Online-Veröffentlichung

13. Mai 2025

Verteidigungsinvestitionen besser koordinieren

Ein Plädoyer für die Gründung einer multilateralen Bank für Verteidigung, Sicherheit und Resilienz.

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Bild: Grafische Illustration eines Schwertes dessen Spitze in einen Stift übergeht
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„Germany is back on track“ – so die erste Botschaft des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz für die internationale Presse. Merz‘ optimistischer Ton trifft auf eine angespannte Weltwirtschaftslage: Kreditmärkte senden Warnsignale, Risikokapital zieht sich europaweit zurück. Setzt sich dieser Trend fort, könnten sich auch die globalen Kreditbedingungen rasch verschärfen. Weite Teile der verteidigungsindustriellen Lieferkette, die auf Hochzinsanleihen und spezielle Finanzierungsmodelle angewiesen sind, dürften die Folgen schnell zu spüren bekommen. Störungen dieser Lieferketten könnten sogar zu einem drastischen Anstieg öffentlicher Finanzierungskosten führen und die geplanten Mehrausgaben für Verteidigung neutralisieren. 


Da dieses Problem nicht nur Deutschland betrifft, stehen europäische Spitzenpolitiker seit Wochen in engem Austausch und führen auch Gespräche mit dem Vereinigten Königreich und Norwegen. Damit die neue deutsche Regierung rasch intervenieren kann, kommt es auf eine intensive Vorbereitung an. Eine vielversprechende Idee, die Friedrich Merz gemeinsam mit seinem Finanzminister Lars Klingbeil und im Schulterschluss mit dem britischen Premierminister Keir Starmer aufgreifen könnte, ist die Gründung einer Bank für Verteidigung, Sicherheit und Resilienz (DSR-Bank). 


Ökonomische Resilienz und Abschreckung zusammen denken

Dabei handelt es sich um eine neue multilaterale Kreditinstitution, die im vergangenen Jahr erstmals in einem Strategiepapier des Atlantic Council vorgeschlagen wurde. Mittlerweile schließen sich die Reihen hinter diesem neuen Instrument, das Europas Verteidigungsfähigkeit langfristig und im großen Maßstab finanzieren könnte. Das Europäische Parlament sprach sich im März 2025 in einem Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verteidigung für die Gründung dieser Bank aus. Auch aus der Finanzwirtschaft kommt Zuspruch: Christian Sewing, CEO der Deutschen Bank, lobte den Vorschlag unlängst in einem Handelsblatt-Kommentar – ein Beitrag, in dem er erklärte, wie privates Kapital Europas Verteidigung stärken kann. Auf Regierungsseite bestätigte der britische Verteidigungsminister John Healey auf eine Frage des Abgeordneten Luke Charters im britischen Parlament, dass die Regierung eine Gründung ernsthaft in Erwägung zieht. 


Der Bedarf einer DSR-Bank ist offensichtlich: Europa und seine Verbündeten setzen nach wie vor auf veraltete Ausrüstung, teils aus der Sowjetära. Teure Upgrades sind jedoch nur einer von vielen ungedeckten Kostenfaktoren. Auch der Schutz kritischer Infrastruktur wie Unterseekabel, die Hilfen für die Ukraine, multinationale Operationen, Währungsabsicherungen und nicht zuletzt der Übergang zu grünen Technologien schlagen zu Buche. Es ist Konsens, dass Europa seine Verteidigungsfähigkeiten rasch stärken muss – durch Ausbau der Rüstungsproduktion, Sicherung kritischer Lieferketten und Investitionen in militärische Infrastruktur. Doch gerade der wirtschaftliche Unterbau – vor allem Rüstungs- und Munitionshersteller sowie ihre weitverzweigten Zulieferer – leidet unter den verschärften Kreditbedingungen. Versiegt die Liquidität, stockt die Produktion, Lieferungen verzögern sich – die Abschreckungswirkung nimmt ab.

Um das zu verhindern, ist eine multilaterale Koordination bei Verteidigungsinvestitionen entscheidend. Zersplitterte nationale Strategien verzerren die Nachfrage und verteuern Beschaffungen. Eine DSR-Bank könnte durch Anreize gemeinsame Beschaffungsprojekte und Fähigkeiten fördern. Mit Garantien für Privatbanken und abgestimmten Finanzierungsstrategien ließen sich die Produktion skalieren und der Zusammenhalt gleichgesinnter Staaten stärken. 
 
