Weltspiegel

26. Febr. 2024

Das Ungarn-Problem der EU

Am Ratsvorsitz der Orbán-Regierung entzündet sich Kritik. Wichtiger aber ist die Frage, wie die EU mit einem Mitglied umgeht, das sich von rechtsstaatlichen Prinzipien löst.

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Bild: Ungarns Präsident Victor  Orbán
Der Konflikt zwischen Ungarn und der Europäischen Union hat sich über die Jahre immer weiter zugespitzt. Orbán agiert mit Erpressungsversuchen und Blockaden, Brüssel reagiert u.a. mit Rechtsmitteln.
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Am 1. Juli 2024 übernimmt Ungarn turnusgemäß den Vorsitz des Rates der Europäischen Union. Dass ein Land mit gravierenden Rechtsstaatlichkeitsdefiziten für ein halbes Jahr einer der wichtigsten Institutionen der EU vorsitzen wird, sorgt für Bedenken. So stellte das Europäische Parlament im Juni 2023 in einer Entschließung infrage, inwiefern Ungarn diese Aufgabe „glaubwürdig wahrnehmen“ könnte, und forderte den Rat auf, „eine angemessene Lösung zu finden“ – mutmaßlich den ­Entzug des Ratsvorsitzes. 

Doch Debatten, ob und wie die ungarische Ratspräsidentschaft verhindert werden kann, sind nicht zielführend und lenken von größeren Problemen ab. Denn obwohl die Aussicht auf eine Rats­präsidentschaft unter der Leitung der Orbán-Regierung verständlicherweise Bauchschmerzen bereitet, wird sie praktisch wenig Schaden anrichten können. Das Problem liegt anderswo: in der fehlenden langfristigen Strategie der EU im Umgang mit Ungarn auch über 2024 hinaus.

Als Ratsvorsitz hat die ungarische Regierung drei Hauptaufgaben: 

Erstens wird sie die Sitzungen des Rates leiten, seine Arbeit organisieren und die Tagesordnung festlegen. Dadurch kann sie im besonderen Maße Einfluss darauf nehmen, welche Themen am meisten Zeit, Raum und Ressourcen im Rat erhalten – und welche nicht. Zudem ist der Rat für Allgemeine Angelegenheiten für die inhaltliche Vor- und Nachbereitung der Sitzungen des Europäischen Rates zuständig. Dies ermöglicht der ungarischen Regierung zumindest eine indirekte, wenn auch begrenzte Einflussnahme auf dessen Gespräche.

Zweitens hat eine Ratspräsidentschaft die Aufgabe, als Vermittlerin zwischen den Mitgliedstaaten zu agieren und Kompromisse in den Verhandlungen zu schmieden. Das bedeutet auch, dass sie in ihrer Aufgabe neutral und unparteiisch handeln soll, als eine ehrliche Maklerin zwischen unterschiedlichen europäischen Interessen. 

Und drittens vertritt die Rats­präsident­schaft den Rat in seinen Beziehungen zum Europäischen Parlament und zur Europäischen Kommission. Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses verhandelt der Vorsitz im Namen des Rates mit den anderen EU-Institutionen. Das ist ein wichtiges Vorrecht insofern, dass kein anderer Mitgliedstaat den sogenannten Trilog-Verhandlungen beiwohnt und der Vorsitz dadurch erheblichen Spielraum hat, wie er die Verhandlungen führt. 

Bei Ungarn bestehen insbesondere ­hinsichtlich der beiden ersten Rollen Sorgen. Es wird befürchtet, dass die Orbán-Regierung – mehr noch als andere Ratspräsidentschaften – nur die ihrem ­Eigennutz dienenden Themen priorisieren und andere unter den Tisch fallen lassen wird. Als Ratsvorsitz wird sie zudem Verhandlungen über Dossiers leiten, in denen ein Interessenkonflikt offensichtlich und eine konstruktive Ausfüllung der Rolle als ehrliche Maklerin zumindest infrage zu stellen ist. Man denke hierbei beispielsweise an Rechtsstaatlichkeits- oder Migrations­themen. 

