Drei Fragen an...

Drei Fragen an ... Annalena Baerbock

Die Bundesaußenministerin im Kurzinterview

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Bild: Porträt von Annalena Baerbock
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1. Verändert Russlands Krieg Ihre außenpolitische Agenda?

Ja und nein. Niemand von uns, mich eingeschlossen, hätte gedacht, dass es in Europa zu einem so brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg kommt. Bis zuletzt haben wir alles versucht, um das Unvorstellbare zu verhindern. Heute wissen wir, dass man uns glatt ins Gesicht gelogen hat. Die Nationale Sicherheitsstrategie wird unsere Verteidigung wieder stärker in den Mittelpunkt stellen. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass zentrale außenpolitische Themen, mit denen ich angetreten bin, wie Human Security, vernetzte Sicherheit, europäische strategische Souveränität, Energie- und Klima­fragen, drängender denn je sind. Letzteres sehen wir bei diesem Krieg mit Blick auf unsere einseitige fossile Abhängigkeit.

 

2. Sie haben lange vor der fehlgeleiteten Russland-Politik früherer Regierungen gewarnt. Welche Lehren ziehen Sie daraus für die China-Politik?

Auch bei China gilt: Man kann wirtschaftliche und geopolitische Fragen nicht trennen. Wir müssen die Steuerungsinstrumente der Politik nutzen, um einseitige Abhängigkeiten zu verhindern. Das war bei früheren Regierungen in Sachen Russland leider nicht der Fall. Als EU sind wir gut beraten, überall dort zu kooperieren, wo es nötig ist, Beispiel Klimaschutz, aber auch selbstbewusst unsere Interessen und Werte zu vertreten. Wir werden zum ersten Mal eine China-Strategie der Bundesregierung vorlegen, um diesen selbstbewussten, strategischen Ansatz bei allen zu verankern, die wir dafür brauchen.

 

3. Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis aus den ersten Monaten im Amt?

Vor allem diese: Auch wenn der Krieg uns auf brutale Art und Weise zeigt, dass wir uns künftig stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern müssen, dürfen wir auf keinen Fall unsere Kooperation und unsere Beziehungen in der Welt vernachlässigen. Ich höre tagtäglich in meinen Gesprächen: „Wo wart ihr, als wir euch gebraucht haben?“ Jetzt droht der Krieg eine globale Ernährungskrise auszulösen, die explodierenden Energiepreise bringen jetzt schon viele Staaten des Globalen Südens an den Rand des Bankrotts. Wir müssen der Welt jetzt zeigen, dass auf uns als Partner Verlass ist, sonst öffnen wir Russland, aber auch China wieder ein Fenster, ihren Einfluss weltweit auszubauen.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, Mai/Juni 2022, S. 8

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