Brief aus...

01. Nov. 2019

Die große Müdigkeit

Brief aus ... Maputo

In der ostafrikanischen Metropole spiegelt sich die Misere des Landes.

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Bild: Zeichnung Maputo
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Maputo wirkt müde. Die mosambikanische Hauptstadt hatte zwar schon immer das Flair einer „­Second-Hand-Metropole“ – momentan aber sieht die Stadt abgetragen aus wie lange nicht. Entlang der Avenidas stehen etliche Ladenlokale leer, die in Zeiten des Aufschwungs Anfang des Jahrzehnts noch floriert hatten. Dafür ist die Zahl fliegender Händler wieder gestiegen.

Im Morgengrauen beobachte ich, wie eine alte Frau Orangen aus einem Wohnblock der sozialistischen Ära schleppt und mühsam einen kleinen Stand aufbaut. Dort sitzt sie bis zur Abenddämmerung, wartet auf Kundschaft, doch kaum jemand interessiert sich für ihre Orangen. Auf der anderen Seite des Bürgersteigs stochert ein zerlumpter Mann in einem Müllcontainer, findet ein paar Essensreste und verschlingt sie hungrig.



Korruption? „Krise“!

Jeder Tag ist ein Überlebenskampf. Schuld ist das, was viele Mosambikaner als „Krise“ bezeichnen, um das hässliche Wort „Korruption“ nicht in den Mund nehmen zu müssen. Dieser Begriff wird in der Öffentlichkeit gemieden – die Ohren der Regierungspartei Frelimo seien überall, heißt es zur Begründung. Von Repressionen und Morddrohungen gegen Journalisten und zivilgesellschaftliche Aktivisten wird nur hinter vorgehaltener Hand berichtet.

Die aktuelle Krise geht auf das Jahr 2013 zurück: Drei halbstaatliche mosambikanische Firmen erhielten Kredite von über zwei Milliarden Dollar von der Credit Suisse und der russischen VTB Bank, angeblich für den Kauf von ­Patrouillenbooten und den Aufbau einer Thunfischflotte. Stattdessen versickerte ein großer Teil der Summe, Verantwortliche mehrerer Ministerien und des Geheimdiensts profitierten. Es war ein heimlicher Deal am Parlament und internationalen Gebern vorbei, gestützt mit illegalen Staatsgarantien. Erst drei Jahre später flog der Skandal durch Medienberichte auf. Daraufhin stürzte der Kurs des mosambikanischen Metical ab, die Staatsverschuldung schnellte in die Höhe. Internationale Budget- und Entwicklungshilfe, die einen stattlichen Teil des Staatshaushalts ausgemacht hatte, wurde größtenteils eingefroren.



Ein einsamer Kunde

„Wieder einmal zahlen wir Bürger die Zeche“, echauffiert sich Zeca Cossa. Unweit der Statue von Frelimo-Gründer Eduardo Mondlane betreibt er eine kleine „­barraca“, serviert Snacks und Drinks aus einem umgebauten Schiffscontainer. Obwohl es ein Freitagabend ist, sitzt nur ein einsamer Kunde dort, sein Blick so trüb wie sein Bier. „Das Leben ist noch schwieriger geworden“, fährt Cossa fort. Viele seiner ehemaligen Kunden könnten sich kaum mehr Lebensmittel leisten.

Die Preise sind gestiegen, die Haushaltseinkommen geschrumpft. Cossa kennt etliche Leute, die ihren Job verloren haben. Er selbst komme zwar noch über die Runden, erzählt er, aber die Zukunft seiner Kinder bereite ihm Sorgen, „wenn die Regierung nicht aufhört zu klauen“. Demokratie sei mehr als Wahlen alle paar Jahre. Selbst ein Machtwechsel bedeute nicht unbedingt einen Neuanfang. Darüber könnten auch vollmundige Versprechen einer schonungslosen Korruptionsbekämpfung nicht hinwegtäuschen.

„Wie viele andere mussten auch wir Mitarbeiter entlassen“, erzählt Nelsa Guambe wenig später. Gemeinsam mit ihrem Partner betreibt sie in Maputo eine Möbelmanufaktur. Die Entlassungen sind bitter für das Gründerpaar. Denn viele dieser Mitarbeiter hatten sie praktisch von der Straße geholt, ausgebildet und eingestellt. Die Krise aber ließe ihnen keine Wahl. „Wir haben wesentlich weniger Aufträge als früher. Möbel sind Luxus, und den kann sich momentan kaum jemand leisten.“ Zwar gebe es Anzeichen, dass sich die Situation langsam wieder verbessere, meint Guambe. Aber zum Aufatmen sei es zu früh.



Jagd auf ein bisschen Wohlstand

Gespannte Unruhe zeigt auch ein Bekannter, der für eine Nichtregierungsorganisation in Maputo arbeitet und mit dem ich am späten Abend in seinem Auto unterwegs bin. „Nicht auch noch die“, zischt er durch die Zähne, als er den Polizeiwagen sieht. Mit Gewehren bewaffnete Polizisten sitzen auf der Ladefläche. Ein martialischer Anblick, der in Maputo zum Alltag gehört. „Freitagabend und das Wochenende sind Haupt-Jagdsaison der Polizei“, meint er zynisch. Bevor er mehr erzählt, lässt er sich nochmals versprechen, dass ich seinen Namen nicht veröffentlichen werde.

Jagd machten die Beamten auf jeden, dessen Auto nach ein bisschen Wohlstand aussehe. Mit fadenscheiniger Begründung werde ein Bußgeld verlangt, das an Ort und Stelle bezahlt werden müsse. „So bereichern sich auch unsere kleineren Staatsdiener hemmungslos selbst.“ Die Korruption sei wie eine metastasierende Krankheit, die schon alle Organe des Körpers befallen habe.

Wir fahren an der Catembe-Brücke vorbei. Hell erleuchtet gehört sie seit der feierlichen Eröffnung vor einem Jahr zu Maputos neuer Skyline. Doch als Lichtblick empfindet sie kaum einer der Einwohner. Den Bürgern auf beiden Seiten der Bucht bringe sie wenig, weil die Mautgebühren zu hoch seien, heißt es in einer Petition an das Parlament. „Die Brücke ist nur ein Prestigeobjekt“, meint auch mein Bekannter. Gebaut von einem chinesischen Konsortium, mit Krediten zu satten Zinsraten. Als könne sich Mosambik neue Schulden leisten. Es ist kein Wunder, dass die Einheimischen all dessen so unendlich müde sind.

Leonie March lebt und arbeitet seit 2009 als freie Korrespondentin unter anderem für Deutschlandfunk und Frankfurter Rundschau in Südafrika.

Bibliografische Angaben

Internationale Politik 6, November/Dezember 2019, S. 112-113

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