 

Die Befugnisse der Rats­präsidentschaft wurden durch den Vertrag von Lissabon stark eingeschränkt

 

Auch erscheint es wahrscheinlich, dass Viktor Orbán die Ratspräsidentschaft als große Bühne für seine Person und seine Regierung nutzen wird. Angesichts seiner sonstigen Versuche, die EU zu spalten, stellt das ein Problem dar. 

Doch könnte es auch den positiven Nebeneffekt haben, dass Orbán ein Interesse daran haben wird, eine erfolgreiche und damit notwendigerweise konstruktive Ratspräsidentschaft durchzuführen, um zu zeigen, dass seine Regierung, trotz gegenteiliger Erwartungen, eben dazu in der Lage ist.

Viel wichtiger ist aber, die institutionelle Rolle, die Ungarn als Ratsvorsitz zukommen wird, nicht zu überhöhen. So muss die ungarische Ratspräsidentschaft sowohl vor dem Hintergrund ihres institutionellen Kontexts als auch des Zeitraums bewertet werden, in dem sie stattfindet. 
 

Ein enges institutionelles Korsett

Mit dem Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, wurden die Befugnisse des Vorsitzes durch eine formelle Trennung des Ratsvorsitzes von der Präsidentschaft des Europäischen Rates und dem Vorsitz im Rat für Auswärtige Angelegenheiten erheblich eingeschränkt. Während der Vorsitz in der Vergangenheit noch beide Institutionen – und damit auch ein schärferes Profil und mehr Verantwortung – umfasste, wird die Agenda für den Europäischen Rat nun vom Präsidenten des Europäischen Rates, derzeit Charles Michel, festgelegt. Den Vorsitz im Rat für Auswärtige Angelegenheiten, mit möglicherweise großem Konfliktpoten­zial zwischen Ungarn und den restlichen Mitgliedstaaten, hat Josep Borrell beziehungsweise sein Nachfolger als Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik inne. 

Zudem agiert der Ratsvorsitz in einem engen institutionellen Korsett. Der Rat hat kein Initiativrecht. Das liegt in der EU ausschließlich bei der Europäischen Kommission. Es ist außerdem der Europäische Rat, der die allgemeinen Prioritäten der EU festlegt und der das letzte Wort bei ­besonders wichtigen und politisch sensiblen Fragen hat. 

Zu guter Letzt wird die Ratspräsidentschaft inhaltlich und administrativ durch das Generalsekretariat des Rates unterstützt, was ein gewisses Maß an Konsistenz und Kontinuität sichern soll. Gleiches gilt für die Trio-Präsidentschaft, die im Falle Ungarns mit den vorangegangenen Präsidentschaften von Belgien und Spanien zusammenfällt. 
 

Die Zeit nach den Europawahlen

Noch viel wichtiger ist, dass Ungarn den Ratsvorsitz unmittelbar nach den Wahlen zum Europäischen Parlament übernehmen wird. Dieser wird damit in einen Zeitraum fallen, in dem die EU-Institutionen mit der Verteilung von Posten und vor allem mit der Ernennung der neuen Kommission beschäftigt sein werden. Infolgedessen wird in dieser Zeit nur ­wenig gesetzgeberische Arbeit geleistet werden, in denen ein Ratsvorsitz besonders ­wichtig ist. 

Dass die erste Ratspräsidentschaft nach Europawahlen traditionell wenig bewegt, hat sich in der Vergangenheit gezeigt. So hat der finnische Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2019 nur bei 18 Dossiers eine Einigung im Rat erzielt, im Vergleich zu etwa 128 unter Österreich (zweites Halbjahr 2018) oder 130 unter Frankreich (zweites Halbjahr 2021). Wenn es also einen Zeitraum gibt, in dem der ungarische Ratsvorsitz wenig Schaden anrichten kann, dann dieser.

