Titelthema

29. Apr. 2024

Amerikas Klimapolitik nach der Wahl 

Während die Biden-Regierung das größte Klimagesetz der US-Geschichte umsetzt, plant Team Trump bereits die kompromisslose Verteidigung der fossilen Welt. 

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Bild: Klimaaktivist:innen demonstrieren vor dem Weißen Haus in Washington
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In diesem Jahr wird fast die Hälfte der Weltbevölkerung zur Wahl gehen. Die Ergebnisse werden enorme Folgen für das Klima haben. In kaum einem Land wird dies so deutlich wie in den USA, wo Donald Trump mit seinem Mantra „Drill, Baby, Drill“ und Joe Biden, der in seiner ersten Amtszeit das größte Klimagesetz der US-Geschichte verabschiedet hat, um die Präsidentschaft kämpfen. Höchst Zeit, näher zu untersuchen, wie die US-­Klimapolitik unter beiden Kandidaten aussehen könnte und wie sich Deutschland auf beide Szenarien vorbereiten kann. 


Szenario I: Biden 2.0

„Four more years! Four more years!“, riefen die Demokraten bei Bidens diesjähriger Rede zur Lage der Nation. „Vier weitere Jahre!“ wäre auch ein passender Titel für Bidens Klimaagenda einer zweiten Amtszeit, die von Kontinuität geprägt sein wird. 

2020 stand Biden vor der Herausforderung, die Anhängerinnen und Anhänger seines linken Mitstreiters Bernie Sanders sowie die ökonomisch abgehängten Wählerinnen und Wähler in den ­ländlichen Regionen von sich zu überzeugen. Das gelang, indem er ein ambitioniertes Zwei-Billionen-Dollar-Investitionspaket ankündigte („Build Back Better“). Binnen zehn Jahren sollten so vor allem im de­industrialisierten Rust Belt im Nord­osten der USA Millionen neue Arbeitsplätze entstehen; daneben sollten Bevölkerungsgruppen entschädigt werden, die besonders unter Umweltverschmutzung der fossilen Industrie gelitten haben, sogenannte „environmental justice communities“. 

Aufgrund der knappen demokratischen Regierungsmehrheit im Kongress und einer destruktiven Republikanischen Partei konnte Bidens Build Back Better-Plan nicht in seiner ursprünglichen Form verabschiedet werden. Die Klimamaßnahmen wurden erheblich abgeschwächt, viele der geplanten Sozialprogramme ganz gestrichen, während die fossile Industrie weitere Bohrgenehmigungen erhielt.

Dennoch war der daraus resultierende Inflation Reduction Act (IRA) ein klimapolitischer Meilenstein. Etwa 738 Milliarden Dollar sollen in die US-Industrie fließen, unter anderem in die Förderung von Technologien für erneuerbare Energien, Batterien, Halbleiter und Elektrofahrzeuge. Finanziert werden soll all das durch Steuererhöhungen für Reiche und Großunternehmen. Auf diese Weise soll nicht nur eine florierende fossilfreie Wirtschaft, sondern auch eine breite, wohlhabende Mittelschicht geschaffen werden. 

Eine zweite Biden-Regierung wird es schwer haben, weitere große Klimagesetze zu verabschieden 

Biden fasste den IRA mit den Worten zusammen: „Wenn ich an Klima denke, denke ich an Arbeitsplätze.“ In der Tat erhielt das Gesetz neben der Zustimmung von Klima- und Umweltgruppen auch breite Unterstützung von Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung. Mit seinen milliardenschweren Investitionen schafft der IRA neue Wählerinnen- und Wählergruppen, für die die grüne Transformation eine Frage des Lebensunterhalts geworden ist.

Bidens Klimaschutzpolitik konzentriert sich auf die Dekarbonisierung und den Aufbau einer heimischen Energiewirtschaft. Internationale Klimaschutzmaßnahmen, biologische Vielfalt und Naturschutz mussten in den Hintergrund treten. Außerdem beinhaltet der IRA fast keine neuen Grenzwerte oder Regulierungen. Stattdessen wird hauptsächlich auf Anreize gesetzt.

Ein großer Teil von Bidens künftiger Klimapolitik wird darin bestehen, das Erbe des IRA zu zementieren und vor Angriffen der Republikaner zu schützen. Sobald Zuschüsse, Steuererleichterungen, neue Investitionen und Arbeitsplätze die entsprechenden Bevölkerungsgruppen erreichen, wird es politisch sehr ­schwierig sein, sie rückgängig zu machen, wie der jahrzehntelange und letztlich erfolglose Kampf der Republikaner gegen die Gesundheitsreform von Barack Obama („Obamacare“) gezeigt hat.

