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15. Aug. 2012

Die Romney-Ryan-Offensive

Obama kann mit einem harten Wahlkampf rechnen

Das andauernde Reality-TV des US-Präsidentschaftswahlkampfs geht in die nächste Runde. In der vorerst aktuellsten Folge enthüllte Mitt Romney, dass Paul Ryan mit ihm ins Rennen ums Weiße Haus geht. Amerikanische Experten sind sich noch uneinig, ob das eine gute Wahl war. Wichtiger aber ist, was sie über Romneys Wahlkampfstrategie aussagt: Verbrannte Erde. Überall.

Die meisten Experten scheinen zu denken, dass Romney einen Vizekandidaten brauche, der einer eher schlapp dahinplätschernden Kampagne neues Leben einhauchen kann – und zweifelsfrei gelingt dies durch die Nominierung Ryans. Er ist beliebt bei der Tea-Party, dem aktivsten Flügel der Republikanischen Partei, für die Romney bislang keine allzu große Zuneigung gezeigt hat. Und tatsächlich: Ihre Veranstaltungen zogen begeisterte Menschenmengen an. 24 Stunden nach Ryans Nominierung waren 3,5 Millionen Dollar an Onlinespenden eingegangen.

Interessanterweise wirkt der harte Kern der Demokraten ebenfalls begeistert über die Nominierung Ryans – aus einem einfachen Grund: Ryan ist der Einsparspezialist der Republikaner. Als Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Repräsentantenhaus setzte er sich für tief greifende Kürzungen ein, einschließlich bei Medicare, dem amerikanischen Pendant einer nationalen Krankenversicherung für Bürger über 65 Jahre. Nicht wenige Leute loben ihn für seinen Mut, endlich einmal Heilige Kühe zu schlachten. Andere kommen nicht umhin zu bemerken, dass es seltsamerweise die Sozialprogramme für die Schwächsten in der Gesellschaft sind, die unter Ryans Messer geraten.

Die New York Times bemerkte dazu in einem für sie ungewöhnlich bissig formulierten Leitartikel, dass „mehr als drei Fünftel der Kürzungen, die Mr. Ryan vorschlug und die das von der Tea-Party gesteuerte US-Repräsentantenhaus auch eifrig absegnete, Programme für einkommensschwache Amerikaner betreffen. (...) Diese Kürzungen sind so einschneidend, dass die katholischen Bischöfe des Landes dagegen protestierten, wie hier die moralischen Verpflichtungen einer Nation schlicht außer  Acht gelassen werden.“ Paul Ryan ist übrigens gläubiger Katholik.

In wichtigen „Battleground-States“ wie Florida, in denen viele auf Medicare angewiesene Senioren gewissermaßen ihren Ruhesitz aufgeschlagen haben, könnte sich Ryans Kandidatur für das Amt des Vizepräsidenten als Belastung herausstellen. Die Demokraten werden versuchen, Ryan als jemanden darzustellen, der nicht nur Medicare drastisch kürzen, sondern zusätzlich die Steuersätze der Wohlhabenden senken und einen Sparetat erlassen will – was verheerende Folgen für die arbeitende Bevölkerung hätte und hauptsächlich den Reichen zugute käme. Ihre Kampagne gegen den politischen Gegner zielt darauf ab, den ehemaligen Chef eines Private Equity Funds das Image eines „abgehobenen Aristokraten“ und Finanzspekulateurs anzuhängen, der Unternehmern gekauft, ausgeschlachtet und Tausende um ihre Jobs gebracht hätte. Paul Ryan passt perfekt in dieses Bild.

In Ryans’ Heimatstaat Wisconsin, auch der ein „Battleground-State“, dürften sich Romneys Chancen hingegen erhöhen: Hier werden sich die Tea-Party-Anhänger nun für Romney engagieren, was sie ohne Ryan auf dem „Ticket“ der Republikaner wohl kaum getan hätten. Noch einmal: Präsidentschaftswahlen werden nicht durch die Stimmen aller Wahlberechtigten in den USA entschieden. Ausschlaggebend ist, welcher Kandidat in welchem Staat die Wahlmänner gewinnt. Unter den zehn Battleground-States sind Florida, Ohio und Pennsylvania, möglicherweise auch North Carolina und Virginia die wichtigsten. Sollte die Wahl in diesen Staaten besonders knapp ausfallen, bieten sich zwei gleichermaßen effiziente Strategien an: die Mobilisierung der Stammwählerschaft, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen – und die Überzeugung unentschiedener Wechselwähler.

Die Nominierung von Paul Ryan als Vizepräsidentschaftskandidat offenbart viel über die Strategie, die  Romneys Wahlkampfteam als die effizientere erachtet, um ins Weiße Haus zu kommen: Romney wird eher darauf abzielen, die traditionelle Wählerschaft zu mobilisieren und dafür die Wechselwähler zu vernachlässigen. In Meinungsumfragen sind Stammwähler als Faktor noch nicht recht auszumachen. Sie lassen sich erst durch aggressive Werbespots und Wahlkampfappelle motivieren, deren Botschaft meist lautet, dass der demokratische Kandidat ganz sicher das Ende der guten alten amerikanischen Zivilisation bedeutet.

Eine solche Strategie der „verbrannten Erde“ sollte die Demokraten in Alarmbereitschaft versetzen. Zuletzt hat Karl Rove sie im Wahlkampf 2000 und 2004 für George W. Bush angewandt, um die heiß umkämpften Battleground-States Ohio und Florida zu gewinnen.

STEVEN HILL ist Publizist in San Francisco. Zuletzt erschien von ihm „10 Steps to Repair American Democracy“ (www.10Steps.net) und „Europe’s Promise: Why the European Way is the Best Hope in an Insecure Age“ (www.EuropesPromise.org).

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