Man mag der Übernahme des Ratsvorsitzes durch die Orbán-Regierung daher grundsätzlich kritisch gegenüberstehen. Doch praktisch scheinen die Sorgen übertrieben; und Debatten, dem Land den Vorsitz zu entziehen, sind nicht zielführend. Nicht nur ist ein solcher Entzug nicht explizit vorgesehen und würde rechtlich die Aktivierung des Artikel 7-Verfahrens voraussetzen. Es gibt auch wenig Interesse bei den anderen Mitgliedstaaten, solch einen Weg zu beschreiten. Denn einer anderen Regierung den Vorsitz im Rat zu entziehen, würde bedeuten, die ­Spielregeln mit ungewissem Ausgang zu ändern und einen Präzedenzfall zu schaffen, der in Zukunft nachteilig für einen selbst werden könnte. Zudem lenkt dies von einem größeren Problem ab: nämlich der Frage, wie grundsätzlich mit einem Land in der Europäischen Union zu verfahren ist, das sich nicht mehr an die eingangs vereinbarten Spielregeln halten will.
 

Verstöße, Strafen und Blockaden

Denn die EU hat ein Ungarn-Problem. Innenpolitisch stehen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in dem Land zunehmend unter Druck. Europapolitisch unternimmt Viktor Orbán in immer kürzeren Abständen offensichtliche Erpressungsversuche gegenüber den EU-Institutionen und anderen Mitgliedstaaten. Der Konflikt zwischen Budapest und Brüssel ist nicht neu. In den vergangenen Jahren hat er sich aber immer weiter zugespitzt. 

Die Europäische Union antwortete auf die fortlaufenden Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien in Ungarn mit einem Aufgebot an Instrumenten und Verfahren. So leitete die EU-Kommission im Laufe der letzten Jahre wiederholt Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land ein. Das Europäische Parlament aktivierte im September 2018 das Artikel 7 EUV-Verfahren, nach dem Mitgliedstaaten, bei denen eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte vorliegt, bestimmte Rechte, die sich aus ihrer EU-Mitgliedschaft ergeben, inklusive dem Stimmrecht im Rat, entzogen werden können. Das Verfahren gilt seitdem als im Rat blockiert. 

 

Weniger Geld für Ungarn: In den letzten drei Jahren ­wurden über 30 Milliarden an EU-Mitteln eingefroren 

 

Zusätzlich wurden Ungarn aufgrund gravierender Rechtsstaatlichkeitsdefizite in den vergangenen drei Jahren insgesamt über 30 Milliarden Euro an EU-Mitteln eingefroren. Ungarn war der erste und bisher einzige Mitgliedstaat, gegen den der neue Konditionalitätsmechanismus der EU angewandt wurde. Dies betraf etwas mehr als sechs Milliarden Euro an Kohä­sionsgeldern. Fast zeitgleich verhängte die EU-Kommission außerdem wegen Nicht-Einhaltung der EU-Grundrechtecharta, die aufgrund der sogenannten horizontalen Ermächtigungsbedingung bei der Durchführung von EU-Fonds berücksichtigt werden muss, eine Sperre über die restlichen Mittel aus den Kohä­sionstöpfen Ungarns, wovon die EU erst im Dezember 2023 rund zehn Milliarden Euro wieder freigegeben hat. Auch steht weiterhin die Auszahlung fast der gesamten Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität des EU-Wiederaufbau­instruments aus, die sich insgesamt auf über zehn Milliarden Euro an Krediten und Zuschüssen belaufen.

Ministerpräsident Orbán rea­gierte wiederholt mit der Blockade wichtiger Entscheidungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Zuletzt hatte Ungarn beispielsweise die Reform der EU-Migrationspolitik oder den NATO-Beitritt Schwedens blockiert. Letzterem hat die Orbán-Regierung (Stand Anfang Februar 2024) nach Ratifizierung durch die Türkei auch als letztes NATO-Mitglied noch immer nicht zugestimmt. Erst im Dezember 2023 kam es beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zu einer weiteren ­Eskalation, als Orbán zwar durch Verlassen des Raumes die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau ­ermöglichte, bei dem dringend benötigten 50-Milliarden-schweren EU-Hilfspaket für die Ukraine jedoch ein Veto einlegte. Eine Einigung über Letzteres konnte erst bei ­einem eigens dafür einberufenen Sondergipfel am 1. Februar erzielt werden.