Zu den obersten Prioritäten der Demokraten gehört es daher, Wählerinnen und Wähler über die Chancen und Erfolge des IRA zu informieren, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, das Stromnetz für die zusätzliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszubauen und Zuschüsse für ökonomisch schwache oder von Umweltverschmutzung geprägte Regionen so schnell wie möglich an Antragsteller zu vergeben. Auf internationaler Ebene wird die Biden-Administration Verbündete ermutigen, insbesondere die EU, ihre eigenen IRAs umzusetzen, um ihre Wirtschaft und Energieversorgung zu stärken und ihre Unabhängigkeit von China und Russland zu erhöhen. 

Eine zweite Biden-Regierung wird es jedoch schwer haben, weitere große Klimagesetze zu verabschieden. Ein Großteil des US-Kongresses steht im November ebenfalls zur Wahl; die Umfragen deuten auf ein knappes Rennen hin, wobei die Republikaner in einer etwas besseren Posi­tion sind, um den Senat zurückzuerobern. Wenn eine oder sogar beide Kammern in republikanischer Hand sind, wird es praktisch unmöglich sein, Klimagesetze durch den Kongress zu bringen. 

Stattdessen wird eine zweite Biden-Regierung hauptsächlich auf Durchführungsverordnungen (Executive Orders) zurückgreifen und bestehende Umweltvorschriften verschärfen. Darüber hinaus erwägt das Weiße Haus derzeit Regelungen, um die Umweltverschmutzung durch Stahl, Zement und andere Schwerindustrien zu begrenzen, um so das Ziel einer Emissionssenkung um 50 bis 52 Prozent bis 2030 zu erreichen. Biden wird hier jedoch vorsichtig vorgehen müssen, um Wählerinnen und Wähler aus diesen Industriezweigen nicht zu verlieren. Außerdem können diese Verordnungen von der nächsten Regierung oder den Gerichten, die zunehmend von rechten Kräften als Waffe eingesetzt werden, einfacher rückgängig gemacht werden.


Szenario II: Trump 2.0

Trumps erste Amtszeit war bereits eine Katastrophe für das Klima. Eine zweite Amtszeit wird nochmal wesentlich destruktiver sein. Trumps Zeit im Weißen Haus war von Chaos geprägt, und gegen Ende herrschte unter Konservativen das Gefühl, seine Amtszeit nicht effektiv genutzt zu haben, abgesehen von der Ernennung konservativer Richter. Andere wichtige Wahlkampfversprechen, wie die Abschaffung von Obamacare, gingen in Chaos und internem Streit unter.

In Bezug auf den Klimawandel hat Trump zwar das Pariser Abkommen verlassen und Öl- und Gasbohrungen in Naturschutzgebieten erlaubt, weitere Schäden wurden jedoch in den Ministerien durch gemäßigte Konservative sowie vor den Gerichten verhindert. 

Dieses Mal soll es anders gemacht werden: Hunderte einflussreiche Konservative und ehemalige Mitglieder der Trump-Administration haben sich dem „Project 2025“ des einflussreichen Think­tanks „Heritage Foundation“ angeschlossen. Ziel ist laut eigenen Angaben, „eine Armee von linientreuen, auf Eignung geprüften, trainierten und vorbereiteten Konservativen zusammenzustellen, die sich ab Tag eins an die Arbeit machen, um den Verwaltungsstaat zu dekonstruieren“.

In einer zweiten Trump-
Amtszeit kann eine ideologisch motivierte Regierung erwartet werden, die bereit ist, die Klima- und Umweltbemühungen der USA zu zerstören

Mit dem Project 2025 wurde ein Handbuch für die nächste republikanische Regierung geschaffen: Alarmistisch und polarisierend im Ton, detailliert in der ­Ausarbeitung, zielt es darauf, den Sozialstaat, den Aufbau einer grünen Wirtschaft und den Schutz von Minderheiten möglichst effizient auszuhöhlen. Ella Müller, Expertin auf dem Gebiet der amerikanischen Rechten und des Anti-Environmentalisms, beschreibt Project 2025 als Verkörperung der beiden zentralen Säulen der von Trump dominierten Republikaner als „Angriff auf die liberale, pluralistische Demokratie in Amerika und die aggressive Verteidigung der fossilen Welt“.