Entscheidend ist dafür der Zugang zu großvolumigem Kapital in der Lieferkette – sonst überholt die wachsende Güternachfrage die Produktionskapazitäten. Die Folge: drastische Preissteigerungen, wie zu Beginn der russischen Invasion, als der Preis einer 155 mm-Artilleriegranate binnen weniger Monate um rund 290 Prozent stieg. Sollte eine Aufrüstung unter diesen Bedingungen erfolgen, droht eine inflationsgetriebene Verteidigungsspirale, die – wie im Draghi-Bericht mahnend angemerkt – auch wirtschaftlich destabilisierend wirkt. Eine DSR-Bank könnte dem entgegenwirken, indem sie Staaten und Unternehmen bei Kreditaufnahme und Investitionen unterstützt und so eine Ausweitung der Produktion ohne explodierende Kosten ermöglicht. 


Sparvorteil in Milliardenhöhe

Vorteilhaft wäre diese Taktik insbesondere für Staaten, die nicht über eine AAA-Bonität verfügen (die bestmögliche Bewertung), um notwendige Investitionen über die Ausgabe von Staatsanleihen am Kapitalmarkt günstig zu finanzieren. Deutschland kann bislang sein hohes Bonitätsrating aufrechterhalten, doch rund 75 Prozent der NATO-Staaten verfügen nicht über vergleichbar günstige Kreditbedingungen, darunter auch potenzielle Frontstaaten, die im Konfliktfall Europas erste Verteidigungslinie bilden. In einem solchen Szenario bestünde das fiskalpolitische Alleinstellungsmerkmal der DSR-Bank darin, dass – anders als mit den in Deutschland unbeliebten Eurobonds – Kreditausgaben an Staaten mit niedrigem Rating auf der Bankbilanz verbleiben, während Einlagen in der nationalen Haushaltsführung als Vermögenswerte eingestuft würden.


Einfach ausgedrückt wäre eine DSR-Bank mit ihrem Status als Weltbank in der Lage, selbst günstige Kredite aufzunehmen und Einsparungen an Mitgliedstaaten weiterzugeben. Beispielsweise finanzierte Polen 2002 den Kauf von 48 F-16-Jets (3,8 Milliarden US-Dollar) mit einem 13-jährigen US-Kredit zu 5 Prozent Zinsen (3,47 Milliarden Dollar Zinskosten). Heute betragen US-Kreditzinsen gut 4,3 Prozent, während eine vergleichbare multilaterale Kreditinstitution wie die Internationale Bank für Wiederaufbau sie zu 3 Prozent anbietet. Könnte Polen heute also einen Auftrag mit gleichem Volumen über die DSR-Bank abwickeln, würde es rund eine Milliarde Dollar sparen. Auf NATO-Binnenexporte (30 Milliarden Dollar p.a.) angewandt, liegt die jährliche Zinsersparnis bei 500 Millionen Dollar, wobei Rüstungsaufträge in der Regel langfristig vergeben werden, wodurch sich der Sparvorteil schnell in die Milliardenhöhe bewegen dürfte. 
 

Neben dem kurzfristigen Investitionsimpuls durch den EU-Plan „ReArm Europe /Readiness 2030” und den geplanten 150 Milliarden Euro braucht es dauerhafte Institutionen, die Kapital strategisch, grenzüberschreitend und schnell mobilisieren können – vor allem, wenn sich der Markt zurückzieht. Eine DSR-Bank würde bewährte Instrumente wie Garantien, Mischfinanzierungen oder First-Loss-Tranchen nutzen, um privates Kapital zu mobilisieren und fragile Lieferketten zu stabilisieren. Investiert würde in strategische Sektoren wie Rüstungsproduktion, sichere Kommunikation, Logistik und kritische Infrastruktur – Bereiche, auf deren Stärkung sich die neue Bundesregierung bereits verständigt hat. 


Nun müssen Taten folgen. Abschreckung ist kein nationales Privileg, sondern ein kollektives Gut. Auch außereuropäische Wertepartner wie Kanada, Australien, Japan und Südkorea sollten daher stärker in die Verantwortung eingebunden werden. Dafür wird es aber nicht ausreichen, Deutschland lediglich wieder auf Kurs zu bringen. Benötigt wird die Führung, die Olaf Scholz einst versprach, aber nie einlöste. Für den neuen Kanzler Merz und seinen Finanzminister Klingbeil bietet die DSR-Bank dafür eine Blaupause – in einem verschärften geopolitischen Wettbewerb, in dem ökonomische Resilienz und Abschreckung untrennbar verbunden sein werden. 

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Bibliografische Angaben

Internationale Politik, Online-Veröffentlichung, 13. Mai 2025

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Said D. Werner ist Innovationsforscher an der Sloan School of Management des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Affiliate Director des MIT Murray Lab for Deep Tech & Geopolitics. In Deutschland arbeitet er als unabhängiger Strategieberater für Angehörige von Bundes- und Landesregierungen, für Stiftungen, Unternehmen und politische Parteien.

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