Dabei geht es bei den Blockaden oftmals nicht um die Verteidigung inhaltlicher nationaler Interessen in Brüssel. Vielmehr wird das Veto nicht nur, aber vor allem als Druckmittel für andere Zwecke eingesetzt, etwa um die EU-Kommission und die anderen Mitgliedstaaten dazu zu bringen, die wegen der Rechtsstaatlichkeit gesperrten Gelder freizugeben. 

Dies ist in mehrfacher Hinsicht ein Problem für die EU. Die Orbán-Regierung schränkt die politische Handlungsfähigkeit der EU durch ihre Blockaden erheblich ein. Zwar wurde bisher am Ende doch immer wieder eine Einigung im Europäischen Rat gefunden. Doch kommt diese erstens immer verspätet und zweitens oft zu einem Preis. 

Das führt zu einem weiteren Problem: Gerade wenn dieser Preis in der Entsperrung der gegen Ungarn eingefrorenen EU-Mittel besteht, kann der Eindruck entstehen, dass die EU bereit ist, wiederholt Abstriche bei der Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien zu machen – so geschehen etwa beim erwähnten Gipfel im Dezember 2023. Dies hat Auswirkungen sowohl auf die Glaubwürdigkeit der EU, ihre eigenen Rechtsstaatlichkeitsprinzipien durchzusetzen, als auch auf die Bereitschaft anderer Mitgliedstaaten, sich finanziell in der EU zu engagieren. 

Aber vor allem stellt es die Europäische Union vor eine grundsätzliche Frage: Wie kann und soll sie mit einem Mitgliedstaat umgehen, der sich seit über einem Jahrzehnt von rechtsstaatlichen Prinzipien und damit auch vom Grundkonsens der EU lossagt?

Die Europäische Union hat keine langfristige Strategie, wie mit einem Mitgliedstaat wie Ungarn umzugehen ist. Das liegt auch an ihrer Verfasstheit: Die EU-Verträge wurden zu einer Zeit verfasst, als niemand dachte, dass Artikel 7 EUV jemals zur Anwendung kommen müsste. Es gibt keine Möglichkeit, Mitgliedstaaten gegen ihren Willen auszuschließen. Auch die Haushaltskonditionalität ist ein erst kürzlich eingeführtes Instrument, das zuvorderst dem Schutz des EU-Haushalts dient und nicht dem Ahnden rechtsstaatlicher ­Verstöße.
 

Wirtschaftlicher und politischer Druck

Zwar gibt es kein Wundermittel gegen renitente Regierungen in der Union. Doch gerade die jüngsten Erfahrungen in den Verhandlungen mit Ungarn zeigen, dass die EU ihre Interessen mit einer Kombination aus wirtschaftlichem Druck und politischer Geschlossenheit in den kommenden Monaten dennoch durchsetzen kann.

Die Summe der EU-Mittel, die gegen Ungarn gesperrt sind, sind gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage Ungarns makroökonomisch durchaus relevant. Je mehr Mitgliedsländer auf EU-Mittel angewiesen sind, desto größeren Druck kann die EU hier über ihr Rechtsstaatlichkeitsinstrumentarium ausüben. Im Falle Ungarns werden dem Land, nach jetzigem Stand der Verfahren, zwischen 2024 und 2026 jährlich durchschnittlich fast neun Milliarden Euro an EU-Mitteln im Staatshaushalt fehlen. Dies entspricht fast 5 Prozent des ungarischen Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2023. 