In einer zweiten Amtszeit von Trump kann daher eine ideologisch motivierte und effektive Administration erwartet werden, die bereit ist, die Klima- und Umweltbemühungen der USA systematisch und grundlegend zu zerstören. Der erneute Ausstieg aus dem Pariser Abkommen wäre nur der Anfang. Project 2025 enthält detaillierte Anweisungen, um erstens die Umweltbehörde (EPA) abzubauen, indem ein Großteil ihres Personals entlassen und ihre Befugnisse zur Durchsetzung von Klimaschutzmaßnahmen drastisch reduziert werden. Zweitens sollen andere Regierungsbehörden eingesetzt werden, wie das Energieministerium und die Federal Energy Regulatory Commission, um die Produktion und den Export fossiler Brennstoffe aggressiv zu unterstützen und auszuweiten. Subventionen für grüne Technologien werden entweder aufgehoben oder auf Öl, Gas und Kohle ausgeweitet. Jegliche Erwähnung von „Klimawandel“ oder „Umweltgerechtigkeit“ wird aus der Kommunikation und den Vorschriften der Regierung in allen Ministerien gestrichen. 


Grüner Protektionismus?

Es scheint überraschend, aber es gibt Bereiche, in denen Biden und Trump ähnliche Positionen haben, vor allem in der Industriepolitik und im Wettbewerb mit China. Dies könnte zu mehr Kontinuität in der Klimaaußenpolitik führen, als die entgegengesetzten Positionen von Biden und Trump zum Klimawandel auf den ersten Blick vermuten lassen.

Sowohl unter Trump als auch unter Biden wird der Blick nach innen gerichtet sein; beide werden sich auf den Aufbau der Industrie und der Energieinfrastruktur konzentrieren, um unabhängiger von und wettbewerbsfähiger mit China zu werden. Mit Biden wird dieser Fokus nach innen grüner, weniger erratisch und eher auf die Koordination mit Europas Industrie-, Handels- und Klimapolitik ausgerichtet sein. Doch angesichts innenpolitischer Zwänge wird auch eine demokratische Regierung kaum eine treibende Kraft in internationalen Klimaprozessen sein, wie etwa in der Klimafinanzierung. 


Auf alle Möglichkeiten vorbereiten

Als Trump die Wahlen 2016 gewann, war das für viele in Deutschland ein Schock. Aus dem Nichts musste die damalige Merkel-Regierung Beziehungen zu den neuen US-Vertretern aufbauen, von denen viele unbekannte, politisch unerfahrene Trump-Wahlkampfspender oder rechts­extreme Figuren waren.

Um diesmal vorbereitet zu sein, suchen Deutschlands Politikerinnen und Politiker und führende Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter bewusst den Kontakt mit MAGA-Persönlichkeiten der (extremen) Rechten, also mit denjenigen, die wahrscheinlich Teil einer zweiten Trump-Administration sein werden. Dies sollte jedoch nicht als allumfassende Vorbereitung betrachtet werden. In einer Partei, die so radikalisiert und extrem ist wie die Republikaner heute, spielen weder internationale Verbündete noch die existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel eine Rolle – persönliche Treffen hin oder her.

Es gibt weitere Strategien, mit denen Deutschland einen transatlantischen Klimadialog vorbereiten kann. Besonders wichtig ist der Ausbau der Beziehungen auf allen Regierungsebenen: Lokale und bundesstaatliche Regierungen sowie die US-Zivilgesellschaft haben unter der vergangenen Trump-Regierung gezeigt, dass sie starke internationale Partner im Klimaschutz sein können. Auch unter Trump lassen sich auf Bundesebene Klimapolitikerinnen- und -politiker finden; die Senatoren Ed Markey und Jeff Merkley bauen seit Jahren transatlantische Brücken und bemühen sich um die deutsche Zusammenarbeit bei Themen wie erneuerbare Energien, Methan und Flüssiggas.

Deutschland muss zudem eine Führungsposition in internationalen Klimaprozessen einnehmen – entweder um Biden zu ermöglichen, sich einer ehrgeizigen Koalition anzuschließen, selbst wenn er innenpolitisch heftig von rechts angegriffen wird, oder um ein von Trump hinterlassenes Vakuum zu füllen.

Unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt: In Amerika wird es sowohl unter Trump als auch unter Biden ehrgeizige und engagierte Klimakämpferinnen und -kämpfer geben – auf der Straße, in lokalen und staatlichen Regierungen, im Kongress und in der Zivilgesellschaft.          

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik 3, Mai/Juni 2024, S. 36-39

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Mareike Moraal leitet das Klima- und Umweltpolitikprogramm der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, DC. 

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