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16. Okt. 2012

Ein enges Rennen

Romney ist wieder da, aber Obama kann mit positiven Arbeitsmarktzahlen punkten

Im US-Wahlkampf steigt die Spannung. Nach dem unerwartet guten Auftritt des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney im ersten TV-Duell hat sich der Abstand zwischen ihm und Amtsinhaber Barack Obama verkürzt. Romney ist wieder im Rennen.

Ironischerweise konnte Romney von den niedrigen Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, profitieren – es konnte nur besser laufen als befürchtet. Und so kam es auch. Nach der ersten Debatte ergab eine Umfrage des Pew Research Center, dass Romney nun mit 4 Prozentpunkten vor Amtsinhaber Obama in Führung liegt. Dies bedeutet einen Umschwung von 12 Prozentpunkten gegenüber einer Umfrage von Mitte September, als Obama mit 8 Prozentpunkten noch scheinbar sicher in Führung lag.

Nach herkömmlicher Meinung haben die Debatten keinen großen Einfluss auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl, weil üblicherweise keinem der Kandidaten ein politischer K.o.-Schlag gelingt. Die herkömmliche Meinung war in diesem Fall allerdings die falsche. In Umfragen erhielt Romney sehr viel bessere Zustimmungswerte vom Publikum (72 Prozent zu 20 Prozent). Bei unabhängigen Wählern lagen sie bei 78 Prozent und selbst bei Demokraten noch bei 45 Prozent. Es kommt selten vor, dass das öffentliche Urteil über eine Debatte derart einhellig ausfällt, aber die meisten Zuschauer fanden Romney konzentrierter und energischer, während der Präsident nie so richtig in Schwung kam und sogar irritiert wirkte.

Obama war „zu nett“ 

Obama schnitt keines der Themen an, die Romney wochenlang in die Defensive gedrängt hatten, wie die Frage nach der Offenlegung von Romneys Steuererklärungen oder seine abschätzigen Kommentare über jene 47 Prozent der Amerikaner, die angeblich keine Einkommensteuer zahlen. Nach der Debatte räumten Obama und seine Berater ein, dass er „zu nett“ gewesen sei, weshalb sie für die nächste Debatte am 16. Oktober auf einen Strategiewechsel setzen. Die aggressivere Einstellung von Obamas Stellvertreter Joe Biden in der Debatte der Vizepräsidentschaftskandidaten gegen den Republikaner Paul Ryan vom 11. Oktober dürfte ein Vorgeschmack darauf gewesen sein, was wir von Obama erwarten können.

Man würde es sich allerdings zu einfach machen, den Grund für den Führungswechsel in den Meinungsumfragen allein auf das bessere Abschneiden Romneys in der Debatte zurückzuführen. Umfrage über Umfrage hat gezeigt, dass für die Wähler gewisse Eckdaten, insbesondere die Lage der Wirtschaft, absolute Priorität für ihre Wahlentscheidung haben. Tatsächlich sehen die meisten Wähler den Urnengang von 2012 eher als Referendum über die bisherige Präsidentschaft Obamas als über die Zukunftspläne Romneys. Zahlreiche Kennziffern dokumentieren die Unzufriedenheit im Land: Das Zutrauen in eine Erholung des US-Arbeitsmarkts bleibt auf Rekordtief; beinahe jeder zweite Amerikaner kennt jemanden, der die Suche nach Arbeit resigniert eingestellt hat. Nur 23 Prozent der Amerikaner glauben, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird als ihnen selbst, und 49 Prozent sind der Meinung, dass die amerikanische Nation heute schwächer ist als 2008 (nur 29 Prozent sind der gegenteiligen Auffassung).

Ein offenes Rennen

Vor diesem Hintergrund waren die Nachrichten vom Arbeitsmarkt kurz nach der ersten Präsidentschaftsdebatte für Obama unerwartet gut: Die Arbeitslosigkeit ist auf 7,8 Prozent gefallen – den besten Wert seit Januar 2009. Obamas Wahlkampfteam versuchte, diese Vorlage direkt zu verwandeln: Die Zahlen seien ein Beweis, dass Obamas Politik Amerika wieder auf die Füße bringe. Und tatsächlich sind 37 Prozent der Wähler jetzt der Meinung, dass ihr Land Schritte in die richtige Richtung macht – der höchste Stand seit Ende Juni 2009. Diese positiven Zahlen werden Obama viel Munition für die zweite und dritte Debatte mit Romney liefern.

Doch sofern Romney keine Fehler mehr macht, wird das Rennen um die Präsidentschaft bis zum Wahltermin am 6. November offen bleiben. Dabei geht es an diesem Tag nicht allein um die Wahl des US-Präsidenten; auch alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat stehen zur Wahl – mit zuletzt erfreulichen Nachrichten für die Demokraten: Laut mehrerer aktueller Umfragen scheint eine republikanische Mehrheit im Senat in immer weitere Ferne zu rücken.

STEVEN HILL ist Publizist in San Francisco. Zuletzt erschien von ihm „10 Steps to Repair American Democracy“(www.10Steps.net) und „Europe’s Promise: Why the European Way is the Best Hope in an Insecure Age“ (www.EuropesPromise.org).

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