Das ist eine Menge Geld, vor allem da es für die ungarische Regierung derzeit teuer ist, die fehlenden EU-Mittel durch zusätzliche Kreditaufnahmen auf den Finanzmärkten zu kompensieren. Die Zinssätze für zehnjährige ungarische Staatsanleihen lagen im Dezember 2023 bei 6,16 Prozent; das war neben Rumänien der höchste Wert in der EU und lag deutlich über dem Durchschnitt in der Euro­zone (2,9 Prozent). 

Wichtig ist zu ­erwähnen, dass die Sperrung der EU-Mittel nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist. Die Rechtsstaatlichkeitsinstrumente der ­Union können nicht arbiträr eingesetzt werden. Aber das macht sie nicht weniger wirksam. 

 

Ungarischen Erpressungsversuchen mit Geschlossenheit entgegentreten: Denn 26 EU-Staaten sind gemeinsam stärker als ­Ministerpräsident Orbán

 

Auch politisch gerät die ungarische Regierung in der EU immer mehr unter Druck. Die anderen Mitgliedstaaten stehen europäischen Lösungen mit 26 statt 27 immer weniger abweisend gegenüber. Und mit dem Regierungswechsel in Polen im vergangenen Jahr verlor Viktor Orbán einen wichtigen Verbündeten im Europäischen Rat. So zog mit Donald Tusk ein deutlicher Kritiker des ungarischen Ministerpräsidenten wieder in den Kreis der EU-Staats- und Staatsregierungschefs ein. Das macht etwa die Einleitung des Artikel 7-Verfahrens gegen Ungarn zwar nicht wahrscheinlich, aber zumindest doch ­theoretisch wieder möglich. 

Die EU hat damit ein wichtiges politisches Druckmittel in der Hand. Das wäre umso mehr der Fall, sollte der Rat mit einer Vier-Fünftel-Mehrheit den ersten Schritt des Artikels aktivieren und feststellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht. Ein Stimmrechtsentzug gegen Ungarn wäre dann nur noch eine Abstimmung entfernt, auch wenn der slowakische Regierungschef Robert Fico hier als möglicher neuer Verbündeter Orbáns auftreten könnte. 

Gleichzeitig bleibt die politische Hürde im Europäischen Rat, einen anderen Mitgliedstaat zu sanktionieren, hoch, obwohl die Frustration gegenüber Budapest in den anderen Hauptstädten deutlich gestiegen ist. Denn weder möchte man andere EU-Staatsoberhäupter an den Pranger stellen, noch will man riskieren, künftig selber an diesen gestellt zu werden.
 

Eine dreigleisige Strategie

Die EU wird mit ihren Instrumenten, ob formell oder informell, keinen Systemumbruch in Ungarn herbeiführen. Doch zumindest kann sie die Autokratisierung verlangsamen und die endlosen Blockaden auf europäischer Ebene verringern.

Langfristig bedarf es dafür einer drei­gleisigen Strategie: Erstens sollte sie ihr Rechtsstaatlichkeitsinstrumentarium effektiv nutzen und rechtsstaatliche Verletzungen unabhängig vom politischen Kontext konsequent ahnden. Zweitens sollten die anderen Staats- und Regierungschefs auch in Zukunft Geschlossenheit gegenüber Ungarn zeigen und, wo möglich, Alternativ­lösungen mit 26 finden. Denn der Februar-Gipfel hat gezeigt: Es kann nur erpresst werden, wer sich auch erpressen lässt – und 26 Mitgliedstaaten sind stärker als ein ungarischer Premier. Drittens gilt es, die institutionellen Voraussetzungen für die Erpressbarkeit der EU langfristig aufzu­lösen, indem ihre Entscheidungsverfahren reformiert und die Vetomöglich­keiten reduziert werden. 

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 2, März/April 2024, S. 88-93

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Dr. Thu Nguyen ist stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Centre in Berlin. Sie verantwortet die Thinktank-­Arbeit des Centre im Bereich institutionelle Fragen der EU.

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