Weltordnungspolitik durch die Vereinten Nationen
Buchkritik
Ein weiteres Lehrwerk über das System der Vereinten Nationen? Gibt es davon nicht bereits genug? Angesichts Günther Unsers „Die UNO. Aufgaben und Strukturen der Vereinten Nationen“ über Rüdiger Wolfrums Enzyklopädie „Handbuch Vereinte Nationen“ bis zum „Lexikon der Vereinten Nationen“ von Helmut Volger mag der Bedarf an einem neuen Studienbuch über die UN nicht sehr nahe liegen. Und doch füllt das mit seinen 351 Seiten vergleichsweise schmale Taschenbuch von Sven Bernhard Gareis und Johannes Varwick eine Lücke. Das Besondere ist, dass die beiden Politikwissenschaftler sich bei der Analyse der Weltorganisation auf drei Kernbereiche beschränkt haben. Sie untersuchen die den Vereinten Nationen in den Bereichen Friedenssicherung, Menschenrechtsschutz sowie Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt übertragenen Aufgaben, stellen die zur Verfügung stehenden Instrumente dar und bewerten das Reformpotenzial der Organisation. Durch diese Aufteilung und die stringente Aufbereitung der Themen innerhalb der Kapitel nach dem Muster: theoretische und geschichtliche Einführung, Darstellung der zuständigen UN-Organe sowie die Bewertung ihrer Leistungen, bekommt das komplexe Gebilde „Vereinte Nationen“ eine durchschaubare Struktur.
Dass die Friedenssicherung bei der Analyse an erster Stelle steht und auch einen größeren Platz einnimmt als die anderen Schwerpunkte, liegt zum einen daran, dass sie die wichtigste Aufgabe der Weltorganisation ist, mit der die Öffentlichkeit die Vereinten Nationen am stärksten identifiziert, zum andern wohl auch an der Ausrichtung der beiden Autoren. Beide arbeiten an wissenschaftlichen Einrichtungen der Bundeswehr und beschäftigen sich überwiegend mit Fragen der Sicherheitspolitik.
Im Schlusskapitel werden die in der Wissenschaft diskutierten Reformvorschläge für die drei behandelten Bereiche vorgestellt und an die Bilanz in den Hauptkapiteln angeschlossen, so dass ein nahezu vollständiges Bild der – wie es im Untertitel heißt – Aufgaben, Instrumente und Reformen entsteht. Das, was der Leser bei der zum Teil sehr theoretischen Aufbereitung der drei Schwerpunktthemen an Praxisbezug vermissen mag, wird im Schlusskapitel nachgeholt. Hier sprechen die Autoren die Probleme an, die durch die mangelnde Bereitschaft der Mitgliedstaaten, ihre nationalen den sachdienlichen Interessen unterzuordnen, entstehen und so die Organisation seit ihrem Bestehen in vielen Bereichen lähmen. Dieser fehlende Wille lässt die Hoffnung auf dringend notwendige Reformen in den Augen der Autoren schwinden: „Es scheint sogar ratsam, sich damit abzufinden, dass bei weitgehenderen Reformen oftmals der Weg das Ziel ist.“
Für die Seminararbeit an der Universität gedacht sind die im Anhang befindlichen Diskussionsfragen und Literaturempfehlungen für jedes Kapitel, der Text der Charta sowie die tabellarischen Übersichten über die Mitgliedstaaten und die Organisationen des UN-Systems. Ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein Stichwortregister ergänzen den Band.
Gareis und Varwick haben bei ihrer Analyse strikt darauf geachtet, sich einer prononcierten Meinung zu enthalten, was den Charakter eines Lehrwerks unterstreicht. Der Sprachstil ist nüchtern, leider nicht frei von Politologenjargon mit Wortungetümen wie „Hauptadministrationsorgan“, „Normimplementation“ oder „Effektivierung“; auch mit der Genauigkeit hapert es an der einen oder anderen Stelle. Dennoch sollte das Buch in den Handapparaten der mit den Vereinten Nationen befassten Seminare nicht fehlen und jedem interessierten Studierenden eine Investition wert sein.
Sven Bernhard Gareis und Johannes Varwick, Die Vereinten Nationen. Aufgaben, Instrumente und Reformen, Opladen: Leske + Budrich 2002, 351 S., 11,90 EUR.
Internationale Politik 2, Februar 2002, S. 69 - 70.