, wie die Energieabhängigkeit von Russland zu kappen. Aber sie beginnt in den Köpfen. Akzeptieren wir, dass sich etwas fundamental geändert hat und die nötige Neuaufstellung für uns mit großen Kosten einhergeht?

 

2. Ändert Russlands Angriffskrieg langfristig die Akzeptanz von Sicherheitspolitik in der Bevölkerung?

Das werden wir erst in einigen Jahren wissen. Es hängt davon ab, wie dringlich verteidigungspolitische Fragen bleiben, wie der höhere Verteidigungshaushalt und das Sondervermögen investiert werden, und wie der russische Krieg gegen die Ukraine endet. Umfragen kurz nach Kriegsbeginn haben gezeigt, dass eine Mehrheit in Deutschland den russischen Angriffskrieg als Bedrohung auch für Deutschland empfunden hat und Entscheidungen wie die Erhöhung der Verteidigungsausgaben unterstützt. Eine langfristige Veränderung wird sich nur ergeben, wenn sie auch politisch immer wieder erklärt und unterstützt wird.

 

3. Warum werden Verteidigungsexpertinnen wie Sie besonders aggressiv angefeindet? Wie gehen Sie damit um?

In solchen Anfeindungen schwingt oft mit, dass weibliche Kompetenz in traditionell männlichen Themen unnatürlich sei, als wäre das nichts für Frauen, als beherrschten sie diese Themen nicht, während Männer das wirklich wissen. Verteidigungsexpertinnen fordern wohl Geschlechterklischees und Weltbilder heraus. Oft kommen Sexismus und Herab­lassung dazu. Ich sammle Beschimpfungen, will strafrechtlich relevante anzeigen, mache manche öffentlich. Außer­dem spreche ich mit Kolleginnen und unterstütze sie. Es verletzt, aber ich will mich nicht einschüchtern lassen, sonst hätten sie ihr Ziel erreicht.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 1, Januar/Februar 2023, S. 8

Teilen

Themen und Regionen

Claudia Major ist Leiterin der SWP-Forschungsgruppe Sicherheitspolitik